Читать книгу Endometriose - Die unterschätzte Krankheit - Sylvia Mechsner - Страница 12
Verschiedene Klassifikationssysteme
ОглавлениеDie Art und die Ausdehnung der Endometriose werden zur besseren klinischen Unterscheidung mithilfe verschiedener Klassifikationssysteme eingeteilt. Die wichtigsten werden im Folgenden vorgestellt. Die Klassifikation der American Society for Reproductive Medicine (ASRM) wurde nach einer Überarbeitung aktualisiert und ist als rASRM-Klassifikation international anerkannt. Sie beschreibt jedoch nur die Endometriose im Bauchraum (Endometriosis genitalis externa), und zwar nach folgenden Kriterien:
•Ausdehnung der Läsionen in cm² auf dem Bauchfell
•Sind die Herde oberflächlich oder tiefer als fünf Millimeter ins Gewebe eingewachsen?
•Die Eierstöcke sind gesondert zu betrachten: Sind die Herde oberflächlich oder
tiefer (das wären dann Zysten)?
•Beschreibung der Verklebungen (zart oder dicht, mehr als ⅓, ⅔ oder ³∕₃ der Ovarloge
einnehmend; Fossa ovarica, da, wo der Eierstock an der Beckenwand anliegt)
•Ist der Douglas-Raum verlötet oder nicht?
•Sind die Eileiter offen?
Entsprechend der Untersuchungsergebnisse werden Punkte vergeben, aus denen sich der Score errechnet. Es gibt vier Stadien: I bis IV. Man kann grob sagen, dass bei rASRM I und II Bauchfellherde führend sind, eventuell können zusätzlich kleine Endometriome (Zysten) vorkommen oder minimale Verklebungen. Beim Stadium III bis IV liegen meist ausgedehnte Verklebungen und auch Zysten vor. Jede Zyste ab drei Zentimetern Größe verlangt automatisch nach einem Punktescore des Stadiums III. Was man auf jeden Fall sagen kann, ist, dass bei Stadium III und IV durch die Zysten und Verklebungen die Anatomie stärker verändert ist und sich die Chance für eine natürliche Befruchtung verschlechtert.
Diese Einteilung nach Stadien ist in jedem Fall hilfreich für die Einschätzung der Situation, aber sie hat definitiv ihre Grenzen, denn sie lässt die Adenomyose und die tief infiltrierenden Herde völlig unberücksichtigt. Von manchen tief ins Organgewebe eindringenden Endometriose-Herden sieht man bei einer Bauchspiegelung förmlich nur »die Spitze des Eisbergs«.
Daraus ergab sich die Notwendigkeit, einen weiteren Score zu entwickeln, der die »anderen« Endometriose-Herde mit berücksichtigt: die ENZIAN-Klassifikation. Darin werden die Adenomyose (FA), die Blasenendometriose (FB), die rektovaginale Endometriose mit Scheidenbefund (A1, A2, A3), mit SUL-Betroffenheit (B1, B2, B3) und Darminfiltration (C1, C2, C3) beschrieben. Die Ziffern 1 bis 3 stehen dabei für die Größe der Herde in Zentimetern (< 1 cm, 1–3 cm und > 3 cm). Auch andere Darmbefunde (Sigma, Coecalpol oder Blinddarm) (FI) sowie komplett außerhalb des kleinen Beckens liegende Herde (Zwerchfell, Leiste, Nabel) (FO) können so erfasst werden. Zieht man die ENZIAN-Klassifikation nun zur rASRM-Klassifikation hinzu, ergibt sich ein viel genaueres Bild der jeweils individuellen Situation.
Es hat sich eingebürgert, dass Endometriose-Zentren beide Klassifikationen anwenden, um das Ausmaß einer Endometriose möglichst genau zu beschreiben. Daran können Patientinnen übrigens auch erkennen, ob eine Klinik tatsächlich die Expertise besitzt, Endometriose zu beurteilen, oder eher nicht. Da dies aber sehr aufwendig ist, hat die Arbeitsgruppe um Prof. Jörg Keckstein die #ENZIAN-Klassifikation entwickelt, einen einzelnen Score, der das gesamte Ausmaß einer Endometriose beschreiben soll. Dementsprechend ist der Score allerdings auch ziemlich komplex.
Wie es zu Fehleinschätzungen kommt
Wer nicht auf Endometriose spezialisiert ist, verkennt oft das Ausmaß des vorliegenden Befundes. Denn es entsteht ein völlig falscher Eindruck,wenn man einen tiefer als fünf Millimeter wachsenden Endometriose-Herd am sacrouterinen Band nur mit einem rASRM-II-Score versieht, der aber in Wirklichkeit so tief wächst, dass er einen zwei oder drei Zentimeter großen Knoten ergibt. Daher ist jahrelang mittels der rASRM-Klassifikation ein Score vergeben worden, der nicht das ganze Ausmaß einer Endometriose erkennt, aber auf dem basierend viel Forschung und OP-Erfolge beurteilt wurden. So kommt es häufig vor, dass ein Score überhaupt nicht mit dem Ausmaß der Beschwerden in Zusammenhang steht.