Читать книгу Endometriose - Die unterschätzte Krankheit - Sylvia Mechsner - Страница 3

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VORWORT

Als ich vor 20 Jahren als junge Assistenzärztin gefragt worden bin, ob ich mich mit Endometriose beschäftigen wollte, habe ich erst mal in meinem Lehrbuch nachgeschlagen und entsetzt gedacht: »WAS soll ich? Mich mit so kleinen Schleimhautinseln beschäftigen?«Gerade mal zwei Seiten widmeten sich diesem Thema. Ich habe das Buch noch. Völlig uninteressant, habe ich gedacht. Was soll das denn bitte für Probleme machen? Da sterben Frauen an Krebs und ich soll mich mit winzigen Gebärmutterschleimhaut-Herden befassen? Kann ja nicht sein.

Doch mein Oberarzt blieb hartnäckig und hat nicht locker gelassen, wohl auch, weil ich eine grundlagenwissenschaftliche Doktorarbeit im Bereich Biochemie geschrieben und Laborerfahrung hatte. Irgendwann habe ich nachgegeben – und ab ging’s ins Labor. Wir haben dann an der Charité das Grundlagenforschungslabor für Endometriose-Forschung aufgebaut. Es ist eines der ersten universitären Endometriose-Zentren in Deutschland und europaweit.

Ich persönlich habe mich von Anfang an schwerpunktmäßig mit der Frage der Schmerzentstehung beschäftigt. Nach nur zwei Wochen war mir damals bereits klar, dass gar nichts klar ist im Bereich der Endometriose. Hier schien es sich um ein Fass ohne Boden zu handeln. Doch ich bin dabei geblieben – vor allem die Erforschung der Entstehung und Entwicklung der Endometriose (Pathogenese) und die Schmerz-entstehung sowie, im Rahmen der Translationalen Medizin (TM), die Entwicklung neuer Behandlungskonzepte stehen seither im Mittelpunkt meiner Arbeit und Forschung.

Warum dieses Buch?

Schätzungsweise zwei Millionen Frauen in Deutschland quälen sich mit der Krankheit Endometriose – häufig ohne zu wissen, was sie wirklich haben. Denn bis zur korrekten Diagnosestellung vergehen nicht selten bis zu zehn Jahre, obwohl diese Erkrankung der Gebärmutter und ihrer Gewebe überaus schmerzhaft ist, die Frauen enorm in ihrer Lebensqualität einschränkt und mitunter auch die Partnerschaft schwer belastet. Außerdem hängt die Furcht vor Unfruchtbarkeit wie ein Damoklesschwert über den Patientinnen. Das Zeitfenster für ein Kind wird durch eine unbehandelte Endometriose unter Umständen sehr klein. Das ist ein erhebliches Problem vor dem Hintergrund, dass gut ausgebildete Frauen ihren Kinderwunsch heute karrierebedingt nach hinten schieben.

Täglich erlebe ich in der Klinik, dass nicht nur bei den Patientinnen, sondern auch bei Ärztinnen und Ärzten* große Unsicherheiten im Umgang mit dieser Erkrankung bestehen. Und leider bietet unser Gesundheitssystem den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen wenig Spielraum, um diese Erkrankung, die so weitreichende Folgen haben kann, adäquat zu begleiten. Es fehlt schlicht an Geld. Doch der Bedarf nach umfassender Beratung steigt. Die Frauen fordern zu Recht eine individuelle ärztliche Aufklärung und Betreuung. Man kann unmöglich wollen, dass sie sich ihre Informationen selbstständig aus dem Internet zusammensuchen, nur um dann mit der Einordung dieses Wissens alleingelassen zu werden.

Es gibt bereits viel Literatur zu dieser Erkrankung, meist aus der Sicht von betroffenen Patientinnen oder aus rein medizinischer Perspektive. Ich möchte mit meinem Buch die Komplexität der Erkrankung auf der Basis der medizinischen Fakten darlegen und die vielfältigen Therapiemöglichkeiten vorstellen, sodass sie jeder versteht. Im Zentrum steht immer die individuelle Therapieplanung. Dabei ist die Aufklärung über die Krankheit und ihre Behandlungsmöglichkeiten ganz wichtig, damit die Patientinnen die richtigen Entscheidungen für sich treffen können. Je kompetenter eine Patientin ist, desto erfolgreicher kann sie sich mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt auf eine Therapiestrategie einigen.

Auch ich habe lange gebraucht, bis ich alle Zusammenhänge verstanden habe, und viele Fragen sind noch offen. Vieles, was Sie in diesem Buch lesen werden, resultiert aus meinen klinischen Erfahrungen, untermauert von Studien, die wir sowohl auf der Ebene der Grundlagenforschung als auch im Bereich der klinischen Forschung durchgeführt haben. Zahlreiche Fragestellungen zur Schmerzentwicklung und zur Entstehung der Endometriose versuchen wir im Labor zu verstehen und zu beantworten, mit dem Ziel, aus diesen Erkenntnissen neue Therapiemöglichkeiten zu entwickeln.

In diesem Ratgeber erkläre ich, wie Sie als betroffene Frau schneller zu einer Diagnose kommen, wie sich die ärztliche Versorgung verbessern lässt und was Sie selbst für sich tun können. Denn ein gutes und lebenswertes Leben ist auch mit Endometriose möglich. Die Bausteine dafür sind ein individueller multimodaler Therapieplan und ein achtsamer Lebensstil, bei dem entspannende Bewegungsformen und eine antientzündliche Ernährung im Mittelpunkt stehen.

* Wenn in diesem Buch abwechselnd die weibliche und/oder männliche Form verwendet wird, sprechen wir damit stets Personen jeden Geschlechts an.

Endometriose - Die unterschätzte Krankheit

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