Читать книгу Recht des geistigen Eigentums - Thomas Ahrens - Страница 183
Оглавление§ 35 HalbleiterschutzHalbleiterschutz
Wie bereits im einführenden Überblick erwähnt (s.o. § 2, IV., 1.), handelt es sich beim HalbleiterschutzgesetzSchutzgesetzHalbleiter-Halbleiterschutz-gesetz (HLSchG) aus dem Jahre 1987 um das jüngste eigenständige Sondergesetz des gewerblichen Rechtsschutzes. Die Verabschiedung des Gesetzes erfolgte in Umsetzung der EG-Richtlinie über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen.1
I. Einordnung und Zweck
Beim Halbleiterschutz handelt es sich um einen sog. sui generis Schutz, der Elemente des Urheberrechtsschutzes mit solchen gewerblicher Schutzrechte verbindet. Verkürzt handelt es sich um den Schutz eines technischen Erzeugnisses (Halbleiterchip), wobei der Schutz allerdings nicht durch den Inhalt der technischen Problemlösung, sondern durch das sog. Layout-Design der TopographieTopographie – die konkrete Form der geometrischen Gestaltung – begründet wird. Die Entwicklung des Schutzes der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen beruht auf international-rechtlicher Verflechtung. Ausgangspunkt war der sog. Semiconductor Chip Protection Act der USA von 1984, in dessen Genuss Ausländer nur bei Verbürgung der Gegenseitigkeit gelangten. Hierdurch entstand Handlungsdruck auf andere Industrienationen, entsprechende Schutzsysteme zu schaffen. Gemessen an den Anmeldezahlen ist die praktische Bedeutung dieses sehr speziellen Schutzinstruments allerdings sehr gering. Wie die alljährlich veröffentlichten Anmeldestatistiken des DPMA belegen, wird es – anders als in den Anfangsjahren nach Einführung des Schutzes in 1987 – kaum noch nachgefragt. Im Jahre 2016 gingen beim DPMA lediglich acht neue Anmeldungen ein.1 Die bereits seit vielen Jahren niedrigen Anmeldezahlen nach dem Halbleiterschutzgesetz lassen den Rückschluss zu, dass der Fortschritt im Bereich der Halbleitertechnologie einen Schutz der Erzeugnisse durch das Halbleiterschutzrecht offenbar kaum mehr notwendig macht.2 Da der Halbleiterschutz ein international anerkannter Bestandteil des gewerblichen Rechtsschutzes ist (vgl. Art. 35 bis 38 TRIPS-Abkommen), soll auf eine zumindest knappe Darstellung dieses Schutzinstruments im Interesse der Vollständigkeit gleichwohl nicht verzichtet werden.
II. Schutzvoraussetzungen
1. Materielle Schutzvoraussetzungen, Berechtigter
Voraussetzung der Schutzfähigkeit einer dreidimensionalen Struktur eines Halbleitererzeugnisses (TopographieTopographie) ist, dass sie „EigenartEigenart“ aufweist (§ 1 Abs. 1 S. 1 HLSchG). Nach der Legaldefinition weist eine Topographie Eigenart auf, „wenn sie als Ergebnis geistiger Arbeit nicht durch bloße Nachbildung einer anderen Topographie hergestellt und nicht alltäglich ist“ (§ 1 Abs. 2 HLSchG). Durch das Erfordernis der Eigenart sollen ohne eigene geistige Arbeit geschaffene Topographien, die folglich keine Entwicklungsarbeit bzw. keine besonderen InvestitionskostenKostenInvestitions- verursacht haben, vom Schutz ausgenommen werden. Die zu schützende Topographie darf daher nicht „alltäglich“ sein, d.h. dem in diesem Industriebereich allgemein üblichen Standard entsprechen, noch darf sie eine „bloße Nachbildung“ einer fremden Topographie, d.h. von einer anderen schlicht „abgekupfert“ sein.1 Da sich das Erfordernis der „Eigenart“ weder mit dem Erfordernis einer „persönlich geistigen Schöpfung“ im Sinne des Urheberrechts (§ 2 Abs. 2 UrhG) noch dem einer „erfinderischen Tätigkeit“ im Sinne des Patentrechts (§§ 1 Abs. 1, 4 PatG) deckt, muss sich eine Topographie, für die Schutz begehrt wird, allerdings weder durch ErfindungErfindung-shöheshöhe im Sinne des Patentrechts noch etwa durch Werkhöhe im Sinne des Urheberrechts auszeichnen. Im Verhältnis zu diesen Anforderungen stellt das Erfordernis der „Eigenart“ ein Minus dar.2 Berechtigter ist derjenige, der die Topographie geschaffen hat (§ 2 Abs. 1 S. 1 HLSchG). Bei im Rahmen eines ArbeitsverhältnisArbeitsverhältnisses oder im Auftrag geschaffenen Topographien steht das Recht auf den Schutz dem Arbeitgeber oder dem Auftraggeber zu, sofern nichts anderes bestimmt ist (§ 2 Abs. 2 HLSchG)
