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Handelndes Zusammenwirken

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Für dieses »Miteinander-zu-tun-bekommen« verwenden wir den Begriff des »handelnden Zusammenwirkens« (Schimank 2000: 186). Mit dieser Begrifflichkeit wird zum einen klarer, dass nicht eine einzelne Handlung alleine zur Beantwortung der gesellschaftlichen Ordnungsfragen eine Rolle spielt. Es müssen immer mehrere Handlungen sein, die aufeinander wirken. Und zum anderen gibt es eine Wirkung, um die es uns geht. Und diese für uns relevante Wirkung entsteht dadurch, dass sich Handlungen in die Quere kommen. Wir brauchen von den Menschen also erst mal nicht mehr zu betrachten als ihre Handlungen.

Gedanken, Hormone, Blutkreisläufe usw. spielen keine Rolle für die Soziologie. Wir bezweifeln selbstverständlich nicht, dass Menschen denken und durch Hormone und Blutkreisläufe oder ähnliches beeinflusst sind. Diese Dinge sind Randbedingungen des Handelns, so wie es Luft und Magnetismus braucht, damit Menschen überhaupt handeln können. Aber auf diese Dinge müssen wir nicht schauen, weil Gedanken und Blutkreisläufe nicht handelnd zusammenwirken. Handlungen wirken zusammen. Wenn zwei Menschen etwas übereinander denken, dann bleiben die Gedanken in ihren Köpfen und wirken nicht unmittelbar aufeinander ein. Auch die Blutkreisläufe bleiben getrennt, selbst wenn ein Blutdruck mal hoch- oder runtergehen sollte. Der andere Blutkreislauf ist davon nicht direkt betroffen. Ein Zusammenwirken geschieht erst dann, wenn die Gedanken die Köpfe verlassen (was sie natürlich an sich nie, sondern ausschließlich kommunikativ tun) und sich erhitztes Blut in Handlungen übersetzt (in Körperbewegungen, Sprache, Mimik usw.).

Der Begriff des »handelnden Zusammenwirkens« ist zudem etwas präziser als der ebenfalls gebräuchliche Begriff der Wechselwirkung, der als ein Grundbegriff der Soziologie von Georg Simmel13 gilt. Simmel wollte die Soziologie als eine Wissenschaft verstanden wissen, die die Aufgabe hat, »die Formen des Zusammenseins von Menschen zu beschreiben und die Regeln zu finden, nach denen das Individuum, insofern es Mitglied einer Gruppe ist, und die Gruppen untereinander sich verhalten« (Simmel 1989a: 118). Simmel betont damit, dass gesellschaftliche Phänomene weder aus dem Handeln des einzelnen Menschen noch aus einer anderen übersozialen Einheit heraus erklärt werden kann:

»Man steht z. B. bezüglich der Sprache nicht mehr vor der Alternative, dass sie entweder von genialen Individuen erfunden oder von Gott den Menschen gegeben ist; in die Religionsgebilde braucht sich nicht mehr die Erfindung schlauer Priester und die unmittelbare Offenbarung zu teilen usw. Vielmehr glauben wir jetzt die historischen Erscheinungen aus dem Wechselwirken und dem Zusammenwirken der Einzelnen zu verstehen, aus der Summierung und Sublimierung unzähliger Einzelbeiträge, aus der Verkörperung der sozialen Energien in Gebilden, die jenseits des Individuums stehen und sich entwickeln« (Simmel 1992: 15; Herv. TK/CL).

Ein Alltagsbeispiel mag diese Exempel der »Verkörperung der sozialen Energien in Gebilden« ergänzen.

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