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B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines BetreuersI. Beginn des Betreuungsverfahrens › 2. Betreuerbestellung von Amts wegen

2. Betreuerbestellung von Amts wegen

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Die Antragstellung durch den Betroffenen selbst wirkt sich sowohl verfahrensrechtlich als auch materiell-rechtlich aus:[1]

Absehen von dem an sich obligaten Einholen eines Sachverständigengutachtens und Beurteilung der Betreuungsvoraussetzungen anhand eines ärztlichen Zeugnisses, das auch von dritter Seite vorgelegt werden kann, § 281 FamFG,
Erleichterungen bei der Aufhebung der Betreuung auf Antrag des Betroffenen, § 1908d Abs. 2 BGB,
zieht der Betroffene sein zunächst erklärtes Einverständnis im Laufe des Betreuungsverfahrens zurück, ist dies vom Betreuungsgericht – auch im Rahmen eines Beschwerde- bzw. Rechtsbeschwerdeverfahrens – zu berücksichtigen. Die Betreuerbestellung muss – sofern die materiell-rechtliche Prüfung sowie das Verfahren auf die Besonderheiten des Antragsverfahrens ausgerichtet waren – im Beschwerdeverfahren bei Antragsrücknahme durch den Betroffenen aufgehoben werden.[2]

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War also das Verfahren auf die Besonderheiten eines Antragsverfahrens zugeschnitten, siehe Rn. 67, muss die Betreuerbestellung bei einer Antragsrücknahme durch den Betroffenen – auch im Beschwerdeverfahren – aufgehoben werden.[3]

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Hinweis

Ist zweifelhaft, ob der Betroffene dauerhaft eine Betreuerbestellung wünscht, sollten die verfahrensrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden, die bei einer Betreuerbestellung von Amts wegen zu beachten sind bzw. ist parallel eine Betreuerbestellung von Amts wegen zu prüfen.[4]

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Demgegenüber kann eine Betreuerbestellung bei lediglich körperbehinderten Betroffenen nur auf ihren Antrag hin erfolgen.[5] Die Einrichtung einer Betreuung von Amts wegen bei einer (rein) körperlich behinderten Person gegen deren Willen, so genannte Zwangsbetreuung, scheidet aus. Nimmt also eine körperbehinderte Person ihren Antrag auf Betreuerbestellung im Rahmen eines laufenden Betreuungsverfahrens zurück, tritt automatisch dessen Beendigung ein, § 1896 Abs. 1 S. 2 BGB.

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Ein Antrag des Betroffenen ist grundsätzlich nicht Voraussetzung für die Einleitung eines Betreuungsverfahrens. Das Betreuungsgericht hat allen Hinweisen nachzugehen, die auf einen Betreuungsbedarf deuten. Dementsprechend kann jedermann – Angehörige, Freunde, Nachbarn, Ärzte oder soziale Dienste – bei dem nächstgelegenen Betreuungsgericht eine Betreuung zu Gunsten einer Person anregen. Die Rechtsantragsstellen der Amtsgerichte sind verpflichtet, entsprechende Anträge, von wem auch immer, aufzunehmen. Anregungsbefugt ist also jeder, der wahrnimmt, dass beispielsweise sein Nachbar, Freund, Bekannter oder Angehöriger nicht mehr in Lage ist, in einzelnen Bereichen sein Leben selbst, d.h. ohne fremde Hilfe, zu meistern.

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Selbstverständlich kann man sich auch schriftlich an das zuständige Betreuungsgericht oder die örtlich zuständige Betreuungsbehörde (meist beim Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt) wenden, um dort einen Betreuungsbedarf anzuzeigen. Häufig ist die Betreuungsbehörde nach § 7 BtBG die beim Gericht anregende Stelle für ein Betreuungsverfahren.

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Auch in konkreten Verwaltungsverfahren kann sich eine Handlungsunfähigkeit des Betreffenden ergeben, was eine Anregung zur Bestellung eines gesetzlichen Vertreters für das Verwaltungsverfahren zur Folge hat (§ 81 AO im Steuerrecht, § 15 i.V.m. § 71 Abs. 3 SGB X im Sozialverwaltungsverfahren, § 16 VwVfG bzw. landesrechtliche Parallelbestimmung in sonstigen Verwaltungsverfahren). Meist wird aus einer solchen Anregung jedoch eine umfassendere Betreuungsanordnung, weil über das Verfahren hinaus weiterer Betreuungsbedarf vermutet wird. Gleiches gilt für Mitteilungen anderer Gerichte (§ 22a FamFG) über Betreuungsbedürftigkeit oder Prozessunfähigkeit (§ 9 FamFG, §§ 56, 57 ZPO, § 58 FGO, § 71 SGG, § 62 VwGO).

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Muster Betreuungsanregung

Amtsgericht (. . .)

