Читать книгу Redeflüssigkeit und Dolmetschqualität - Sylvi Rennert - Страница 11
2.2.1 Problematik der Definition
ОглавлениеEine grundsätzliche Schwierigkeit liegt in den vielfältigen Bedeutungen und vor allem auch in der alltagssprachlichen Verwendung des Begriffs (vgl. Aguado Padilla 2002: 14, Guillot 1999: vii, Koponen & Riggenbach 2000: 19). Sowohl die deutschen Ausdrücke „Flüssigkeit der Rede“, „Sprechflüssigkeit“, „Redeflüssigkeit“ oder „fließend“ als auch das englische „fluency“ bzw. „fluent“ haben in unterschiedlichen Disziplinen verschiedene Bedeutungen.
Zu den Disziplinen, die sich unter diversen Gesichtspunkten mit Flüssigkeit beschäftigen, zählen u.a. Psychologie, Psycholinguistik, Soziolinguistik, Sprachpathologie und Fremdsprachendidaktik (vgl. Aguado Padilla 2002: 12f.). Diese enorme Bandbreite an verschiedenen Perspektiven und unterschiedlichen Weisen, in denen „Flüssigkeit“ verstanden wird, erklärt zum Teil das Fehlen einer einheitlichen Definition. Doch auch innerhalb der einzelnen Fachgebiete hat sich bislang keine allgemein akzeptierte Definition herausgebildet, und es herrscht allenfalls Einigkeit darüber, dass es sich um ein komplexes Phänomen handelt, für das es keine einheitliche Definition gibt (vgl. Aguado Padilla 2002: 14, Freed 2000: 245, Guillot 1999: vii, Koponen & Riggenbach 2000: 19). Guillot (1999: vii) stellt fest, dass der Begriff der Flüssigkeit trotz des Fehlens einer klaren Definition von ExpertInnen wie auch Laien mit einer Selbstverständlichkeit verwendet wird, die angesichts der intuitiven Herangehensweise kaum gerechtfertigt erscheint:
Fluency is an elusive notion. It has a foot in almost every language-related discipline, without being the province of any one in particular, and crosses over boundaries in a way which has made it resistant to analysis and rationalisation, even within applied linguistics. Yet it is peculiarly available to all, language specialists and non-specialists, as a measure of oral performance, and is used with a confidence which hardly seems justified in view of the scarcity of accounts governed by anything other than intuition. (Guillot 1999: vii)
Allgemeinsprachlich wird der Begriff der Flüssigkeit vor allem im Zusammenhang mit der Beherrschung von Fremdsprachen verwendet, etwa in „fließend Französisch sprechen“. In diesem Sinne ist Flüssigkeit das höchste erreichbare Niveau auf einer Skala, die aus Abstufungen wie „Grundkenntnisse“, „gute Kenntnisse“ und „fließend in Wort und Schrift“ besteht. (vgl. Lennon 1990: 389) Flüssigkeit wird aber manchmal auch mit Eloquenz, geistreicher oder witziger Konversation oder auch Geschwätzigkeit gleichgesetzt (vgl. Fillmore 1979: 93). Andere wiederum sehen grammatikalische Korrektheit als Bestandteil flüssiger Rede an (vgl. Freed 2000: 254), während vor allem im englischen Sprachraum im Bereich der Fremdsprachendidaktik „fluency“ (im Sinne von „ohne Unterbrechungen sprechen“) in Opposition zu „accuracy“ gestellt wird (vgl. Brumfit 2000, Freed 2000: 244).
Neben dieser allgemeinen Ebene gibt es das engere Verständnis von Flüssigkeit als Komponente der mündlichen Sprachkompetenz. Dies ist vor allem im Fremdsprachunterricht der Fall, wo mündliche Leistungen nach Kriterien wie Aussprache, Grammatik, Wortschatz, idiomatischer Ausdruck und Flüssigkeit der Rede beurteilt werden. Hier gibt es oft auch verschiedene Abstufungen von „Flüssigkeit“. (vgl. Lennon 1990: 389) Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen etwa beschreibt Flüssigkeit allgemein als „the ability to articulate, to keep going, and to cope when one lands in a dead end“ (COE 2000: 128). Flüssigkeit ist dort in eine 6-stufige Skala unterteilt, deren höchste Stufe lautet: „Can express him/herself at length with a natural, effortless, unhesitating flow. Pauses only to reflect on precisely the right words to express his/her thoughts or to find an appropriate example or explanation“ (COE 2000: 129).
Neben diesen zwei Bedeutungen, die sich vor allem auf die Sprachbeherrschung und die Ausdrucksweise beziehen, ist Flüssigkeit aber auch ein prosodisches Merkmal der gesprochenen Sprache, das wie Intonation, Lautstärke und Rhythmus jede Äußerung begleitet und prägt (vgl. Ahrens 2004: 76f.). In diesem Sinne, in dem sie vor allem in der Linguistik und in jüngerer Zeit auch in der Dolmetschwissenschaft behandelt wird, soll Flüssigkeit in der vorliegenden Arbeit verstanden werden.