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19 | Liebe und Hass

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Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, und bittet für die, die euch verfolgen.

MATTHÄUS 5,44 (LUTHER 1984)

Wenn zwei sich streiten, dann freut sich keiner. So ist es doch, oder? Vor allem, weil es in der Regel nicht bei Sachfragen bleibt, sondern ganz schnell persönliche Betroffenheit und emotionale Befindlichkeit mit ins Spiel kommen. Haben Sie schon einmal einen ernsthaften Streit erlebt, bei dem die Beteiligten nicht irgendwann anstatt über das eigentliche Problem über die Rechtschaffenheit des jeweils anderen gesprochen hätten? Da, wo einem die Argumente ausgehen, fängt man an, seinen Gegner in den Schmutz zu ziehen!

Wenn man die heutige Beschimpfungskultur betrachtet, hat man das Gefühl, man wäre ins Mittelalter zurückversetzt, in dem der »Grobianismus« gepflegt wurde. Und das Allerschlimmste dabei ist: Durch persönliche Angriffe wird auch der, der recht hat, zum Rechthaber; zu einem, der andere verletzt, anstatt seine Sache zu verteidigen.

Kultiviert wird die Kunst des Niedermachens übrigens auch in christlichen Kreisen. Weil da jede Meinungsverschiedenheit überirdische Dimensionen bekommt. Da wird die Frage, ob die neuen Sitzkissen im Gemeindehaus rot oder grün sein sollen, zum theologischen Disput und das Ausprobieren neuer Gottesdienstformen zur Entscheidung über das Heil der Welt.

Auf einmal wird mir bewusst, welche Herausforderung Jesus ausgesprochen hat: »Liebet eure Feinde!« Jemanden lieben heißt doch, ihn freundlich behandeln. Wir würden in einer anderen Welt leben, wenn sich mehr Menschen dieses An-Gebot Gottes zu eigen machen würden. Könnten Sie sich vorstellen, Ihre Widersacher einfach lieb zu haben?

Neulich ist mir das passiert. Jemand schrieb mir einen bitterbösen Brief, weil er gehört habe, ich hätte dieses und jenes getan. Der Text war nicht nur voller Unrichtigkeiten, sondern vor allem eine große Beleidigung. Mit einem Sprung war ich am Schreibtisch und fand sofort ein halbes Dutzend passender Antworten. Ich wollte dem Schreiber auf subtile, aber deutliche Art sagen, was ich von seinen Bemerkungen hielt. Bald machte mir das Ganze richtig Spaß. Ich stellte mir vor, wie er sich ärgern würde, wie ich ihn am besten treffen könnte – und wurde dabei immer härter. Bis mir der Ausspruch Jesu einfiel: »Segnet, die euch fluchen.« Und das tat ich dann. Ich wünschte dem Mann Gottes Segen. Und spürte plötzlich, wie meine eigene Wut verschwand.

Fabian Vogt

Nicht alltäglich

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