Читать книгу Soziologie verstehen - Thomas Kron - Страница 11
2.1 Konstellationen
ОглавлениеBei Uwe Schimank (2000; vgl. Kron 2010: 17 ff.; Kron/Winter 2009) nimmt das handelnde Zusammenwirken im Rahmen seiner »akteurtheoretischen Soziologie« eine wichtige Scharnierfunktion zwischen individuellem Handeln und sozialen Strukturen ein. Handelndes Zusammenwirken meint weiterhin bei ihm in etwa dasselbe wie bei Weber das soziale Handeln, also eine Art des Miteinander-zu-tun-Bekommens, indem der eine Mensch sich am anderen Menschen (an dessen Verhalten oder Handeln) sinnhaft orientiert. Diese Orientierung am Anderen muss nicht direkt geschehen, die Menschen müssen sich nicht von Angesicht zu Angesicht begegnen und die Handlungen müssen auch nicht direkt aufeinander einwirken. Es genügt, dass Menschen sich gedanklich vergegenwärtigen, dass das (eventuell auch unterlassene) Handeln der anderen Menschen in irgendeiner Weise – sei es störend, sei es unterstützend oder ermöglichend – eine relevante Einflussgröße für das eigene Handeln darstellt. Es genügt z. B., dass ich mir vorstelle, dass andere Autofahrer:innen dieselbe Strecke fahren wollen wie ich, um mich einen anderen Weg nehmen zu lassen. Meine Vorstellung muss objektiv gesehen gar nicht richtig sein. Es genügt die pure Unterstellung eines Einflusses von anderen Menschen. Die Menschen gehen schlicht davon aus, dass das, was sie handelnd umsetzen möchten, von dem Verhalten oder dem Handeln anderer Menschen abhängt. Es liegen dann sog. »Intentionsinterferenzen« (Schimank 2000: 186 ff.) vor: Überlagerungen der eigenen Absichten mit dem Verhalten oder Handeln anderer Menschen. Und diese Intentionsinterferenzen fordern die Menschen zu einer Abarbeitung auf. Die Überlagerungen können zu Problemen werden, mit denen die Menschen umgehen müssen. Genau dies ist es, was Weber als »soziales Handeln« definiert hatte. Menschen machen sich Gedanken, was andere Menschen wohl denken und tun werden – und sie richten ihr eigenes Handeln danach aus. Die Menschen stellen so gesehen gegenseitig füreinander eine besondere Art Umgebung dar: keine ansonsten interessenlose Natur, sondern eine reflexions- und handlungsfähige Umgebung. Eine soziale Umgebung.
Diese soziale Umgebung führt zur Notwendigkeit sozialen Handelns, weil wir viele Bedürfnisse nur mit Strategien erfüllen können, die wir nicht komplett alleine wie im Schlaraffenland kontrollieren, sondern wo wir eben mit anderen Menschen interferieren.