– Abt. Betreuungen –

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir unterstützen Frau Charlotte P., wohnhaft (. . .), als Pflegedienst bereits seit drei Jahren im Rahmen der Haushaltsführung.

In letzter Zeit mussten wir zunehmend Verwirrtheitszustände bei Frau P. feststellen. Frau P. holt regelmäßig am Anfang des Monats 1.000,00 € als Haushaltsgeld bei der Sparkasse ab. Manchmal beschwert sie sich schon nach einem Tag darüber, kein Geld mehr zu haben. Sie behauptet dann, fremde Personen, die angeblich in ihrer Wohnung ein- und ausgingen, hätten ihr das Geld gestohlen. Mehrfach halfen wir Frau P. schon bei der Suche nach ihrem Geld und fanden es dann beispielsweise im Küchenschrank in einer Tasse versteckt oder aber unter einem Sofakissen im Wohnzimmer. Frau P. hatte das Geld offensichtlich dort deponiert, aber dann den Aufbewahrungsort vergessen. Wir haben den Eindruck, dass Frau P. zwischenzeitlich den Überblick über ihre finanziellen Angelegenheiten verloren hat. Hinzu tritt, dass der Bruder von Frau P., Herr K., diese vor einer Woche besuchte, mit Frau P. zur Bank ging und sie vermutlich zu einer größeren Barabhebung zu seinen Gunsten veranlasste.

Weiterhin ist uns aufgefallen, dass Frau P. ganz blass ist. Unserer Meinung nach deutet das auf eine behandlungsbedürftige Blutarmut hin. Wenn wir Frau P. fragen, ob wir einen Arzt zum Hausbesuch bestellen sollen, lehnt sie dieses brüsk ab mit dem Bemerken, sie sei kerngesund und jeder Arzt, der sich bei ihr blicken lasse, „fliegt achtkantig raus“, so wortwörtlich.

Wir bitten Sie zu prüfen, ob für Frau P. ein Betreuer zu bestellen ist.

Mit freundlichen Grüßen

(Pflegedienst)

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Das Gericht wird von Amts wegen auf Grund eigener Sachkenntnis oder aber auf Grund einer Anregung eines Dritten tätig. Das Gericht wird wie folgt auf die Betreuungsanregung z.B. des Pflegedienstes reagieren:

Muster Antwort des Gerichts auf eine Betreuungsanregung

Pflegedienst (. . .)

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der einzuleitenden Betreuungssache

Charlotte P., geboren am (. . .),

bestätigt das Gericht den Eingang Ihrer Anregung auf Anordnung einer Betreuung.

Sie erhalten zu gegebener Zeit weitere Nachricht.

Da der von Ihnen geschilderte Sachverhalt keine ausreichende Entscheidungsgrundlage bietet, wurde – wie telefonisch kurz erörtert – die örtliche Betreuungsbehörde (. . .) um Sachverhaltsaufklärung bei einem Hausbesuch gebeten.

Hochachtungsvoll

(Richterin am Amtsgericht)

Beglaubigt

(Justizangestellte)

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Ferner wird das Betreuungsgericht die betroffene Person von dem Vorliegen einer Betreuungsanregung unterrichten

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Beispiel

Der 86-jährige Hans F. ist geistig fit, leidet jedoch an einem körperlichen Gebrechen, so dass ihm zunehmend Behördengänge usw. schwerfallen. Er wendet sich daher an das für ihn zuständige Amtsgericht und bittet um die Anordnung einer Betreuung.

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Unterschied Betreuerbestellung auf Antrag/von Amts wegen
Auf Antrag des Betroffenen, §§ 23, 25 FamFG Von Amts wegen (auf Anregung Dritter)
Verfahrenseinleitung durch einen selbst gestellten Antrag (Formfreiheit, Geschäftsfähigkeit wird nicht benötigt, § 275 FamFG) Anregung des Verfahrens, § 24 FamFG; bei Ablehnung der Einleitung: Unterrichtung des Anregenden, § 24 Abs. 2 FamFG
Ggf. Bestellung eines Verfahrenspflegers, § 276 FamFG
Ärztliches Zeugnis, § 281 FamFG Einholen eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens, § 280 FamFG
Anhörung des Betroffenen, § 278 FamFG Anhörung des Betroffenen, § 278 FamFG
Anhörung der Betreuungsbehörde und anderer Vertrauenspersonen, § 279 FamFG (Sozialberichterstattung, § 8 BtBG) Anhörung der Betreuungsbehörde und anderer Vertrauenspersonen, § 279 FamFG (Sozialberichterstattung, § 8 BtBG)
Endentscheidung (Betreuerbestellung) Endentscheidung (Betreuerbestellung oder Verfahrenseinstellung)
Handbuch Betreuungsrecht

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