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18 HANNIBAL CAINE

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Vielleicht sollten wir die Pläne lieber mit James Robert besprechen«, sagte Eldo Blandings und bestrich einen Muffin mit Butter. »Immerhin ...«

Hannibal Caine gab der Messdienerin mit einer Geste zu verstehen, sie solle den Raum verlassen. Er wartete, bis sie die Speisezimmertür hinter sich zugezogen hatte. Sobald sie gegangen war, schaute er über den Tisch hinweg in das lange, säuerliche Gesicht mit den eifrigen Augen und fragte sich zum wiederholten Mal, ob es klug gewesen war, diesen Mann – wenn auch nur am Rande – ins Vertrauen zu ziehen. Eldo Blandings war immerhin der einzige Älteste der Apostelkirche, der seinem Dienstgrad entsprach. Nur Jim-Bob Sinclair hatte als Prophet einen höheren Rang.

Als Caine vor mehreren Jahren angefangen hatte, gewisse Ideen zu diskutieren, die ihm gekommen waren, hatte Eldo in Ordnung gewirkt, doch neuerdings wurde er den Verdacht nicht mehr los, dass Blandings – vermutlich in seiner Aufregung über die prophezeite Apokalypse – den Zugang zur Realität allmählich verlor. Anfangs hatte er Jim-Bob eifrig »beigestanden«, da der Prophet sich angeblich nicht mehr um alles kümmern konnte. Doch nun, da Caine das Komitee für Sonderprojekte zusammengestellt und Eldo zum General ernannt hatte, zeigte der alte Labersack seinen wahren Charakter und entpuppte sich als Feigling.

»Eldo«, sagte Caine schroff, »was ist, wenn die Welt nicht am nächsten Sonntag untergeht? Angenommen, Sinclair hat sich geirrt?«

Blandings’ Kinnlade klappte herunter. »Ich glaube nicht, dass du dir darüber Sorgen zu machen br...«

»Angenommen, die Welt geht nicht mit der Sonnenfinsternis unter?«, sagte Caine stur. Es war ihm völlig unverständlich, dass ein denkender Mensch einer Prophezeiung so blind glauben konnte, doch schien dies für alle Angehörigen der Apostelkirche zu gelten. Außer für ihn und – da war er sich ganz sicher – Jim-Bob Sinclair. Caine wusste zwar nicht, was der alte Jimmy für den Jüngsten Tag auf Lager hatte, doch er argwöhnte, dass es folgendermaßen ausging: Er würde sich eher das Geld unter den Nagel reißen und das Land verlassen, als den Massen zu helfen, in den Himmel zu kommen. Und eins wusste er genau: Wenn dem Propheten irgendetwas zustieß, ging sein Amt auf ihn über, und das bedeutete beinahe sicher, dass er, sobald Jim-Bobs Apokalypse stattfand, hier das Sagen hatte.

Und so hatte Hannibal Caine, als das prophezeite Jahr angebrochen war, ohne dass der Prophet ihn in seine Pläne eingeweiht hatte, nach und nach Vorbereitungen in Angriff genommen – für den Fall, dass Jim-Bob sich aus der Kirche davonstahl und ihn auf dem Trockenen sitzen ließ.

Er war langsam und vorsichtig zu einer kreativen Buchführung übergegangen und hatte einen ansehnlichen Notgroschen auf die Seite gebracht. Außerdem gab es noch den Geldschrank in Sinclairs Büro, in dessen Existenz nur Sinclair, Eldo und er eingeweiht waren. Für den Fall, dass Sinclair ihn um seinen rechtmäßigen Platz zu prellen versuchte, hatte Caine beschlossen, ihn mit Hilfe von leichter Nötigung zu einem – großzügigen – Teilen zu zwingen.

