Читать книгу Wenn sie mich finden - Terri Blackstock - Страница 15

10 Keegan

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Casey Cox könnte längst tot sein. Aber stattdessen ist sie eine Klette, die mir auf der Haut juckt und mich in jeder einzelnen Minute meines Lebens daran erinnert, dass sie da ist. Sie ist irgendwo da draußen und tickt und tickt, tickt wie eine Bombe, bereit hochzugehen, wenn ich es am wenigsten erwarte.

„Wir müssen etwas unternehmen“, erkläre ich Sy, meinem Partner, der in seiner verwohnten Küche herumwirtschaftet wie ein alter Mann. „Die Medien machen gerade eine Heldin aus ihr. Es ist ein Albtraum. Wir müssen dem ein Ende machen, und zwar so schnell wie möglich.“

Sys Stirn legt sich in Falten wie verwittertes Leder. Der Alkohol macht ihn alt. „Wir sollten ein paar Fotos von Brents Leiche an die Medien geben“, sagt er.

„Zu riskant“, sage ich. „Wird dem Chef nicht gefallen. Er wird sagen, wir behindern die Ermittlungen.“

„Wir könnten die Bilder ja lancieren und uns dann aufregen, dass das Material nach draußen gelangt ist. Wenn wir es sind, die darüber in Rage geraten, wird der Chef nicht darauf kommen, dass wir es waren. Wir können es Dylan Roberts in die Schuhe schieben.“

Ich überlege einen Moment und versuche, die logischen Konsequenzen dieses Vorschlags abzuschätzen. Die Entscheider bei den Fernsehsendern, die gerade so fasziniert sind von einer Mordverdächtigen, die ein junges Mädchen und ihr Baby gerettet hat – und nur allzu gern berichten würden, dass sie eben keine Mörderin ist –, würden eine Vorstellung davon bekommen, wie blutig der Mord war, für den sie gesucht wird. Es könnte die Sympathie der Öffentlichkeit für sie geradezu ins Gegenteil umschlagen lassen.

„Wir wissen beide, wir würden damit nichts gefährden“, fügt Sy hinzu. „Das Beweismaterial ist so, wie wir es haben wollten.“

Ich grinse. „Sie müssten wieder darüber reden, wie gefährlich sie ist.“ Ich atme tief aus und versetze dem Stuhl vor mir einen Tritt. „Er hätte sie in Shady Grove kriegen sollen. Es könnte längst zu Ende sein.“

„Ich weiß nicht.“ Sy steht auf und geht polternd durch die Küche, dass das ganze Haus unter den Schritten seiner Stiefel zittert. Er schüttet sich drei Fingerbreit Whisky ins Glas, kippt ihn hinunter und verzieht das Gesicht. „Eins muss man ihr lassen, sie hat Mumm. Und clever ist sie auch. Wenn wir Dylan bei Gates anschwärzen, wird er sich nur umso mehr in den Fall reinhängen. Er hat seinen Job durch die Paces bekommen. Wenn sie wollen, dass Dylan weiter an ihr dranbleibt, wird der Chef das unterstützen.“ Er hebt die Flasche und hält sie mir hin. „Auch einen?“

„Nein“, lehne ich ab. „Muss einen klaren Kopf behalten. Und das solltest du auch. Wir können uns keinen Fehler leisten.“

Sy stellt die Flasche unsanft ab und die Flüssigkeit spritzt darin hoch.

„Okay“, sage ich. „Das ist unsere Strategie: Zuerst lancieren wir die Fotos an die Presse und auch eine Liste mit den Beweismitteln – ihre DNA am Tatort, das Messer in ihrem Auto … Dann durchforsten wir die Abteilung und verdächtigen jeden, der Zugang zu dem Material hatte. Es muss überzeugend sein – absolute Empörung à la ‚Glaubt bloß nicht dass der Täter damit davonkommt‘.“

„Du bringst die Sachen an die Presse?“

„Ja, mach ich. Aber dann müssen wir dem Chef noch ein paar Geschichten über Dylan stecken. Nichts zu Offensichtliches. Nur hier und da einen Floh in sein Ohr – Dylans Inkompetenz, seine Krankheit … dass wir uns immer wieder bemühen, über seine offensichtlichen PTBS-Episoden hinwegzusehen.“

„Das hat schon nicht funktioniert, als du es in seinem Büro versucht hast. Dylan gibt sich zu kompetent. Ich fürchte, wir müssen uns etwas Subtileres ausdenken.“

„Jedenfalls müssen wir Zweifel an ihm säen.“

„Aber was ist mit der Suche nach ihr?“ Sy greift wieder zur Flasche, sinkt auf einen Sessel und zieht sich den Fußschemel heran. „Wir müssen sie finden. Ich kann nachts nicht mehr schlafen, solange sie frei herumläuft und uns die Hölle heißmachen könnte. Sie kann uns jederzeit auffliegen lassen. Ich bin kein Typ, dem es im Knast gut gehen würde, weißt du.“

