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21 | Was mich an uns Christen nervt
ОглавлениеWenn aber jemand einem dieser Kleinen, die an mich glauben, Anlass zur Sünde gibt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.
MATTHÄUS 18,6 (ELBERFELDER)
Was mich an uns Christen nervt, ist unsere kolossale Unbekümmertheit im Umgang mit Menschen. Da wird mit dem kostbarsten Gut, das wir haben, nämlich unseren Herzensbeziehungen, so umgegangen, dass ich gar nicht so viel essen kann, wie ich kotzen möchte. Immer wieder höre ich die unglaublichsten Geschichten davon, wie Christen von Christen verletzt worden sind. Leider ist das schon sicherer als das Amen in der Kirche. Im Auftrag des Herrn verspricht man sich alles Mögliche und tut es dann plötzlich nicht, weil eben jener Herr schon wieder einen neuen Auftrag verteilt haben soll. Und als göttlich gilt natürlich immer nur der Auftrag desjenigen, der die größte Lobby hat und der sich am wenigsten scheut, sein ureigenes Ding mit fromm ummäntelter Machtausübung durchzudrücken.
Dem Glauben noch fernstehende Menschen werden mit dem sicherlich nonverbalen, aber nichtsdestotrotz fühlbaren Versprechen einer Beziehung zur Bekehrung gelockt und danach fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel und zur bloßen Erfolgskerbe in der Revolverheldbibel degradiert. Und dann plustern wir uns heroisch in Gottes Gegenwart auf und deklarieren mediengerecht verpackt, dass wir unseren Dienst aufgeben, wenn dieser oder jener Mensch nicht durchbricht, geheilt wird oder sonst etwas. Sieben Leichen später stehen dieselben Leute immer noch vor irgendwelchen Altären und verbreiten dieselbe heiße Luft. Ich weiß gar nicht, wie man mit so vielen Beziehungsleichen im Keller noch ruhig schlafen kann. Und die Unverfrorenheit, mit der dann darauf verwiesen wird, dass der Herr einem das schon vergeben werde, lässt mich immer wieder frösteln.
Haben wir eigentlich all die Mühlstein-Stellen aus der Bibel vergessen? Jesus zeigt geradezu unbarmherzigen Zorn, wenn es um unseren unbekümmerten Umgang mit Beziehungen geht. Sei es die Beziehung zu unserem Vater im Himmel, dessen Haus ein Gebetshaus sein soll, oder sei es der Umgang mit den »mikroi«, den Kleinen, die sowieso niemand aus unserer geistlichen Glitzerlandschaft der »ersten Reihen« ernst nimmt oder gar irgendeinen publikumswirksamen Dienst verrichten lassen würde. Am meisten Angst macht mir aber, dass ich ähnliche Tendenzen an mir selber feststelle. So vertraue ich mich mit Furcht und Zittern der Gnade Gottes an und hoffe, seine leisen Matthäusfünfversdreiundzwanzig-Alarmmeldungen nicht zu überhören.
Mickey Wiese