Eldo Blandings verschränkte die Arme, lehnte seinen Kopf leicht nach hinten und führte die Haare vor, die in seiner übergroßen Adlernase wuchsen. Sie waren vom gleichen stählernen Grau wie das grauenhafte Toupet, das zu tragen er beharrte. »Wenn du nicht an die Worte des Propheten glaubst, wieso dienst du ihm dann?«

Die logische Frage eines lästigen Menschen. Hannibal Caine lächelte glatt und erwiderte entschuldigend: »Natürlich glaube ich an ihn, Eldo, aber manchmal mangelt es mir an der Stärke der Überzeugung, mit der du gesegnet bist.« Du blöder Sack.

Eldos Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, das ihn noch hässlicher wirken ließ. Dann klopfte er Caine auf den Rücken. »Du bist ein guter Mensch, Hannibal. Lass den Teufel nicht in deinen Verstand hinein. Sei einfach gläubig.«

»Danke, Eldo.« Caine erstickte fast an seinen Worten. Wieso war er nur auf die Idee gekommen, man könne diesem Menschen die Leitung einer Mission anvertrauen? Wenn er die Sache nicht perfekt hinbekam, würde Blandings möglicherweise jede Minute zu Jim-Bob laufen und ihm von den »guten Taten« erzählen, die er und Caine schon initiiert hatten: die Ziege, den Briefkasten, Coreys heiß geliebte Kirche.

»Eldo«, setzte Caine an, »wir haben unsere Helfer bei ihrem Leben schwören lassen, dass sie nie etwas über ihre Beteiligung an diesen Aktivitäten erzählen. Und zwar zu ihrer und unserer Sicherheit. Unsere selbstlosen Taten sind von einer Art, die das Gesetz vermutlich nicht toleriert. Nicht jeder versteht die Wichtigkeit dessen, was man uns zu tun aufgetragen hat. Wie sähe es aus, wenn der Prophet in unsere Aktivitäten eingeweiht wäre? Deswegen hat er mich gebeten, dem Komitee vorzusitzen, ohne ihn einzubeziehen.«

»Aber –«

»Wir sind seine Jünger, Eldo. Wir folgen seinen Wünschen. Der Prophet darf nicht lügen. Deswegen darf er bis zum Tag der Sonnenfinsternis, dem Tag, an dem die stolzen Reiter kommen, nichts erfahren.« Caine musterte Blandings eindringlich. »Ihn jetzt einzuweihen wäre gegen seinen ausdrücklichen Wunsch.«

Blandings kratzte sich am Kinn. Er war eindeutig unfähig, Schwachsinn von der Wahrheit zu trennen. »Glaubst du wirklich?«, fragte er schließlich.

»Ich weiß es, Eldo.« Bevor der babygesichtige Hannibal Caine Jim-Bobs Kirche beigetreten war, hatte er gebrauchte Cadillacs verkauft. Und dieses Verkäufertalent wandte er nun an. »Offen gesagt, Eldo«, fügte er ernst hinzu, »ich kann es garantieren.«

»In Ordnung.« Blandings zögerte einen langen Moment. »Aber haben wir wirklich für alles, was wir tun, den Segen des Propheten?«

»Absolut.« Caine lächelte engelhaft. Sinclair hatte keine Ahnung, was das Komitee für Sonderprojekte wirklich tat. Caine schob den Teller beiseite. »Eldo, Eldo, Eldo. Prophet Sinclair ist ein sehr beschäftigter Mann. Er spricht jeden Tag im Rundfunk. Er leitet jeden Gottesdienst und berät unsere Gemeinde. Er ist unser Missionar, das Symbol unseres Glaubens. All dies beschäftigt ihn so sehr, dass er sich um kleine Einzelheiten nicht kümmern kann. Schau mal, wie oft er in die Stadt geht, um Gottes Wort zu verbreiten! Wie regelmäßig führt er im Süden Kaliforniens missionarische Kreuzzüge an! Er ist ein Mann des Wortes, Eldo. Das Wort ist seine Stärke. Deswegen hat er uns zu seinen Kirchenältesten gemacht. Er braucht Männer der Tat, die ihm beistehen. Und du bist doch hier, um dem Propheten beizustehen, nicht wahr?«

»Natürlich!«, rief Eldo. Hannibal Caine kam sich vor, als hätte er ihm gerade einen zwanzig Jahre alten Cadillac mit Leopardenfellbezügen verkauft.

