Читать книгу Mein ist der Schmerz - Thomas Strehl - Страница 10
Kapitel 8
ОглавлениеMick war direkt nach dem Fußballspiel zu Sarah gefahren und hatte sie mit den Neuigkeiten konfrontiert. Er hatte für einen winzigen Moment gehofft, dass sie mit dem Namen des zweiten Opfers etwas anfangen konnte. Doch er wurde enttäuscht. Sie war nicht einmal besonders interessiert.
Die Ablenkung, die er sich von dem Fußballspiel versprochen hatte, war ausgeblieben. Das, was bis jetzt in seinen dunkelsten Stunden funktioniert hatte, war diesmal mächtig in die Hose gegangen. Er hatte das Spiel in der zweiten Halbzeit nicht mehr verfolgen können und nur noch an die Toten gedacht. Es war halt keine Kündigung, gegen die er nun ankämpfte und sei sie auch noch so unfair, nein, diesmal ging es um etwas Unwiederbringliches. Sein Bruder war tot und von Minute zu Minute wurde dies in seinem Kopf realer. Er war für immer von dieser Erde verschwunden, umgebracht von einem Killer, der nicht ungestraft bleiben durfte.
Mick hatte sich Marks Papiere vorgenommen, die dieser in seinem kleinen Büro zu Hause aufbewahrt hat, Ordner, die die Polizei nicht mitgenommen hatte. Er musste sich beeilen, denn es hatten bereits Beamte ihr Kommen angekündigt, um Marks persönliche Sachen zu überprüfen. Immer auf der Suche nach Hinweisen, nach einem möglichen Feind oder dem Namen des zweiten Opfers durchsuchte er die Papiere. Irgendwo musste es einen Zusammenhang geben. Es war derselbe Mörder, da gab es für Mick keinen Zweifel. Auch wenn die Vorgehensweise bei beiden Taten völlig unterschiedlich war. Zwar war dies für einen Serientäter ungewöhnlich, doch es gab die Beschreibung der Zeugen und außerdem war es mehr als unwahrscheinlich, dass in einer Stadt wie Mönchengladbach zur gleichen Zeit zwei Psychopathen Jagd auf ihre Opfer machten.
Irgendwann hatte ihn Sarahs Schluchzen in seinem Tun unterbrochen und er hatte sich um sie kümmern müssen. Der Zusammenbruch, auf den Mick schon lange gewartet hatte, war nun eingetreten.
Er hatte einen Tee gekocht, sich neben seine Schwägerin auf die Couch gesetzt und sie, auch wenn es anfänglich ein seltsames Gefühl war, sogar in den Arm genommen. Dann hatte er ihr geholfen, ein Beerdigungsinstitut ausfindig zu machen und die wichtigsten Papiere vor zu sortieren.
Das ist also alles was von uns bleibt, dachte er frustriert. Ein paar Versicherungen und ein Fleckchen auf einem Friedhof. Wenn man keine Kinder hatte, dann war da nichts mehr, was langfristig in Erinnerung blieb. Für einen kurzen Moment musste er über sein eigenes verpfuschtes Leben nachdenken, doch eine weinende Sarah holte ihn wieder zurück in die Gegenwart.
»Er ist tot«, sagte sie unter Tränen, so als würde auch ihr gerade erst klar, dass ihr Mann nicht nur auf Geschäftsreise war. »Tot.«
Mick wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Es gab keine Worte, die trösten konnten. Alle Floskeln, die es gab, klangen mehr als hohl. Er stand vom Sofa auf, ging zum Schrank und holte ein Paket Taschentücher. Er reichte es Sarah, stellte sich hinter sie und streichelte über ihr Haar.
Trauer ist ein ähnlich starkes Gefühl wie Liebe, dachte er. Bei beiden kann man an nichts anderes mehr denken. Sie nehmen einen komplett ein und verändern das Leben für immer.
Sarah putzte sich lautstark die Nase und ihre Augen ruhten auf den Papieren, die auf dem Tisch lagen.
»Ich kann das nicht«, sagte sie. »Ich werde verrückt, wenn ich immer wieder seinen Namen lese.« Sie sah ihn ratlos an. »Wie schaffen andere Menschen das?«
Mick zuckte die Achseln. »Das Beerdigungsinstitut wird uns helfen«, sagte er. »Die haben täglich mit diesen Dingen zu tun und werden wissen, wie es jetzt am Besten weitergeht.«
Er hatte in seiner Zeit bei der Polizei viel mit dem Tod und Hinterbliebenen zu tun gehabt, doch hier betrat er Neuland. Beim Tod seiner Eltern war er noch viel zu klein gewesen. Da hatte ein Onkel alle notwendigen Aufgaben übernommen. Ein Verwandter, der jetzt auch schon lange nicht mehr lebte.
