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2.2.2 Flüssigkeit als Funktion temporaler Variablen

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Wie bereits einleitend erwähnt, ist Flüssigkeit aufgrund der Vielfalt an Bedeutungen ein schwer fassbarer Begriff. Problematisch ist dabei nicht nur, dass es sehr viele verschiedene Definitionen gibt, sondern auch, dass oft überhaupt auf eine nähere Definition verzichtet wird oder diese implizit vorausgesetzt wird, wie Guillot (1999) feststellt:

[W]hile references to it in applied linguistics are frequent, attempts to circumscribe it and get to grips with what is involved are few, in a field otherwise so punctilious in defining its concepts.(…) Although the question of fluency is sometimes signalled as a problem area (…), its meaning on the whole tends to be simply assumed, taken for granted, or elusively defined – explicitly or implicitly – as something like ‘ease of communication’ or ‘smoothness of expression’, that is to say in ways reminiscent of general dictionary definitions. (Guillot 1999: 3)

Nicht selten wird von einem intuitiven Gefühl für Flüssigkeit ausgegangen (vgl. Aguado Padilla 2002: 14), oder es werden „schwer zu operationalisierende, subjektive und intuitive Begriffe“ (Aguado Padilla 2002: 13) ins Treffen geführt, wie hier von Ejzenberg, die von „unnatürlichen“ Unterbrechungen des Redeflusses spricht:

Oral fluency is here described as a component of overall language ability or proficiency that indicates the degree to which speech is articulated smoothly and continuously without any ‘unnatural’ breakdowns in flow. (Ejzenberg 2000: 287)

Andere hingegen gehen eher von einem Zusammenspiel von temporalen Variablen und anderen, weniger greifbaren, Faktoren wie Stimmqualität, Sicherheit beim Sprechen und Aussprache aus (vgl. Freed 2000: 261).

Auf der Suche nach objektiven, quantifizierbaren Parametern, über die Flüssigkeit wissenschaftlich bestimmt werden kann, fällt die Wahl schließlich bei einem großen Teil der AutorInnen in Linguistik, Dolmetschwissenschaft und auch Zweitspracherwerb auf temporale Variablen wie Pausen, Sprechrate und Häsitationen. Zwar gibt es Unterschiede bei der Anzahl der berücksichtigten Teilparameter und deren Klassifizierung, doch gibt es auch einige zentrale Begriffe, die sich in zahlreichen Definitionen wiederfinden (vgl. Aguado Padilla 2002).

Lennon (2000) unterscheidet zwischen „higher-order fluency“, der Sprachbeherrschung im weiteren Sinne, und „lower-order fluency“, die über temporale Variablen wie z.B. Sprechgeschwindigkeit, Pausen, Fehlstarts und Häsitationen gemessen werden kann:

Lower-order fluency can be measured both impressionistically and instrumentally by speech rate and by such dysfluency markers as filled and unfilled pauses, false starts, hesitations, lengthened syllables, retraces, and repetitions. (Lennon 2000: 25)

Bei Hedge (1993: 275) finden sich „frequent pauses, repetitions, and self-corrections“ als Merkmale unflüssiger Sprachproduktion bei Nicht-Muttersprachlern, während Chambers (1997) ihr Augenmerk vor allem auf Pausen und Häsitationen richtet. Nicht nur diese Phänomene selbst sind dabei allerdings von Bedeutung, sondern auch deren Dauer und Häufigkeit:

The presence, length and frequency of silences and hesitations affect the listener’s perception of an interlocutor’s fluency. (Chambers 1997: 538)

Für Laver (1994: 537) ist auch die Position der Pausen wichtig; er unterscheidet folglich zwischen „continuous, fluent speech“ ohne jegliche Pause und „non-continuous but fluent speech“, in der zwischen einzelnen Intonationseinheiten durchaus ungefüllte Pausen vorkommen können, nicht aber innerhalb der Intonationseinheiten.

Im Bereich der Dolmetschwissenschaft sehen Kurz & Pöchhacker (1995) Flüssigkeit ebenfalls als ein Zusammenwirken verschiedener temporaler Faktoren, wie Sprechgeschwindigkeit, Häsitationen, Pausen und Fehlstarts, merken aber auch an, dass nicht bekannt sei, welchen Beitrag die einzelnen Faktoren zum Eindruck der Flüssigkeit leisten:

What is conveniently labeled fluency of delivery for the purpose of user expectation surveys is actually a highly complex paralinguistic criterion which relates to such interdependent features as speaking speed, pauses, voiced hesitation, and false starts. While the relative weight of these factors in shaping judgments on the fluency of a simultaneous interpretation is not clearly understood, these paraverbal and textual parameters are at least amenable to quantitative analysis. (Kurz & Pöchhacker 1995: 354, Hervorhebung im Original)

Mead (2005: 45) berücksichtigt in seiner Bewertung der Flüssigkeit von Konsekutivdolmetschungen die temporalen Variablen Sprechrate (Wörter bzw. Silben pro Minute), Pausendauer, Anteil der Sprachproduktion an der Gesamtredezeit, Artikulationsrate (Wörter bzw. Silben pro Minute reiner Redezeit, abzüglich der Pausen) sowie die durchschnittliche Länge (in Wörtern oder Silben) von Redeabschnitten zwischen zwei Pausen. Andere Unflüssigkeiten wie Fehlstarts oder Wiederholungen schließt er hingegen von der Beurteilung aus:

Other disfluencies such as false starts and repetitions (…) are related as much to content as to rhythm and will thus not be examined in this initial exploration of interpreters’ fluency. (Mead 2005: 46)

Tissi (2000) verwendet für ihre Untersuchung von ungefüllten Pausen und Unflüssigkeiten beim Simultandolmetschen ein detailliertes Analyseschema, in dem die Oberkategorie „non-fluencies“ in „ungefüllte Pausen“ und „Unflüssigkeiten“ („disfluencies“) unterteilt wird, wobei letztere Kategorie in „gefüllte Pausen“ und „Unterbrechungen“ geteilt ist. Bei den ungefüllten Pausen wird zwischen Pausen mit grammatikalischer oder kommunikativer Funktion und ungrammatikalischen Pausen unterschieden. Gefüllte Pausen unterteilt sie in Häsitationen und Lautdehnungen, die Unterbrechungen wiederum in Wiederho­lungen, Strukturänderungen und Fehlstarts (vgl. Tissi 2000: 112).

Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit soll Flüssigkeit als eine Funktion verschiedener temporaler Variablen definiert werden. Die komplexe Interaktion der Variablen Pausen, Häsitationen, Fehlstarts, Selbstkorrekturen und Sprechgeschwindigkeit erweckt den Eindruck einer flüssigen oder unflüssigen Rede. Die einzelnen Variablen sollen nun im Folgenden genauer beleuchtet werden.

Redeflüssigkeit und Dolmetschqualität

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