„Halt den Mund. Du gehst nicht in den Knast. Und woher willst du wissen, dass sie was gegen uns in der Hand hat? Sie ist gerade auf der Flucht vor dem Gesetz. Das ist alles. Es bedeutet nicht, dass sie etwas weiß. Bis jetzt haben wir es doch geschafft, oder etwa nicht?“

Sy trinkt jetzt aus der Flasche. Ich stehe auf und gehe zu ihm rüber. Ich packe ihn am Kinn, gebe ihm einen leichten Klaps auf die Wange, hebe sein Gesicht zu mir hoch. „Hab ich dich vielleicht nicht reich gemacht? He? Sag mir jetzt nicht, das war alles nichts. Wir müssen uns mit so viel Dreck herumschlagen, wir sollten wie die Könige leben. Wir setzen an jedem verdammten Tag unser Leben aufs Spiel und für die meisten von uns reicht es nicht mal für ein neues Auto. Man schuldet uns das – und wir waren Manns genug, es uns zu nehmen. Wir haben nur genommen, was uns zustand.“

Sy befreit sich aus meinem Griff. „Vielleicht sind wir zu weit gegangen, Gordon. Diese Sache mit Andy Cox – seitdem stecken wir im Schlamassel … und dann erst Brent …“

„Jedes Mal, wenn du dich betrinkst, fängst du wieder an mit dem Gejammer über Cox. Es ist dreizehn Jahre her. Wir sind damit davongekommen.“ Ich packe ihn erneut am Kinn und blicke ihm mit zusammengepressten Zähnen direkt in die Augen. „Stecken wir gerade im Schlamassel? Hat man uns gefasst? Ist uns je etwas passiert?“

Sy windet sein Gesicht aus meiner Hand.

„Nein“, fahre ich fort. „Wir leben noch immer ein komfortables Leben. Und Casey Cox ist nur ein Niemand im Nirgendwo, der versucht, in Deckung zu bleiben. Sie kann mit niemandem reden. Und wir werden sie bald genug finden und der Sache ein Ende machen. Das ist alles. Sie kann ihrem ehrenwerten Kadaver von Vater in dem Grab Gesellschaft leisten, in dem er verrottet.“

„Aber selbst wenn er sie findet – oder wir –, wenn ihr irgendwas passiert, werden die Medien verrücktspielen. Sie haben die Geschichte jetzt auf dem Schirm.“

„Wenn wir jetzt die richtigen Infos streuen, wird das keine Rolle spielen.“ Ich gebe ihm einen Klaps auf den Schädel und setze ihm den Zeigefinger auf die Brust. „Du sorgst dafür, dass du einen klaren Kopf behältst, verstanden! Dieser Whisky macht einen Feigling aus dir. Wir haben diese Geschichte in der Hand, wir und sonst niemand. Du hast mir bisher vertraut und ich hab dich nicht enttäuscht. Alles, was wir getan haben, mussten wir tun. Wir haben unsere Sache gut gemacht, Sy.“

„Okay, Gordon. Schon kapiert.“

„Nein, du kapierst nicht. Sieh mich an.“ Ich packe ihn erneut am Kinn. Seine Augen sind blutunterlaufen. „Sieh. Mich. An. Sy. Vertraust du mir?“

„Die Dinge laufen uns aus dem Ruder, Gordon.“

„Vertraust du mir?“, beharre ich, diesmal lauter.

Wieder entwindet er sich meinem Griff und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. „Ja, ich vertraue dir.“

„Dann machen wir es so. Und wir bleiben schön nüchtern und verfolgen unsere Strategie. Und wenn Casey Cox tot ist, können wir endgültig aufatmen.“

„Was ist mit Dylan?“

„Dylan ist verwirrt im Kopf, der wird einfach zur Tagesordnung übergehen. Vor allem, wenn wir ihm einen Job bei uns verschaffen. Das ist nämlich das, was er wirklich will. Der macht uns keine Schwierigkeiten.“

Als ich Sy schließlich wieder auf Spur gebracht habe, fahre ich nach Hause, in Gedanken beschäftigt mit unserer Strategie. Adrenalin pulsiert in meinen Adern, als ich mir die nächsten Schritte überlege, wie wir den Rest von Casey Cox’ gutem Ruf zerstören können. In so was bin ich gut. Ich mache es ja schon jahrelang. Und es bereitet mir sogar Vergnügen.

Im Gegensatz zu Sy schlafe ich in dieser Nacht unbeschwert.

Wenn sie mich finden

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