Читать книгу Offen gesagt Band 3 Zum aktuellen Zeitgeschehen - Tassilo Wallentin - Страница 7
ОглавлениеERSCHIENEN AM 13. 9. 2015
WO BLEIBT DIE SOLIDARITÄT DER REICHEN GOLFSTAATEN?
Das schwerreiche Saudi-Arabien, Kuwait und alle anderen Golfstaaten nehmen keine Syrien-Flüchtlinge auf. Wenn es hingegen darum geht, die Islamfeindlichkeit in der Welt anzuprangern, sind sie zur Stelle. Das nennt man Doppelmoral. Die EU sollte nicht nur über Quoten diskutieren, sondern den Druck auf diese Länder zur Aufnahme von Flüchtlingen massiv erhöhen.
Saudi-Arabien verdient eine Milliarde Dollar pro Tag im Erdölgeschäft. Kuwait rangiert auf Platz 15 der reichsten Länder der Welt. Katar ist das reichste Land der Welt. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind das erdölreichste Land der Welt. Der Oman liegt weltweit an der zehnten Stelle der Länder, in denen die meisten Millionäre leben, und Bahrein ist so reich, dass seine Bürger weder Einkommen- noch Mehrwertsteuern zahlen und die Gesundheitsversorgung gratis ist. Sie alle verbindet neben ihrem märchenhaften Reichtum eine Gemeinsamkeit: Sie sind arabisch-islamisch und haben keinen einzigen Syrien-Flüchtling aufgenommen. Dies, obwohl der König von Saudi-Arabien – mit seinem Privatvermögen von 21 Milliarden Dollar – den Titel „Hüter der heiligen Stätten“ trägt. In seinem Königreich wurde übrigens auch der Blogger Raif Badawi zu zehn Jahren Haft, 1000 Peitschenhieben und einer Geldstrafe von etwa 194.000 Euro verurteilt, weil er im Internet Muslime, Christen, Juden und Atheisten als gleichwertig bezeichnet hatte. Das sei eine Beleidigung des Islam – die Glaubensbrüder aus Syrien im Stich zu lassen, offenbar nicht.
Alle Golfstaaten sind Mitglieder der Arabischen Liga, die über eine Armee verfügt, und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit, die eine Resolution gegen Islamfeindlichkeit verabschiedet hat. Sie alle tun das, was sie immer tun: Sie kaufen sich frei. Und auch das nur in beschämendem Ausmaß. Allein Großbritannien stellt mehr Geld für Syrien zur Verfügung, und die Hilfsgelder der USA übersteigen diejenigen der Golfaraber um das Vierfache.
Die Wut der jungen Menschen in der arabischen Welt über die Doppelmoral am Golf wird immer größer. Jordanien, Ägypten und der Libanon haben 2,2 Millionen Syrer aufgenommen. Ihre Kapazitäten sind erschöpft. Und die Hilflosigkeit der überforderten EU-Politik ist bestürzend.
Der Sicherheits- und Militärexperte Afzal Ashraf beschrieb das vor Kurzem in seinem sehr bemerkenswerten Artikel auf „Al Jazeera“ – dem wichtigsten arabischen Nachrichtenportal – so: „Was immer die westlichen Länder für die Flüchtlinge tun, wird nichts anderes als eine Wundpflaster-Lösung sein. Die Zahl der Flüchtlinge ist bereits jetzt schon viel zu groß, dass eine Ansiedlung außerhalb der Region noch machbar wäre. Manche in den Golfstaaten rechtfertigen sich damit, dass mit dem Flüchtlingsstrom der radikal-militante Islam importiert werde, doch diese Bedrohung ist für westliche Staaten nicht geringer. Die Kriege in Libyen und im Jemen können diese Krise in eine Katastrophe verwandeln.“
Die Politiker in der EU und in Österreich müssen auf die Golfstaaten massiv Druck machen, nötigenfalls durch schwere Sanktionen; alles andere führt uns in die Katastrophe. Richtige Außenpolitik böte auch die Chance, das Herz der jungen arabischen Welt zu erobern. Und das ist etwas, was keine bürokratische EU-Quotenregelung vermag.