»Soweit ich weiß«, begann Blandings und legte urplötzlich einen anderen Gang ein, »war Chief Baskerville nach dem Tod der Ziege nie hier draußen. Oder hast du was anderes gehört?« Er verzehrte seinen Muffin und kippte einen Löffel Zucker nach dem anderen in den Kaffee.

Caine bemühte sich, das Ritual zu übersehen. »Baskerville hat uns keinen Besuch abgestattet.« Mel Campbell vom Komitee für Sonderprojekte hatte während der Tötung der Ziege Schmiere gestanden. Er war auch lange nach der Steinigung noch auf seinem Posten gewesen. Campbell hatte später gemeldet, das Tier sei von Justin Martin entwendet worden, einem jungen Mann, der seit einiger Zeit die Versammlungen ihrer Kirche besuchte. Caine fand dies interessant, aber er hatte Campbell nahe gelegt, über die Beobachtung zu schweigen, da er sie mit Justin persönlich besprechen wollte. Der Junge war möglicherweise brauchbar.

Ein schäbiges Grinsen legte sich auf Eldos trostlose Miene. Es war zwar kein hübscher Anblick, aber wenigstens fand der triefäugige Kahlkopf wieder zum Geist der Sache zurück. »Baskerville kommt möglicherweise vorbei und stellt Fragen über das, was in der Kirche geschehen ist.«

»Ich bin sicher, dass er das tun wird, Eldo. Prophet Sinclair hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er glaubt, dass andere Religionen, besonders die katholische Kirche, Ketzerei lehren. Aber er wird trotzdem mit Recht jede Beteiligung daran zurückweisen. Wenn Baskerville uns also auf die Pelle rückt, brauchen wir nur eins zu tun: Wir weisen ihm die Richtung zu dem kleinen Kult, der hinter dem Highway sein Lager aufgeschlagen hat.« Die Typen waren nur eine Bande durchgedrehter Idioten, die in schwarzen Kutten rumliefen und den Mond anbellten. Sie hielten sich allen Ernstes für einen Hexenzirkel.

Eldo nickte mit glänzenden Augen. »Was kommt als Nächstes?«

Trotz der blinden Zuversicht, mit der Blandings an Sinclair glaubte, hatte er auch eine sadistische Ader, die er kaum unter Kontrolle halten konnte. Deswegen wollte ich ihn haben. Es war Blandings’ Idee gewesen, die Ziege zu steinigen, statt ihr bloß die Kehle aufzuschlitzen und sie von ihrem Elend zu erlösen. Blandings hatte auch daran gedacht, ihr Blut über das Kruzifix in der katholischen Kirche zu kippen, statt nur mit roter Farbe »666« auf die Wand zu malen.

Caine nippte an seinem Orangensaft und tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab. »Wir lassen die Sache erst mal ein bisschen abkühlen.« Er stand lächelnd vom Tisch auf. »Dann lassen wir die Dinge eskalieren.« Er sah das psychotische Glitzern in Blandings’ Augen, legte eine Hand auf den Tisch und beugte sich zum Ohr seines Kollegen hinab. »Die Welt existiert nur noch wenige Tage, mein Freund. Da müssen wir so viele Sünder retten wie möglich, nicht wahr?«

»Es ist unsere Apostelpflicht.« Blandings’ Augen flammten auf.

»Verzweifelte Zeiten verlangen verzweifelte Maßnahmen«, erwiderte Caine. »Wir werden der Hure von Babylon – der Braut des Teufels – einen persönlichen Besuch abstatten.«

»Sechs-sechs-sechs.« Blandings lachte, und seine Augen nahmen einen noch fanatischeren Ausdruck an.

Madelyn - Ort des Schreckens

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