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SHETLAND INSTITUTE, SCHOTTLAND

Time Zero: 24 Stunden

Selber schuld. Hätte ich doch bloß den Kühlraum mit dem Wissenschaftler verlassen, aber ich habe mich so geärgert, dass ich erst bemerkt habe, dass er gegangen ist, als die Tür scheppernd ins Schloss fiel. Dann wurde das Licht gedimmt und ich war allein.

Ich stemme mich gegen die Wände, die Tür, den Boden, sogar gegen die Decke, doch es bringt nichts. Der Raum ist komplett abgedichtet. Was habe ich davon, ein Geist zu sein, wenn ich nicht mal durch Wände gehen kann?

Überall hängen Beutel wie meiner herum. Mir wird mulmig. Steckt in ihnen auch die Asche von toten Menschen? Sind sie auch Geister? Wo sind sie?

Wie viele sind es überhaupt?

Viele.

Ich bekomme Panik. Schön ein- und ausatmen und bis zehn zählen, haben sie mir eingeschärft. Versuch, die Panik zu bekämpfen, bevor es richtig losgeht. Aber wie soll das gehen, wenn man nicht mehr atmet?

Ich werde zählen. Zähle sämtliche Beutel von Anfang an.

Ich folge der Schiene über mir bis zum Beutel mit der Nummer 1 und fange an: 1, 2, 3, 4 … 99, 100, 101 … 243, 244, 245 …

Zähle und zähle. Bis hoch zu Nummer 368 und da bin ich: 369 X. Und weiter. 370, 371, 372 bis zu 403. Danach gibt es noch viele leere Haken. Warum hängen schon so viele Beutel hinter meinem? Ich muss spät dran gewesen sein.

Auf keinem der anderen Beutel steht ein X, nur auf meinem. Was bedeutet das X wohl?

Über vierhundert Tote hängen hier.

Wo sind nur ihre Geister? Zeigen sie sich vielleicht bei Nacht?

Ist es Tag oder Nacht? Keine Ahnung.

Ich habe Angst. Ich rolle mich zusammen und werfe mich gegen die Tür.

»Lasst mich raus!«, brülle ich wieder und wieder und wieder.

In mir wachsen Panik und Wut, werden größer und größer, schwappen wie eine heiße Welle über mich und dann …

Piep-piep. Piep-piep.

Ein leiser Alarm erklingt. Vielleicht von draußen?

Piep-piep. Piep-piep.

Kurz darauf geht die Tür auf. Ich stürze hinaus, direkt in die Arme des Wissenschaftlers, der mich gerade eben aufgehängt hat. Er bleibt wie angewurzelt stehen. Hinter ihm warten zwei Techniker in weißen Schutzanzügen, ungeduldig drängen sie an ihm vorbei in den Kühlraum.

»Ich verstehe nicht, warum die Temperatur angestiegen ist«, sagt einer der Techniker, nachdem er Armaturen und Bildschirme überprüft hat. »Jetzt stimmt es wieder. Alles ist richtig eingestellt. Die Anlage läuft, wie sie soll.«

»Seltsam«, sagt der Wissenschaftler. »Als ich gerade die Tür geöffnet habe, ist mir ein warmer Lufthauch ins Gesicht geweht.«

Der Techniker dreht sich zu ihm um. »Die Temperatursensoren zeigen keine Abweichung. Und außerdem können Sie durch den Anzug überhaupt keine Temperaturschwankungen wahrnehmen. Das wissen Sie doch.«

Der Wissenschaftler strafft die Schultern. »Behalten Sie die Anlage heute Nacht einfach im Blick.« Damit stampft er davon.

Ich hefte mich an seine Fersen. Schlüpfe durch die Tür und lasse die Beutel mit der Toten-Asche hinter mir.

Auch meinen.

Infiziert

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