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2.2.2.3 Sprechgeschwindigkeit

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Auch bei der Sprechgeschwindigkeit herrscht keine Einigkeit darüber, wie sie zu messen sei. Sie wird häufig in Silben pro Zeiteinheit gemessen (vgl. Goldman-Eisler 1958: 61, Möhle 1984: 27), was gegenüber der Messung in Wörtern pro Zeiteinheit vor allem bei sprachübergreifenden Untersuchungen den Vorteil hat, dass es den Vergleich verschiedener Sprachen unter Berücksichtigung ihrer strukturellen und morphosyntaktischen Unterschiede ermöglicht und somit eine objektivere Messgröße darstellt (vgl. Ahrens 2004: 141, Pöchhacker 1994a: 131f.). Pfitzinger (2001) plädiert allerdings für eine differenziertere Messung und weist darauf hin, dass Wort-, Silben- und Phonrate sich voneinander unterscheiden (Pfitzinger 2001: 129):

Zweifellos werden hohe Sprechgeschwindigkeiten vorwiegend von überdurchschnitt­lichen Wort-, Silben- und Phonraten begleitet und niedrige Sprechgeschwindigkeiten eher von unterdurchschnittlichen Raten. Diese oft beobachtete Kovariation führte in der phonetischen Forschung zu der weit verbreiteten Praxis, Sprechgeschwindigkeit durch eine beliebige dieser drei Raten zu kennzeichnen. (Pfitzinger 2001: 123)

Unabhängig davon, welche sprachliche Einheit verwendet wird, wird in der Literatur häufig zwischen Sprechrate und Artikulationsrate unterschieden. Die Sprechrate ist die durchschnittliche Anzahl von Einheiten pro Minute (oder Sekunde) der Gesamtzeit inklusive Pausen, während für die Artikulationsrate nur die reine Redezeit, also abzüglich der ungefüllten Pausen aber einschließlich Häsitationen und gefüllter Pausen, berücksichtigt wird (vgl. Ahrens 2004: 101, Goldman-Eisler 1958: 61, Laver 1994: 539, Möhle 1984: 27). Diese Unterschei­dung ist notwendig, weil in Reden mit vielen Pausen zwar die Sprechrate niedrig ist, die Abschnitte zwischen den Pausen aber dennoch sehr schnell artikuliert sein können (vgl. Ahrens 2004: 101). Dies macht die Artikulationsrate gerade auch in der Dolmetschforschung zu einem wichtigen Analysewerkzeug, da es bei Simultandolmetschungen durch das Warten auf den Ausgangstext zu längeren Pausen, gefolgt von dichten, schnellen Redeabschnitten, kommen kann (vgl. Goldman-Eisler 1972: 128f., Kurz & Pöchhacker 1995: 355). Für diese unterschiedlichen Geschwindigkeiten eignet sich für die Analyse die Unterscheidung in globale und lokale Sprechgeschwindigkeit: Die globale Sprechgeschwindigkeit (in Einheiten pro Sekunde) wird als Durchschnitt der gesamten Rede berechnet, während die lokale Sprechgeschwindigkeit in gleichmäßigen Abständen über den ganzen Text gemessen wird, um so eine Sprechgeschwindigkeitskurve zu ermitteln (vgl. Pfitzinger 2001: 13).

Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass die gemessene Geschwindigkeit nicht unbedingt mit der wahrgenommenen überstimmt. So stellte Pfitzinger (2001: 203ff.) in einer Reihe von Experimenten fest, dass sowohl die lokale Silben- als auch Phonrate nur schlecht dazu geeignet sind, die wahrgenommene Sprechgeschwindigkeit vorherzusagen. Die genaue Kombination von akustischen Merkmalen, die die wahrgenommene Sprechgeschwindigkeit (perzibierte lokale Sprechgeschwindigkeit) bestimmen, ist noch unbekannt (vgl. Pfitzinger 2001: 218ff.).

Einige AutorInnen verwenden auch die Länge von Redeabschnitten (in Silben oder Wörtern) zwischen zwei Pausen als weitere Variable zur Bestimmung der Flüssigkeit (vgl. Lennon 1990: 404, Möhle 1984: 27). Für die vorliegende Arbeit erscheint dieser Parameter für sich genommen allerdings nicht sinnvoll, da der Eindruck von Flüssigkeit vermutlich weniger vom Abstand zwischen den einzelnen Pausen als von der Position und Länge der Pausen abhängt (vgl. Pfitzinger 2001: 140ff.). Wenngleich es in extremen Fällen (nur wenige Wörter zwischen den Pausen) durchaus aufschlussreich sein könnte, sei an dieser Stelle auf die Untersuchung von Goldman-Eisler (1968: 17) hingewiesen, bei der selbst beim höchsten Grad von Flüssigkeit (mehrfache Wiederholung der Aufgabe mit entsprechendem Lerneffekt) 65 % der (halb)spontanen Redeabschnitte aus höchs­tens fünf Wörtern bestanden. Eindeutige Rückschlüsse von der Länge von Redeabschnitten auf wahrgenommene Flüssigkeit lassen sich also nicht zwangsläufig ziehen.

Für die vorliegende Arbeit werden trotz der besprochenen Unzulänglichkeiten die globale Sprechrate in Silben bzw. anderen Lauten (z.B. Häsitationen) pro Sekunde der Gesamtzeit (einschließlich Pausen) und die globale Artikulationsrate in Silben bzw. anderen Lauten pro Sekunde der reinen Redezeit (Gesamtzeit abzüglich Pausen) verwendet. Die Silbenzahl wird dabei nicht wie in der Phonetik und Dolmetschforschung meist üblich über die kanonische Form (also die Transkription) bestimmt, sondern es werden die tatsächlich artikulierten Silben gezählt. Verschmelzen zwei Silben zu einer, wird dies also nur als eine Silbe gezählt (vgl. Pfitzinger 2001: 140).

Redeflüssigkeit und Dolmetschqualität

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