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Fokus: Abgrenzung und Bezüge zur Arbeitslosenversicherung

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Abgrenzung Leistungsbereich IV/ALVStandardmässig wird in Gerichtsentscheiden ausgeführt, der «ausgeglichene Arbeitsmarkt» diene dazu, den Leistungsbereich der Invalidenversicherung von jenem der Arbeitslosenversicherung abzugrenzen.[88] In der Tat hat denn auch bereits der Gesetzgeber bei der Schaffung der Invalidenversicherung auf die Bedeutung einer Abgrenzung zwischen (gesundheitlich bedingter) Erwerbsunfähigkeit (= IV) und anderweitig bedingter Erwerbslosigkeit (= ALV) hingewiesen.[89] Schon vor der Schaffung einer obligatorischen Arbeitslosenversicherung auf eidgenössischer Ebene im Jahr 1976 war eine klare Trennung zwischen Invalidenversicherung und Arbeitslosenversicherung gesetzlich gewollt;[90] sie entsprach bereits bei der Schaffung der Invalidenversicherung der konstanten EVG-Praxis[91]. Der Wandel des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit lässt sich deshalb nicht mit der Schaffung des Obligatoriums der Arbeitslosenversicherung auf Bundesebene erklären.

Vermittlung BehinderterIn anderer Hinsicht bestehen dagegen Bezüge zwischen Arbeitslosen- und Invalidenversicherung, und zwar bei der Vermittlungsfähigkeit von behinderten Personen (Art. 15 Abs. 2 AVIG[92]) sowie bei den Beiträgen zur Förderung der Arbeitsmarktforschung (Art. 73 Abs. 1 AVIG[93]). Gemäss Gerichts- und Verwaltungspraxis bedeutet der Begriff «ausgeglichene Arbeitsmarktlage», dass die versicherte Person nicht nur bei Hochkonjunktur und Arbeitskräftemangel als vermittelbar gelten darf.[94] Das EVG führte dazu Folgendes aus:

«Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber eine Milderung der vom alten Recht für die Vermittlungsfähigkeit von Behinderten verlangten Erfordernisse erreichen. Nur noch die Erwerbslosigkeit, welche «voll oder stark überwiegend» auf den Gesundheitszustand eines Behinderten zurückzuführen ist, sollte nicht mehr zu dem von der Arbeitslosenversicherung gedeckten Risiko gehören (…) Selbst Bezüger einer ganzen Invalidenrente sind daher im Falle ihrer Arbeitslosigkeit grundsätzlich anspruchsberechtigt, sofern ihre Vermittelbarkeit auch durch die ungünstige Konjunkturlage beeinträchtigt und für Arbeitsstellen, bei welchen sie mit einem sozialen Entgegenkommen von Seiten des Arbeitgebers rechnen können, nach wie vor gegeben ist (…)»[95]

Beiträge Behinderter in der ALVEs entspricht damit Sinn und Zweck der Vorschrift, dass die Vermittlungsfähigkeit von behinderten Personen in der ALV weit gefasst wird, um zu vermeiden, dass Personen, die zuvor Beiträge bezahlt haben, nun (mangels Vermittlungsfähigkeit) ohne Leistungen dastehen.[96] Die Rechtsprechung ging denn auch in der Arbeitslosenversicherung dazu über, den ausgeglichenen Arbeitsmarkt insofern weit zu fassen, als er auch «soziale Winkel» umfasst, d.h. Arbeits- und Stellenangebote, bei welchen behinderte Personen mit einem sozialen Entgegenkommen seitens des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin rechnen können.[97]

Verwertbarkeit der RestarbeitsfähigkeitDiese besondere Regelung in der Arbeitslosenversicherung zugunsten der behinderten Personen wirkt sich gegenteilig aus, wenn sie unbesehen auf die Invaliditätsbemessung in der Invalidenversicherung übertragen wird, worauf Miriam Lendfers zu Recht hingewiesen hat:[98]

«Komplett aus dem Kontext gerissen tauchen nun diese Ausführungen zum Begriff des ausgeglichenen Arbeitsmarkts [in der Arbeitslosenversicherung] bei der Frage der Verwertbarkeit einer Restarbeitsfähigkeit bei der Invaliditätsbemessung wieder auf – hier wirken sie sich aber nicht etwa zugunsten der Versicherten aus, im Gegenteil. Wie überzeugend kann vor diesem Hintergrund die Behauptung sein, der ausgeglichene Arbeitsmarkt enthalte auch Nischenarbeitsplätze, bei denen die versicherte Person mit einem sozialen Entgegenkommen des Arbeitgebers rechnen könne?»

Grundprobleme der Invaliditätsbemessung in der Invalidenversicherung

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