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Scharfe Spachtel
ОглавлениеJede Familie braucht mal (Kurz-)Urlaub. So auch die Inhaber des Pferdehofs. Mit einer Einladung zu einer Hochzeit machten sie sich also eines Tages für drei Tage auf zu diesem Familienevent. Die Versorgung der Pferde inklusive der beiden Ferkel „Kotelett“ und „Schnitzel“ übernahm ich, unterstützt von zwei jungen Praktikantinnen und einer Einstellerin. Alles klappte eigentlich gut, bis zu jenem verhängnisvollen Moment…
Wie ich vorher bereits erwähnt hatte, gibt es im Stall auch Doppelboxen mit angeschlossenen Paddocks. Diese haben zwei Ausgänge auf die Freiflächen. In genau so einer Box wurde von uns zwischenzeitlich eine Stute „geparkt“, die etwas dominantes Verhalten gegenüber anderen Pferden zeigte. Wir wollten verständlicherweise an diesen Tagen keinen Ärger provozieren. Abends wurden dann die Pferde, die keine Robusthaltung gewohnt waren, in den Stall geholt. Dazu gehörte auch „Jule“. Eine ebenfalls anderen Pferden gegenüber dominante Stute. Als eine der beiden Praktikantinnen mit dieser in den Stall wollte, sagte ich noch zu ihr: „Pass auf, das in der Doppelbox kein anderes Pferd mehr ist.“. Mit der Antwort „Ja, ja…“ zog sie mit Jule von dannen. Kurz darauf war es dann passiert. Ein Anblick, den ich niemals haben wollte. Da stehen sich doch die beiden Stuten mit den Hinterteilen gegenüber im Paddock und beharken sich mit den Hinterhufen auf das Feinste. Um diese herumlaufend die Praktikantin. Sie wollte die beiden wohl irgendwie trennen. Die mithelfende Einstellerin fasste sich ein Herz, sprang in den Paddock, schnappte sich Jule und lief mit ihr in die Box zurück. Ich machte schnell die beiden Außentüren zum Paddock zu. Wow, geschafft. Leider hatte die andere Stute, die noch im Paddock stand, eine kleinere Verletzung am Hinterlauf davongetragen. Diese konnten wir aber ohne Tierarzt behandeln. So weit, so gut. Jetzt schaute ich mir die beiden Praktikantinnen an. Diese standen noch leicht zitternd und einen „riesen Anschiss“ von mir erwartend in der Stallgasse. Ich holte schon tief Luft dazu, besann mich dann aber eines Besseren und schickte die beiden mit den Worten „Wir reden morgen in Ruhe darüber.“ nach Hause. Als die beiden weg waren, tat es mir eigentlich leid, wenn es dumm lief, hatte ich diese nun für zwölf Stunden in die geistige „Folterkammer“ gesteckt.
Am nächsten Morgen war ich schon früh auf dem Hof. Aber nicht früh genug. Die beiden Mädels waren noch zeitiger gekommen, hatten bereits die Pferde auf die Koppel gebracht, alle Boxen frisch eingestreut und in der Stallgasse lag kein einziges Stäubchen… Mit den Worten „Du kannst erst mal Kaffee trinken, hier ist bereits alles fertig.“ wurde ich begrüßt. Ich entgegnete in bedächtigem Tonfall und leichten Falten auf der Stirn „So, so.“ und begab mich zur Kaffeemaschine. Auch diese war bereits für mich entsprechend „befüllt“. Mir war durchaus klar, dass die Mädels nun auf den „Anschiss“ warteten. Hier hatte ich mir aber etwas Besseres als eine laute Zurechtweisung einfallen lassen. Etwas grinsend und mit den Gedanken „Es kommt immer anders, als ihr glaubt.“ trank ich meinen Kaffee. Ich ließ die beiden bis gegen Mittag „zappeln“. PS: Oh, war ich gemein… Ich wusste, dass sie um die Mittagszeit herum einen kleinen Ausritt mit ihren „Lieblingspferden“ machen wollten… Auf diesem Moment hatte ich gewartet. Als die beiden dann kamen und nach dem Ausritt fragten, zog ich ohne weitere Worte aus meiner Tasche zwei wunderschöne Spachtel hervor und hielt diese den beiden vor die Nase. Auf die verdutzte Frage hin, was das denn soll, entgegnete ich mit richtig schön gespielt gelassener Stimme „Stall, Vogelkot abmachen, wenn sauber, dann Ausritt.“ Mit den Worten „Das haben wir doch in einer halben Stunde erledigt.“ nahmen sie die beiden Spachtel und entschwanden damit in den Stall. Nicht das ihr denkt, der Stall ist aber dreckig. Nein, so war und ist es gewiss nicht. Aber diese kleinen sehr nützlichen Tierchen namens „Schwalben“ hinterlassen nun mal überall ihre Exkremente, die auch entfernt werden wollen. Speziell auch auf den oberen Kanten der Boxentüren und Absperrungen. Es ist wohl eine der undankbarsten und wenn man es nicht von Anfang an richtig macht, der langwierigsten Aufgaben. Jeder, der in einem Stall arbeitet, in dem sehr viele Schwalben leben, weiß das.
So, nun zurück zu unserem Putzteam. Nach einem Moment der „Herumkratzerei“ stellten die beiden nun auch fest, dass das wohl so nicht geht. Also brachte ich ihnen einen Eimer Wasser, einen Schwamm und zusätzlich noch eine Drahtbürste. Danach zeigte ich ihnen die drei notwendigen Schritte. Ihr hättet die entgeisterten Blicke sehen sollen… Naja, nach zwei Stunden wurde mir „Erledigung“ gemeldet und ich solle mir das ja so tolle Ergebnis nun ansehen. „Was, auch noch Qualitätskontrolle?“ dachte ich mir. Es waren wirklich alle Kanten blitz sauber bis oje, ich auf der Rückseite in, na was denkt ihr wohl… griff. Ich brauchte auch überhaupt nichts weiter sagen. Nach einer weiteren Stunde war dann auch das geschafft. Nach einer kurzen Belehrung wegen des „Vorkommnisses“ vom Vorabend entließ ich die beiden dann in den ersehnten Ausritt und die Sache war „gegessen“.
Noch heute, vornehmlich wenn neue Praktikanten kommen, heißt es immer „Was, ihr wollt hier helfen? Habt ihr auch einen scharfen Spachtel mit?“ und die Geschichte wird auf die dann logisch folgende Nachfrage der „Neuen“, warum ein scharfer Spachtel hier denn so wichtig sei, immer wieder aufs Neue erzählt.