2. Formelle Schutzvoraussetzungen
Die Entstehung des Halbleiterschutzes (Topographieschutzes) setzt – wie grundsätzlich auch im Falle der Erlangung anderer gewerblicher SchutzrechtSchutzrechtgewerblichese – eine RegistrierungRegistrierung voraus (§§ 3, 4 HLSchG). Ausschlaggebend für die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers zugunsten eines nach der Richtlinie nicht vorgeschriebenen Registrierungserfordernisses waren Erwägungen einer damit verbundenen größeren Rechtssicherheit.1 Die Registrierung ermöglicht es grundsätzlich jedermann, Einsicht in die Unterlagen über geschützte Topographien zu nehmen und sich so über den Bestand an bestehenden Schutzrechten zu informieren. Für eine Registrierung sprach ferner, dass die Registrierung und die damit verbundene Offenbarung der geistigen Leistung bei den traditionellen technischen Schutzrechten (Patent- und Gebrauchsmuster) als selbstverständliche Gegenleistung für die Gewährung eines AusschließlichkeitsrechtsAusschließlichkeitsrecht verstanden wird.2 Das Anmelde- und Eintragungsverfahren, das nur eine FormalprüfungPrüfungFormal- ohne Prüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen vorsieht (vgl. § 4 Abs. 1 HLSchG), ist in Anlehnung an das Gebrauchsmustergesetz geregelt, enthält jedoch auch inhaltliche, dem unterschiedlichen Wesen der jeweiligen Schutzgegenstände Rechnung tragende, Abweichungen. So sieht die AnmeldungAnmeldungHalbleiterschutz im Gegensatz zum Gebrauchsmustergesetz, das eine „Beschreibung des Gegenstandes des Gebrauchsmusters“ vorschreibt (§ 4 Abs. 3 Nr. 4 GebrMG), lediglich die Vorlage von „Unterlagen zur Identifizierung oder Veranschaulichung der Topgraphie oder eine Kombination davon“ vor (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 HLSchG). Die vergleichsweise geringeren Anforderungen, die damit an die Offenbarung des SchutzgegenstandSchutzgegenstandes gestellt werden, erklären sich aus der Tatsache, dass der SchutzgegenstandSchutzgegenstandTopographie der Topgraphie – anders als sonstige technische Problemlösungen – einer Beschreibung durch eine schriftliche Darstellung schwer zugänglich ist. Da die Schutzwirkungen des als bloßes Kopier- und Verwertungsverbot ausgestalteten Topgraphieschutzes hinter denen des Patent- und Gebrauchsmusterschutzes zurückbleiben, wurden die geringeren Offenbarungsanforderungen überwiegend auch als rechtspolitisch vertretbar angesehen.3
3. Schutzentstehung, Geltendmachung
Der Zeitpunkt der Entstehung des Halbleiterschutzes weicht von den Entstehungstatbeständen der traditionellen SchutzrechtSchutzrechttraditionellese nicht unerheblich ab. Das Schutzrecht entsteht bereits an dem Tag der ersten nicht nur vertraulichen geschäftlichen Verwertung der Topographie, sofern die Anmeldung innerhalb von zwei Jahren nach dieser Verwertung erfolgt, oder mit dem Tag der Anmeldung der Topgraphie beim Patentamt, wenn sie zuvor nicht oder nur vertraulich geschäftlich verwertet worden ist (§ 5 Abs. 1 HLSchG). Das Schutzrecht entsteht also weder, wie im Urheberrecht, mit der Schöpfung noch, wie bei den traditionellen Schutzrechten, mit der Eintragung, sondern knüpft an hiervon zu unterscheidende Realakte an. Das Schutzrecht kann jedoch, auch wenn es bereits zuvor durch geschäftliche Verwertung entstanden ist, erst dann geltend gemacht werden, wenn die Topographie beim Patentamt angemeldet worden ist (§ 5 Abs. 3 HLSchG). Wie das Registrierungserfordernis beruht auch diese nicht durch die Richtlinie vorgeschriebene Regelung auf Rechtssicherheitserwägungen. Aus SchutzrechtSchutzrechtHalbleiterschutzen soll grundsätzlich gegenüber Dritten nur vorgegangen werden können, wenn diese zuvor Gelegenheit hatten, sich im Wege der AkteneinsichtAkteneinsicht beim DPMA über dessen Bestand und Inhalt zu informieren.1
III. Wirkungen des Halbleiterschutzes
Der Schutz der TopographieTopographie hat die Wirkung, dass allein der Inhaber des Schutzes befugt ist, sie zu verwerten (§ 6 Abs. 1 S. 1 HLSchG).
