Читать книгу Girga - Waldsterben - Thomas Ladits - Страница 5
Prolog
ОглавлениеDie Bäume in den elfischen Städten ragten hoch in den Himmel und boten Wohnräume für mehrere Dutzend Elfen. Ihre Kronen waren von den Wolken verschleiert, die das fahle Licht des Mondes von der grasbewachsenen, grünen Erde fernhielten. Das alte Holz der Bäume knarrte leise und beruhigend, der Wind rauschte sanft durch die Blätter, die Luft war angenehm warm und es war das Geräusch eines sprudelnden Baches zu hören. Glühwürmchen schwebten lautlos durch die Luft, Nachtfalter flatterten nervös zu den hellen Laternen. Das Heulen eines Waldkauzes durchdrang die nächtliche Stille im Wald von Palor, wo die Luft von den betörenden Aromen verschiedener Pflanzen der künstlich angelegten Gärten durchzogen war. Die Erde und das Gras waren weich und gaben unter jedem Gewicht leicht nach.
In der Ferne waren die Bäume der nächsten Elfenwälder zu sehen und Treelive, die größte Stadt auf der Elfeninsel, der idyllischen Heimat der schönen Elfen. Treelive war Sitz des Regierungsrates und Hauptstadt der Magier und Priester. Auf Weisung eines alten Propheten war sie in den Wald gebaut worden, in dem sie heute stand. Damals hatte man noch auf die Ratschläge der Propheten gehört, doch jetzt war es nicht mehr so.
Die Bäume von Treelive brannten lichterloh. Hier stand man im idyllischen Palor und sah zu, wie in weiter Ferne die Hauptstadt brannte, die Bäume umstürzten, die Elfen starben. Wie das Unheil über die Elfen hereingerollt kam, unaufhaltsam und übermächtig. Rauchschwaden stiegen in der Ferne bis in die Wolken auf und verschleierten den Blick auf die Kopfbirke immer mehr, den großen Birkenbaum, in dem der Regierungsrat saß.
Tränen rollten bei diesem Anblick über Loz’ Wangen. Er hatte sie warnen wollen, doch er hatte versagt. Er fühlte sich schuldig für das Leid und den Tod, der sich in Treelive ereignete und unmittelbar auf die Elfen in Palor zukam. Er hätte sie alle retten können, doch er hatte sich nicht genug angestrengt. Es war seine Schuld.
Luja stand wenige Meter vor ihm und streckte ihre Hand nach ihm aus. Sie rief seinen Namen, doch es war, als spreche sie eine andere Sprache. Loz konnte sie nicht hören, obwohl er sie genau sah. Er sah, wie ihre Lippen seinen Namen formten, doch Loz war unfähig, sich zu bewegen. Er konnte Luja nicht helfen und blieb einfach stehen, weiter auf die brennenden Bäume Treelives blickend.
Der Himmel verfinsterte sich, die grauen Wolken wurden dunkler und schließlich schwarz, das Feuer von Treelive rannte in einer gewaltigen Walze über den Wald und die Grasflächen hinweg auf Palor, Loz und Luja zu. Die Elfe wurde von den Flammen erfasst und verschluckt, die Walze brach auch wie eine gewaltige Welle über Loz herein und hüllte ihn in Flammen ein, doch er konnte die Hitze nicht spüren. Vor seinem Auge schwebte ein Falke in der Luft, der sich, genauso plötzlich, wie er erschienen war, wieder in Rauch auflöste und dem Anblick einer großen, rothäutigen Kreatur mit einem langen Hals und einem breiten Körper Platz machte. Die Kreatur stand im Zentrum der Feuerwalze und lachte. Sie lachte Loz aus, sie lachte die Elfen aus, sie lachte überhaupt alle aus. Loz hatte diese oder eine ähnliche Gestalt noch nie gesehen …
Schweißgebadet fuhr Loz auf, sein Rücken bestrafte ihn sogleich für diese schnelle Regung. Unfähig, sich zu bewegen, starrte er auf die Holzwand dem Bett gegenüber. Nun hatte er diesen Traum schon zum vierten Mal gehabt. Er raubte ihm den Schlaf, er kehrte immer wieder. Es gab Abweichungen hie und da, mal brannte die Kopfbirke nicht, mal schon, mal war Goltan da, mal Luja, manchmal auch niemand …
Etwas unsagbar Großes, Gefährliches näherte sich. Loz spürte es genau.