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B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › III. Die Verfahrensbeteiligung

III. Die Verfahrensbeteiligung

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Im Rahmen der Reform des FGG durch das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zum 1.9.2009 wurden die an einem Betreuungs- (und Unterbringungs-)verfahren Beteiligen erstmals im Detail definiert. An der Verfahrensbeteiligung machen sich seit dem 1.9.2009 Anhörungs-, Akteneinsichts- und Beschwerderechte fest. Wer Beteiligter ist, bestimmt grundsätzlich § 7 FamFG. Dort ist der Beteiligtenbegriff gesetzlich definiert. Die vorbezeichnete Regelung wird für das Betreuungsverfahren durch § 274 FamFG (und für das Unterbringungsverfahren durch § 315 FamFG) ergänzt. Das Gesetz unterscheidet sogenannte „Mussbeteiligte“ und „Kannbeteiligte“.

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Muss-Beteiligte, §§ 7, 274 FamFG Kann-Beteiligte, § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG
Betroffener, § 274 Abs. 1 Nr. 1 FamFG Nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte, Lebenspartner (i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes; nicht: Lebensgefährten)
Betreuer, soweit sein Aufgabenkreis betroffen ist, § 274 Abs. 1 Nr. 2 FamFG Eltern, Großeltern, Pflegeeltern (§ 33 SGB VIII)
Bevollmächtigter i.S.d. § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB, soweit sein Aufgabenkreis betroffen ist, § 274 Abs. 1 Nr. 3 FamFG Abkömmlinge (also Kinder und Kindeskinder; auch adoptierte Personen)
Verfahrenspfleger, § 274 Abs. 2 FamFG Geschwister, Vertrauenspersonen
Betreuungsbehörde, § 274 Abs. 3 FamFG 1. auf eigenen Antrag in Verfahren über Betreuerbestellung oder Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts, 2. Umfang, Inhalt oder Bestand von Entscheidungen der vorbezeichneten Art

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Betreuer/Bevollmächtigte sind nur dann „Mussbeteiligte“, sofern ihr Aufgabenkreis betroffen ist, § 274 Abs. 1 Nr. 2 und 3 FamFG. Ein bestellter Verfahrenspfleger erhält mit seiner Hinzuziehung alle Beteiligtenrechte, § 274 Abs. 2 FamFG.

Der Antragsteller ist im Amtsverfahren stets Beteiligter, § 7 Abs. 1 FamFG. Als „Mussbeteiligte“ nach § 7 Abs. 2 FamFG hinzuzuziehen sind

Nr. 1: Diejenigen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird;
Nr. 2: Diejenigen, die aufgrund des FamFG von Amts wegen oder eines anderen Gesetzes oder auf Antrag zu beteiligen sind.

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Nach § 7 Abs. 2 FamFG müssen Personen, deren Rechte verletzt sein können, stets am Verfahren beteiligt werden. Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ist ausreichend. Davon abzugrenzen ist eine lediglich potentielle Gefährdung ideeller, sozialer und wirtschaftlicher Interessen.

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Hinweis

Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag weitere Personen als Beteiligte hinzuziehen, soweit dies im FamFG oder in einem anderen Gesetz vorgesehen ist, § 7 Abs. 3 FamFG. Das Gericht entscheidet durch Beschluss über die Hinzuziehung bzw. deren Ablehnung.

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Sofern bereits ein Betreuer bestellt ist, das betrifft also nicht das Betreuungsverfahren zur Erstbestellung, sondern nur Folgeverfahren, ist der Betreuer Beteiligter (Abs. 1 Nr. 2). Seltsamerweise findet sich darin die nachstehende Einschränkung, die nicht recht verständlich ist und in der Parallelvorschrift des Unterbringungsverfahrens (§ 315 FamFG) nicht vorhanden ist. Die Beteiligung kann auch konkludent, z.B. durch Übersendung von Schriftsätzen und Ladung erfolgen.[1] Die Beteiligtenstellung wird jeweils nur für ein konkretes und nicht für alle zukünftigen Verfahren erlangt.[2]

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Beispiel

Neffe N wird in dem anhängigen Betreuungsverfahren beteiligt. Nach erfolgter Betreuerbestellung des B wird dieser jedoch nicht automatisch beteiligt im Antragsverfahren auf Erweiterung der Befugnisse des Betreuers auf den Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung.

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Beteiligt ist der Betreuer nämlich nur dann, wenn sein Aufgabenkreis betroffen ist. Insbesondere bei der Bestellung mehrerer Betreuer (§ 1899 BGB) kann diese eingeschränkte Beteiligtenstellung bedeuten, dass einer der Betreuer keine Kenntnis eines laufenden Betreuungsverfahrens, z.B. zur Erweiterung von Aufgabenkreisen, erhält. Das ist kontraproduktiv. Die Einschränkung sollte daher restriktiv behandelt werden. Eine verfassungskonforme Auslegung der § 274 Abs. 1 Nr. 2 und 3 FamFG ist insbesondere im Lichte des Beschlusses des BVerfG vom 6.11.2008[3] geboten, der zu dem Begriff der materiell Beteiligten im Nachlassverfahren Stellung nahm und hierzu ausführte:

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Art. 103 Abs. 1 GG ist auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachten. Das gilt unabhängig davon, ob die Anhörung im Gesetz vorgesehen ist – auch für Verfahren, die vom Untersuchungsgrundsatz (§ 12 FGG, jetzt § 26 FamFG) beherrscht werden. Auf eine förmliche Beteiligtenstellung kommt es nicht an. Der Anspruch auf rechtliches Gehör steht vielmehr jedem zu, demgegenüber die gerichtliche Entscheidung materiell-rechtlich wirkt und der deshalb von dem Verfahren rechtlich unmittelbar betroffen wird.