1. SchutzgegenstandSchutzgegenstandHalbleiterschutz, SchutzumfangSchutzumfangHalbleiter, SchutzdauerSchutzdauer
Schutzgegenstand des Halbleiterschutzes sind „Topographien“, definiert als dreidimensionale Strukturen von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (§ 1 Abs. 1 S. 1 HLSchG), z.B. die eines Speicherchips oder Prozessors. Dem gleichgestellt sind selbständig verwertbare Teile sowie Darstellungen zur Herstellung von Topographien (§ 1 Abs. 1 S. 2 HLSchG). Hervorzuheben ist, dass sich der Schutz ausdrücklich nur auf den Schutzgegenstand – die Topographie der Schaltung als solche –, nicht jedoch auf die der Topographie zugrunde liegenden Entwürfe, Verfahren, Systeme, Techniken oder auf die in einem mikroelektronischen Halbleitererzeugnis gespeicherten Informationen erstreckt (§ 1 Abs. 4 HLSchG). Geschützt ist also lediglich die geometrische Gestaltung des Halbleitererzeugnisses. Diese Beschränkung ist bedeutsam für die Abgrenzung des Schutzgegenstandes gegenüber den Schutzgegenständen der traditionellen SchutzrechtSchutzrechtImmaterialgute des ImmaterialgüterImmaterialgüter-rechtrechts. So kann an einem neuartigen, erfinderischen Verfahren zur Halbleiterherstellung durchaus Patentschutz, an einer der Topographie zugrunde liegenden neuartigen Schaltung Patent- oder Gebrauchsmusterschutz oder etwa an der Zeichnung für das Layout einer Maske Urheberrechtsschutz bestehen.1 Der Halbleiterschutz hingegen ist ein vom Inhalt der Problemlösung unabhängiger, sich allein auf die Topographie als solche beschränkender Minimalschutz. Was den Schutzumfang angeht, wird die Wirkung des Halbleiterschutzes dadurch beschränkt, dass nach § 6 Abs. 2 HLSchG Handlungen im privaten Bereich (Nr. 1), Nachbildungen der Topographie zum Zwecke der Analyse, der Bewertung oder Ausbildung (Nr. 2) sowie die geschäftliche Verwertung einer Topographie, die das Ergebnis einer Analyse oder Bewertung nach Nr. 2 ist und Eigenart im Sinne von § 1 Abs. 2 HLSchG aufweist (Nr. 3 – sog. reverse engineering), vom Schutz ausgenommen sind. Der Schutz der Topographie endet mit Ablauf des 10. Kalenderjahres nach dem Jahr des Schutzbeginns (§ 5 Abs. 2 HLSchG). Da sich die zehnjährige Schutzdauer von dem letzten Tag des Kalenderjahres an berechnet, in dem das SchutzrechtSchutzrecht entstanden ist, kann sich die effektive Dauer des Schutzes im Einzelfall auf fast elf Jahre verlängern.2
2. Rechte des SchutzrechtSchutzrechtInhabersinhabers
Das Gesetz sichert dem Schutzrechtsinhaber den Lohn seiner geistigen Arbeit, indem es ihm ein ausschließliches Nachbildungs- und Verwertungsrecht an dem Ergebnis seiner Entwicklung gewährt. Nach § 6 Abs. 1 S. 2 HLSchG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Schutzrechtsinhabers die Topographie nachzubilden (Nr. 1) bzw. die Topographie oder das die Topgraphie enthaltende Halbleitererzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu verbreiten oder zu den genannten Zwecken einzuführen (Nr. 2). Das HalbleiterschutzrechtHalbleiterschutz-recht ist damit entsprechend seiner Funktion, Wettbewerbsverzerrungen infolge Vermeidung eigenen Entwicklungs- und Investitionsaufwandes zu verhindern, als bloßes Kopier- und Verwertungsverbot ausgestaltet. Anders als im Patent- und Gebrauchsmusterrecht (§§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG, 11 Abs. 1 S. 2 GebrMG) ist der bloße BesitzBesitzTopographie und Gebrauch der geschützten Topographie nicht von der Zustimmung des Schutzrechtsinhabers abhängig, d.h. jeder Dritte darf die geschützte Topographie selbst zu geschäftlichen Zwecken erwerben, besitzen und gebrauchen.1
3. Ansprüche des SchutzrechtSchutzrechtAnsprüche des Inhaberssinhabers
Derjenige, der die Topographie ohne Zustimmung des Schutzrechtsinhabers nachbildet oder verwertet, d.h. den Schutz entgegen § 6 Abs. 1 HLSchG verletzt, kann vom Verletzten auf UnterlassungUnterlassung und im Falle des Verschuldens auf SchadensersatzSchadensersatz in AnspruchAnspruchSchadensersatz genommen werden (§ 9 Abs. 1 S. 1, 2 HLSchG). Was die Bemessung des Schadens angeht, wurde im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (im Einzelnen hierzu s.u. § 87 II. 2.) auch für das Halbleiterschutzrecht durch Verweisung auf § 24 Abs. 2 S. 2 und 3 GebrMG klargestellt, dass insoweit auch der Gewinn des Verletzers, den dieser durch die Rechtsverletzung erlangt hat, berücksichtigt werden kann; ferner, dass der Schadensersatz auch im Wege der sog. Lizenzanalogie berechnet werden kann (§ 9 Abs. 1 S. 3 HLSchG).