Читать книгу Madelyn - Ort des Schreckens - Tamara Thorne - Страница 27
22 JUSTIN MARTIN
ОглавлениеWas nun, was nun, was nun? Justin schlang die Arme um Madge Marquay und zog sie an sich. Sein Blick fiel auf ihr verfilztes, schmutziges Haar. Untersteh dich, dich mit mir anzulegen, du alte Schachtel!
Er hatte sich mit dem Herkommen Zeit gelassen. Er hatte einen Zwischenhalt eingelegt, um mit Christie zu schäkern, die sauer gewesen war, weil ihr Freund Rick heute nicht zur Schule gekommen war. Eigentlich hatte sie nach der Schule mit Rick ein Picknick oder irgendeinen anderen Schwachsinn veranstalten wollen. Justin hatte sich ziemlich verlockt gefühlt, sie zu bitten, mit ihm auszugehen – sie wäre sicher darauf eingegangen –, doch irgendetwas hatte ihn davon abgehalten. Herr im Himmel, wie froh er nun war, dass er auf seine Instinkte gehört hatte.
Er war also um halb eins zur Minenbahn gefahren und kaum drin gewesen, als er die alte Marquay auch schon hatte kreischen hören.
Jetzt war er hier und tätschelte der alten Fotze wie ein strahlender Held den Rücken. Keins seiner Opfer kannte seine Identität. Na ja, Joe Huxley schon. Der hatte einen harten Schädel gehabt und war zu sich gekommen, als Justin gerade im Begriff gewesen war, ihn zu fesseln. Also hatte er ihn schnell umgebracht, indem er Nase und Mund mit Band verklebte. Er tötete am liebsten schnell und leise. Er hatte die Methode zuerst an dem kläffenden Cockerspaniel der alten Quigley angewandt. Da war er in der ersten Klasse gewesen. Köter waren ja so blöd und vertrauensselig. Wie toll sie rumzuckten, wenn sie langsam erstickten. Wie übrigens auch Joe Huxley.
Justin hatte mit Huxleys feistem, schwammigem Leib ein bisschen rumgespielt. Hauptsächlich mit seinem Gesicht. Er hatte versucht, ihm die Haut abzuziehen, hatte aber nicht viel gemacht, denn er fand es abstoßend, Leichen anzufassen. Schon kurz darauf hatte Huxley trotz des eiskalten Schachts angefangen zu stinken. Als Justin letztmalig versucht hatte, ein Stückchen Fleisch von seiner Leiche zu lösen, hatte er sich übergeben. Joes Haut hatte sich ganz leicht abziehen lassen, aber der Eiter und der Schleim hatten ihn fast zum Kotzen gebracht. Als die Haut Justin berührt hatte – nicht an den Händen (er hatte Gummihandschuhe getragen), sondern im Gesicht, denn sie hatte sich überraschend gelöst –, hatte er Frühstück, Mittag- und Abendessen ausgespuckt.
Es war Monate her. Hin und wieder hatte Justin die Leiche angeleuchtet, um zu sehen, wie verwest sie war. Sonst hatte er nichts getan. Er wollte nur wissen, ob der Verwesungsgestank die Minenbahn erreichte. Zu seiner Freude war es dazu nie gekommen. Nur wenn man sich der Grubenebene unter der Bahn näherte, nahm man den Geruch in der kalten, unbewegten Luft wahr.
Vor ungefähr zehn Tagen hatte er sich sein zweites Opfer geschnappt: Kyla Powers. Sie war leicht zu überwältigen gewesen, und er hatte schön mit ihr gespielt. Gott, ihre großen grünen Augen, als sie zu sich gekommen war und gemerkt hatte, dass sie gefesselt war. Sie hatte keine Ahnung gehabt, wer er war. Er hatte jedes Mal, wenn er in die Grube gekommen war, eine Skimaske getragen. Sie hatte sich vor Angst beschissen, als er ihr die Kleider vom Leib geschnitten hatte. Das hatte ihn vielleicht angemacht! Für ’ne ältere Schnalle sah sie nicht übel aus, und er hatte kurz in Erwägung gezogen, sie zu ficken. Doch dann hatte er gemerkt, dass die Vorstellung, sie zu schneiden, viel erregender war. Er hatte zu viel an ihr rumgesäbelt, deswegen war sie nach drei Tagen in ein Koma gefallen und am vierten gestorben. Was für ein Miststück.
Justin hatte es gar nicht geplant, sich die Marquay zu schnappen. Sie war seine Geschichtslehrerin und stand ihm etwas zu nahe, aber er konnte sie nicht leiden, und dann hatte sich die Gelegenheit nun mal ergeben.
Er hatte sie in die Grube gebracht und gefesselt. Er hatte sich aber nicht überwinden können, sie auszuziehen, weil sie so ... alt war. Die Vorstellung war abscheulich. Also hatte er sich mit einem kleinen Stück ihrer Unterarmhaut zufrieden gegeben. Eigentlich hatte er sich heute noch ein Stück holen wollen. Er wollte nämlich lernen, wie man das Messer unter die Haut schob, um sie von dem Gewebe zu lösen, ohne sie dabei kaputt zu machen. Irgendwie schien ihm das Talent dafür zu fehlen.
Der Häuter wird es mir beibringen. Justin lächelte und wiegte die alte Marquay noch immer in den Armen. Aber um den Häuter zu bewegen, ihn das Häuten zu lehren, musste er schon von allein was bringen. Was nun, was nun, was nun?
Den Helden zu spielen war seiner Gesundheit wahrscheinlich abträglich. Angenommen, jemandem fiel ein, dass er ihn mit einem seiner Opfer vor dessen Verschwinden gesehen hatte? Er könnte der Marquay eins auf die Birne hauen, sie erneut fesseln und an ihrem anderen Arm üben. Aber sie weiß, wer du bist, Justin. Sei nicht blöd. Sei nicht gierig. Und vor allem: Sei nicht ungeduldig. Im Meer gibt es viele Fische.
Justin drehte Madge Marquay mit einer schnellen Bewegung herum, riss ihren Kopf unter seinen Arm, packte ihr Kinn und drehte es mit aller Kraft. Nach einer Sekunde hörte er ein Knacken. Sie erschlaffte. Ihre Augen quollen überrascht hervor. Genau wie im Kino! Justin ließ sie grinsend zu Boden fallen.
Er hob die Laterne hoch und begutachtete die Bewohner der Grube. Was nun, was nun, was nun? Er hatte der Ziege das Fell über die Ohren ziehen und sie heute Abend vor der Tür des Häuters ablegen wollen, doch nun kam es ihm irgendwie wie ein Antihöhepunkt vor. Außerdem hatte er vergessen, alte Klamotten mitzunehmen. Er musste verhindern, dass der Gestank der Ziege, der Gestank des Todes oder irgendwelche Körperflüssigkeiten auf seinen guten Jeans und seinem Hemd landeten.
Justin ging in die Knie und untersuchte die tote Madge Marquay. Wenn er die Ziege heute außer Acht ließ, hatte er jede Menge Zeit, um an ihrem anderen Arm zu üben. In seinem Bauch machte sich ein mulmiges Gefühl breit und löste sich wieder auf. Madge war noch warm, also möglicherweise noch lebendig. Und was sagte seine alte Mom immer? Spare in der Zeit, so hast du in der Not.