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Die pubertätsfürchtigen Eltern
ОглавлениеSchon beim Hören des Wortes »Pubertät« zucken Sie angstvoll zusammen, denn die in Kürze anstehenden jugendlichen Flegeljahre Ihres Nachwuchses erscheinen Ihnen der Mega-GAU schlechthin zu sein. Schlimmer kann es im Leben nicht kommen, finden Sie. Kein Wunder, wird doch in Ihrem Freundeskreis mit den ausufernden Alkoholexzessen oder dem täglichen Cannabiskonsum der Sprösslinge großspurig geprahlt, und bei der Lektüre von Erziehungsratgebern tauchen unbekannte, angsteinflößende Begriffe auf wie zum Beispiel »ritzen« oder »chillen«.
Außerdem sind Sie als Eltern in den besten Jahren mit Ihren Aufgaben im Beruf, im Haushalt und in der Freizeit ohnehin bereits völlig ausgelastet und können es sich nicht leisten, noch weitere Probleme aufgehalst zu bekommen. Wäre es Ihnen möglich, würden Sie die Pubertät glatt verbieten.
Ihnen reicht nun bereits die Aussicht, keinen Zutritt mehr zum Kinderzimmer zu haben, jeden Tag Schitzel mit Pommes kochen zu müssen oder tagelang angeschwiegen zu werden.
Wenn das nur alles wäre. Zusätzlich schwant Ihnen, dass in absehbarer Zeit alle Ihre Verbote ignoriert werden, dass der Nachwuchs tun und lassen wird, was er will, und dass Ihnen Ablehnung und Respektlosigkeit entgegenschlagen.
»Komik entsteht, wenn man Tragödien anschaut und dabei ein Auge zukneift.«
Eckart von Hirschhausen | deutscher Arzt, Kabarettist und Schriftsteller, *1967
Andere Eltern rechnen mit pechschwarz gefärbten Haaren der Tochter – Sie befürchten eine grün-blaue Irokesenfrisur mit teilweise rasiertem Schädel. Sie erwarten kein grelles Schminken, sondern gleich ein Nasen- und Zungenpiercing. Statt auf Alcopops stellen Sie sich auf Marihuana ein.
Zugleich befürchten Sie, dass mit der Pubertät auch gewisse Ansprüche auf Sie zukommen: Spätestens jetzt sollten Sie das typische schlechte Elterngewissen entwickeln. Um keine Versagensängste aufkommen zu lassen, beginnen Sie am besten damit, Ihre ganze bisherige Erziehung infrage zu stellen. Schuldgefühle haben den Vorteil, dass sie sowohl plagen als auch lähmen. Gute Eltern sollten sich bei Misserfolgen in der Erziehung regelmäßig mit Gewissensbissen quälen. Seien Sie kreativ beim Ausdenken neuer Vorwürfe. Fehlt Ihnen die Fantasie, fragen Sie Ihren Pubertisten, der Ihnen dabei gerne und ausgiebig behilflich sein wird.
Ein Tipp am Rande: Erfahrene Lehrerinnen empfehlen für pubertätsfürchtige Eltern, stets einen Karton Prosecco bereitzuhalten. Zwar ändert sich nach ein paar Gläschen nicht die Wirklichkeit, aber vielen dürfte es helfen, einen neuen Blick auf die Gegenwart und die damit verbundenen Probleme zu entwickeln.