Читать книгу Nicht alltäglich - Thomas Klappstein (Hrsg.) - Страница 36
30 | Die Sache mit den Schildbürgern
ОглавлениеBei uns zu Hause funktionierte einmal die Türklingel nicht. So beauftragten wir einen Fachmann, sie zu reparieren. Aber nichts tat sich. Tag um Tag verging, bis wir wieder anfragten: »Was ist denn los?«
»Nun«, sagte er uns, »ich habe einen Mann geschickt, der hat geklingelt und geklingelt, und keiner hat aufgemacht.« Na, wenn das kein richtiger Schildbürgerstreich war.
Die Bürger der Stadt Schilda leisteten sich im Mittelalter ähnliche Fauxpas. Deshalb der Name: Schildbürgersteiche. Einmal, als sie ein Haus gebaut hatten, vergaßen sie, Fenster einzubauen. So war es drinnen stockdunkel. Also füllten sie Säcke, Kisten und Kästen mit Tageslicht und brachten so Licht ins Haus. Es gab nur ein Problem: Es blieb nach wie vor stockdunkel.
Leider ist das nicht nur ein Schildbürgerstreich. Man sollte es kaum glauben, aber das Gleiche passiert heute noch. Millionenfach. Viele Leute, die ihr Lebenshaus gebaut haben – wenn ich das einmal so ausdrücken darf –, vergessen die Fenster, sodass das helle Licht des Evangeliums nicht hineinscheinen kann. Sie merken natürlich, dass etwas nicht stimmt, und versuchen auf alle erdenkliche Weise, Licht ins Haus zu schaufeln. Etwas längere und weitere Ferien, das größere Auto, die neue Couch (»Wohnst du noch, oder lebst du schon?«), endlose Stunden vor dem Fernseher (schnell noch den Flachbildschirm vor der Fußballweltmeisterschaft oder den Olympischen Spielen gekauft) und wenn’s ganz übel wird, auch Alkohol und Drogen (»Man gönnt sich ja sonst nichts«). Alles Versuche, das Leben ein wenig heller und freundlicher zu machen.
Aber es bleibt dunkel, allen Anstrengungen zum Trotz. »Ich bin verloren und vereinsamt in dieser absurden Welt und versuche, wie die meisten anderen auch, das Beste daraus zu machen«, klagt der Schauspieler Ulrich Tukur. Der Comedian Florian Schroeder meint: »Ich gehöre zur ›Irgendwas-mit-Medien-Generation‹. Wir haben hammerwichtige Projekte, aber im Grunde schieben wir nur das Leben auf.« Und der US-Schauspieler Dustin Hoffmann sagt: »Alle meine Filme haben mir Spaß gemacht, aber im Grunde sind sie unwichtig.« Es bleibt dunkel ...
Petrus klagt die religiösen Führer seiner Zeit an: »Den Mann, der den Weg zum Leben freigesprengt hat (mit anderen Worten, der Fenster in euer Haus gesprengt hat), den habt ihr getötet. Aber Gott hat ihn wieder zum Leben erweckt, eine Tatsache, für die wir uns persönlich verbürgen können!« Wann wird uns endlich ein Licht aufgehen?
Mike Depuhl