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Unter Art. 103 Abs. 1 GG fällt nicht nur der formell am Verfahren Beteiligte und damit bereits Hinzugezogene. Erfasst ist demgegenüber auch der materiell Betroffene. Wenn das Gericht weiß, dass eine bislang nicht bekannte Person in in ihren subjektiven Rechten betroffen ist, besteht eine Pflicht, Nachforschungen anzustellen.[4] Der Bevollmächtigte i.S.d. § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB ist erstmals im Gesetz als formeller Mussbeteiligter genannt; es gilt die gleiche Einschränkung, wie beim Betreuer (Abs. 1 Nr. 3).

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Die Betreuungsbehörde ist auf ihren Antrag zwingend als Beteiligte hinzuzuziehen (§ 274 Abs. 3 FamFG). Dies gilt für Verfahren über:

Nr. 1: Die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,
Nr. 2: Umfang, Inhalt oder Bestand der in Nr. 1 genannten Art.

Damit die Behörde entscheiden kann, ob sie einen Beteiligtenantrag stellt, muss sie von jedem Verfahren informiert werden. Die Stellung der Behörde ist (in Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht des Gerichtes nach § 7 Abs. 4 FamFG) somit deutlich gestärkt worden. Es wird auch nicht danach unterschieden, ob das Betreuungsverfahren auf Antrag des Betroffenen oder von Amts wegen eingeleitet wurde.

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Die Stellung der Angehörigen ist dagegen gegenüber dem früheren FGG eingeschränkt worden. Zum einen ist der Angehörigenbegriff in Abs. 4 Nr. 1 beschränkt, er betrifft nur noch nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten und (eingetragenen) Lebenspartner, Eltern (incl. Pflege- und Großeltern), Kinder und Kindeskinder, Geschwister sowie eine Vertrauensperson des Betroffenen. Sie sind zwar genau wie die Betreuungsbehörde vom Beginn eines Betreuungsverfahrens zu verständigen und auf ihr Antragsrecht hinzuweisen (§ 7 Abs. 4 FamFG). Das Gericht entscheidet aber, ob es der Beteiligung zustimmt. Diese erfolgt nur, wenn die Beteiligung des Angehörigen im Interesse des Betroffenen liegt. Eigeninteressen der Angehörigen, z.B. bezüglich einer künftigen Erbschaft oder wegen Unterhaltsansprüchen, sollen keine Rolle mehr spielen. Eine Beteiligung kann jedoch auch stillschweigend durch das Gericht erfolgen, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen.[5]

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Gegen die Ablehnung der Verfahrensbeteiligung kann binnen einer Notfrist von zwei Wochen sofortige Beschwerde eingelegt werden (§ 7 Abs. 5 FamFG i.V.m. §§ 569 Abs. 1 ff. ZPO). Letztlich ist als Kann-Vorschrift die Beteiligung des Bezirksrevisors als Vertreters der Staatskasse möglich, soweit deren Interesse durch den Ausgang des Verfahrens betroffen sein kann (Abs. 4 Nr. 2). Dies betrifft in der Praxis hauptsächlich Verfahren auf Festsetzung der Betreuervergütung sowie den Staatsregress nach § 1836e BGB. Das Unterbringungsverfahren kennt stattdessen als Kann-Regelung noch die Beteiligung des Einrichtungsleiters, in der der Betroffene lebt (§ 315 Abs. 4 Nr. 3 FamFG).

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Diejenigen, die als von dem Betreuungsgericht als Beteiligte hinzugezogen wurden, sind – soweit gerichtsseits bekannt – von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen und über ihr Antragsrecht zu belehren, § 7 Abs. 4 FamFG. Die erstinstanzliche Hinzuziehung eines Beteiligten wirkt im Beschwerdeverfahren fort.[6] Verfahrenskostenhilfe (§§ 76 ff. FamFG, analog zur PKH) kann nur der bedürftige Beteiligte erhalten, der in eigenen Rechten betroffen ist. Für eine rein fremdnützige Verfahrensbeteiligung ist die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe hingegen nicht möglich.[7]

Entsprechend Art. 36 und 37 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963 (BGBl. II 1969, 1585 sowie 1971, 1285) muss die konsularische Vertretung des Heimatstaates informiert werden, wenn für einen Ausländer ein Betreuungsverfahren eingeleitet wird und/oder eine Unterbringung erfolgt. Der Konsul wird dadurch allerdings nicht Verfahrensbeteiligter nach dem FamFG.

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