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B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines BetreuersVIII. Der Verfahrenspfleger › 3. Pflichten des Verfahrenspflegers

3. Pflichten des Verfahrenspflegers

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Der Verfahrenspfleger ist verpflichtet, mit Angehörigen, dem Hausarzt, dem Vermieter, Behörden, der Heimleitung etc. und natürlich dem Betroffenen selbst Kontakt aufzunehmen, um zu ermitteln, in welchem Umfang eine Betreuung anzuordnen ist. Ob die persönliche Rücksprache mit einem laut ärztlichem Gutachten verständigungsunfähigen Betroffenen zu einer sachgerechten Aufgabenwahrnehmung gehört, ist umstritten.[1] Eine pflichtgemäße Erfüllung des Amtes macht ein persönliches Aufsuchen des Betroffenen in aller Regel erforderlich; es sind kaum Fälle denkbar, in denen dieses verzichtbar wäre. Eine sachgerechte Interessenvertretung ist nur dann gewährleistet, wenn der Verfahrenspfleger sich einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen und seinen Handicaps verschafft, jedes andere Vorgehen würde auf eine Stellungnahme nach Aktenlage hinauslaufen. Wurde im Rahmen einer Unterbringung ein Verfahrenspfleger bestellt, ist zu ermitteln, welche Vorfälle genau die Annahme einer Fremd- oder Selbstgefährdung des Betroffenen rechtfertigen könnten.[2] Dies folgt aus der Aufgabenstellung des Verfahrenspflegers, der allumfassend die Interessen des Betroffenen in dem anhängigen Betreuungs- bzw. Unterbringungsverfahren wahrzunehmen hat. Nur wenn der Verfahrenspfleger an den Vermieter des Betroffenen herantritt, um beispielsweise herauszufinden, ob dieser wegen Mietrückständen fristlos kündigen will, ist es ihm möglich, in dem Bericht, den er an das Betreuungsgericht abgibt, darauf hinzuweisen, dass es erforderlich ist, den Aufgabenkreis „Wohnungsangelegenheiten“ anzuordnen. Der Verfahrenspfleger kann in dem anhängigen Verfahren sämtliche Verfahrensrechte, die dem Betroffenen als Person zustehen, ausüben. Dies folgt aus der Stellung des Verfahrenspflegers als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.

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Der Verfahrenspfleger ist u.a. zu folgenden Verfahrenshandlungen im Interesse des Betroffenen berechtigt und verpflichtet:

Ermittlungen zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen und seines sozialen Umfelds,
Kontrolle der Einhaltung von Verfahrensgarantien durch Verfahrensbeobachtung,
Stellen von Beweisanträgen,
Abgabe von Anregungen,
Ablehnung eines Richters,
Abgabe einer Stellungnahme zu den subjektiven und objektiven Betreuungsvoraussetzungen und der Person des Betreuers,
Stellungnahme zur Erforderlichkeit der Unterbringungsmaßnahme,
Teilnahme an der richterlichen Anhörung des Betroffenen,
Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels, §§ 303 Abs. 3, 335 Abs. 2 FamFG.

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Auf Grund seiner Stellung im Verfahren ist der Verfahrenspfleger nicht gehindert, dem Gericht nachteilige Tatsachen über den Betroffenen mitzuteilen.

Ein Bericht in einer Verfahrenspflegschaftssache an das Betreuungsgericht sollte zweckmäßigerweise wie folgt gegliedert sein:

Bericht über Unterredungen mit Angehörigen, Ärzten, Freunden, Nachbarn und Bekannten des Betroffenen und dem Betroffenen persönlich
Auseinandersetzung mit dem ärztlichen Gutachten
Rechtliche Würdigung
Ergebnis

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Muster Bericht eines Verfahrenspflegers

Amtsgericht

In dem Betreuungsverfahren

……

Az.: ….

nehme ich in meiner Eigenschaft als Verfahrenspflegerin zu der angeordneten Unterbringung wie folgt Stellung:

I. Sachverhalt

Die Betroffene wurde mehrfach von Nachbarn und der Polizei als hilflose Person aufgegriffen und nach Hause gebracht. Der Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung lagen folgende Vorkommnisse zu Grunde:

26.5.2015: Die Betroffene steht nachts am geöffneten Schlafzimmerfenster im ersten Stock ihres Hauses und schreit längere Zeit um Hilfe. Die Betroffene argwöhnt, in einem Museum eingeschlossen zu sein und Hilfe zu benötigen. Dies bezeugten mir gegenüber die Nachbarn …
6.2.2016: Die Betroffene irrt nachts um 22 Uhr barfuß und lediglich mit einem Hemd bekleidet durch die Straße. Glücklicherweise führt der Nachbar XY gerade seinen Hund aus und bringt die inzwischen völlig ausgekühlte Betroffene zurück in ihr Haus.
18.2.2016: Die Betroffene wird in leicht bekleideten Zustand 150 m von ihrer Haustür entfernt vom Nachbarn AB in verwirrtem, orientierungslosem Zustand vor dem Grundstück mit der Hausnummer 78 vorgefunden.
24.2.2016: Die Betroffene irrt hilflos in der Hermannstraße umher, wird von der Polizei aufgegriffen und nach Hause gebracht.

Glücklicherweise konnte bis dato durch ein gut funktionierendes nachbarschaftliches Netz Schlimmeres verhindert werden. Ich tätigte persönliche Rücksprachen mit den vorbezeichneten Nachbarn, die mir glaubhaft die vorstehenden Ereignisse schilderten.

II. Rechtslage

Das planlose Herumirren eines Betroffenen ohne Beachtung des Straßenverkehrs und ohne notwendige Kleidung stellt sich nach der Rechtsprechung (OLG München OLGReport 2006, 73; OLG Frankfurt/Main FamRZ 1994, 992) als eine erhebliche Selbstgefährdung i.S.d. §§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 dar (Jurgeleit/Kieß Betreuungsrecht, 3. Auflage, § 1906 BGB, Rn. 19).

In Ansehung der geschilderten selbstgefährdenden Verhaltensweisen der Betroffenen ist deren weiterer Verbleib in ihrer Häuslichkeit nicht länger vertretbar. Das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen bedürfen des Schutzes vor eigengefährdendem Verhalten. Das gerichtsseits eingeholte Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen bekräftigt dies in beeindruckender Form. Es wird die Diagnose einer fortgeschrittenen Demenz mit Weglauftendenz, am ehesten vom Alzheimer-Typ, beschrieben.

Nach alledem ist die von dem Betreuer initiierte geschlossene Unterbringung in einem speziell für Demenzkranke ausgerichteten Wohnprojekt zu befürworten.

Unterschrift Verfahrenspflegerin

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Dem folgenden Bericht liegt eine Verfahrenspflegerbestellung II. Instanz zu Grunde. Das Amtsgericht hatte eine Betreuerbestellung vorgenommen mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, Postangelegenheiten sowie Vertretung vor Behörden und Gerichten. Zudem wurde im Aufgabenkreis der Vermögenssorge ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Ferner hatte die Betroffene kurz vor der Betreuerbestellung eine notarielle Vorsorgevollmacht an Herrn B. erteilt. Dieser hatte wegen umfangreicher Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten an dem Wohn- und Mietshaus der Betreuten zahlreiche Aufträge an Bauhandwerker erteilt. Herr B veranlasste den Ausgleich von Handwerkerrechnungen vom Konto der Betroffenen. Die Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht war fraglich.

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