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Warum bleibt Endometriose so oft unentdeckt?

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Einer der Hauptgründe ist sicherlich, dass neben den endometriose-spezifischen Symptomen unspezifische Beschwerden das eindeutige Beschwerdebild verzerren können, was dazu führt, dass nicht nur Gynäkologen, sondern auch Ärztinnen und Ärzte anderer Fachrichtungen von den betroffenen Frauen aufgesucht werden. 3

Es stellt sich daher die Frage, warum die Beschwerden so schwer einzuschätzen sind und warum die Diagnose nicht viel häufiger frühzeitig gestellt werden kann. Immerhin berichten über 60 Prozent der Frauen, bei denen die Endometriose erst im fortgeschrittenen Alter diagnostiziert wurde, dass ihre Beschwerden bereits vor dem 20. Lebensjahr begonnen haben. Dabei besteht zwischen Dauer und Intensität der Beschwerden und dem Ausmaß der späteren Endometriose eine eindeutige Korrelation.4 Eines ist klar: Je weiter die Entwicklung der Endometriose bei einer Patientin voranschreitet, desto komplexer werden die Beschwerden, die mit ihr einhergehen. Endometriose ist eine chronische Erkrankung und tritt auch nachdem Endometriose-Herde operativ entfernt worden sind wieder auf. Etwa 50 Prozent der betroffenen Frauen haben anhaltenden Therapiebedarf.5 Die Kenntnis der Art, der Verteilung und der möglichen Entstehung der Endometriose-Herde erlaubt ein besseres Verständnis hinsichtlich der möglichen Auswirkungen dieser Krankheit.

Häufig wird die Krankheit aber auch deshalb erst so spät oder gar nicht diagnostiziert, weil viele Mädchen und Frauen denken, dass sie Regelschmerzen einfach aushalten müssen – wie übrigens Schmerzen im Allgemeinen. Weit verbreitet ist auch die Meinung, es sei besser, über »die Tage« nicht zu sprechen und sich schon gar nicht deswegen krankschreiben zu lassen. Noch heute lernen Mädchen und junge Frauen, dass Regelschmerzen völlig normal sind. Viele Frauen, die während der Periode unter starken Schmerzen und starken Blutungen leiden, wissen daher nicht, dass ihre Symptome ungewöhnlich sind. Doch sogar in der Ärzteschaft, selbst unter Fachärztinnen und Fachärzten, ist das Wissen über diese Erkrankung und ihre Symptome leider nicht ausreichend verbreitet.

Meist suchen die Frauen mit Regelschmerzen ihre Gynäkologin oder ihren Gynäkologen auf. Dort werden sie untersucht, im Rahmen ihrer Regelschmerzen behandelt und vielleicht wird ihnen die Pille verschrieben. Wenn die Patientinnen über weitere Beschwerden berichten, werden sie in der Regel zu anderen Fachärzten überwiesen. Die Endometriose wird so jedoch nicht angemessen behandelt.

Zum Vergleich: Bei uns im Endometriose-Zentrum bekommt eine Patientin 40 bis 60 Minuten Zeit für eine ausführliche Anamnese, in der erst mal die Entwicklung der Krankheit, die ja meist einen jahrelangen Vorlauf hat, besprochen wird. Danach erfolgt eine gezielte Untersuchung und Therapieplanung. Niedergelassene Ärztinnen oder Ärzte können dies im Rahmen der Basisversorgung so nicht leisten, weil für diese spezielle Fragestellung keine Abrechnungsmöglichkeiten bestehen. Das wird von den Kassen nicht bezahlt. Hier muss der Gesetzgeber dringend etwas ändern.

Viele Frauen müssen also auch deshalb jahrelang allein damit zurechtkommen, weil die Endometriose von den unterschiedlichen Fachärzten gar nicht diagnostiziert werden kann. Kein Wunder also, dass sich die meisten Patientinnen komplett alleingelassen fühlen – in der Diagnose und bei der Behandlung. Es gibt viele, deren Beschwerden von den Gynäkologinnen als Regelschmerz, »mit dem man eben leben muss«, oder als psychosomatische Schmerzerkrankung wahrgenommen werden. Die Frauen haben aber komplexe Beschwerden und suchen deshalb auch Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen auf. Ganz häufig landen Frauen, die Endometriose haben, zum Beispiel zunächst beim Orthopäden, weil sie aufgrund der Herde sehr starke Rückenschmerzen haben. Gastroenterologen (Fachärzte für den Magen- und Darmtrakt), die wegen der Unterleibskrämpfe nicht selten aufgesucht werden, stellen dann oft ein Reizdarmsyndrom fest. Auch psychosomatische Störungen werden häufig diagnostiziert, weil andere Fachrichtungen naturgemäß nicht »gynäkologisch« denken. So kommt es, dass viele Frauen einfach keine richtige Diagnose bekommen.

Demgegenüber steht die Tatsache, dass bei 70 bis 80 Prozent der Frauen mit chronischen Schmerzen im Unterbauch Endometriose diagnostiziert wird.6

Die Wahrheit muss ans Licht!

Es ist enorm wichtig, dass die Diagnose Endometriose von den Frauenärztinnen und -ärzten an die Krankenkasse weitergeleitet wird. Wir Endometriose-spezialisten gehen von bis zu 40.000 Neuerkrankungen pro Jahr allein in Deutschland aus, die Krankenkassen wissen aber offiziell nur von zwei bis drei Prozent Endometriose-Patientinnen. Tatsächlich ist Endometriose aber die häufigste gutartige Unterleibserkrankung bei Frauen! Ohne entsprechende Dokumentation der Fälle – weil die Codierung durch die gynäkologischen Praxen ausbleibt – wird die Erkrankung im Gesundheitssystem aber nicht als Problem erkannt. Und ohne Problembewusstsein gibt es auch keine Früherkennungsprogramme für Mädchen oder junge Frauen mit schmerzhafter Regelblutung (Dysmenorrhoe), die aber enorm wichtig wäre.

Endometriose - Die unterschätzte Krankheit

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