Mark war mein letztes Familienmitglied, dachte Mick wieder. Jetzt war er wirklich allein.
Es war schon seltsam. Trotz der Differenzen, die sie in den letzten Jahren gehabt hatten, war es doch immer tröstend gewesen, dass da noch jemand war. Und nun…
Mick stapelte die Papiere auf dem Tisch zusammen.
Das bringt jetzt nichts, beschloss er, wohl wissend, dass die Zeit drängte. Doch sein Kopf war nicht in der Lage, sich hier und jetzt mit diesen Unterlagen zu beschäftigen.
Sarah war auf der Couch zusammen gesunken, versteckt unter einer Decke.
»Hast du Hunger?«
Sie schüttelte energisch den Kopf. Trotzdem bestellte er eine Pizza. Eine halbe Stunde später aß sie doch ein wenig, um sich dann ins Schlafzimmer zu verabschieden.
»Ich brauche etwas Ruhe«, flüsterte sie, als sie, die Decke hinter sich her schleifend, wie Linus von den Peanuts, in der Zimmertür stand.
Mick nickte nur. Er wusste, dass sie nur alleine sein wollte, dass sie aber genauso wenig Schlaf finden würde, wie er.
Wieder fiel sein Blick auf die Versicherungen. Und auf die Summen, die darin vermerkt waren. Er hatte gewusst, dass sein Bruder finanziell nicht schlecht gestellt war, doch bei der Höhe dieser Beträge wurde ihm schwindelig. Hatte der Mord etwas damit zu tun? Gab es jemanden, der vom Tod seines Bruders profitierte? Das konnte eigentlich nur Sarah als Alleinerbin sein, doch die schied als Täterin aus.
Er ging zur Verandatür, starrte hinaus in den Garten und kam erst wieder richtig zu sich, als es bereits dunkel war. Mick Peters ließ sich auf die Couch fallen und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Am anderen Morgen weckte ihn der Duft frischen Kaffees. Er setzte sich stöhnend auf und rieb sich über den geschundenen Rücken. Müde sah er sich um und erblickte Sarah, die im Pyjama in der offenen Küche stand. Sie hatte zwei Tassen in der Hand und kam zu ihm rüber.
»Schwarz ist richtig, oder?« Ihre Augen waren rot und lagen in tiefen Höhlen. Das Haar hing ihr wirr in die Stirn, doch hatte sie sich etwas besser in der Gewalt als gestern. Sie schenkte ihm sogar ein zaghaftes Lächeln.
Mick nahm seine Tasse entgegen, pustete kurz darüber und nahm einen Schluck. Das Getränk war brühend heiß, verbrannte seine Speiseröhre, doch er fühlte sofort seine Lebensgeister erwachen.
»Tut mir leid mit gestern«, sagte Sarah. »Ich wollte dich nicht vollheulen.«
»Da gibt es nichts, was dir leid tun muss«, entgegnete er. »Glaubst du, mir ging es besser?«
»Trotzdem muss das Leben weitergehen«, sagte seine Schwägerin, doch ihr Blick ging in die Ferne, so als wüsste sie, dass sie sich gerade selbst belog.
Sie setzte sich. »Hör mal«, begann sie. »Ich danke dir, dass du dich um mich gekümmert hast, aber…« Sie suchte nach den richtigen Worten. »Ich hätte dich da nicht reinziehen sollen. Die Polizei hat den Fall übernommen und ich möchte nicht, dass du dich irgendwie verpflichtet fühlst weiterzumachen. Ich hab dich aus deinem Leben rausgerissen, ohne zu fragen, ob du nicht andere Dinge vorhast. Ich kann es verstehen, wenn du jetzt gehst.«
Er sah sie verständnislos an und lächelte dann traurig. »Erstens: Mark ist… war mein Bruder, nicht nur dein Mann und ich werde seinen Mörder finden. Zweitens: Das Leben, aus dem du mich "herausgerissen" hast, kann mir gestohlen bleiben. Ich hab doch eh nur noch vor mich hinvegetiert.«
Die letzten Worte hatte er voller Wut hervorgestoßen, doch sie wusste, dass sich diese Wut nicht gegen sie richtete. Es war ein Groll auf die ganze Welt und auf das unfaire Schicksal.
»Ich werde jetzt nicht zurückgehen und so tun, als wäre nichts geschehen. Was denkst du eigentlich von mir?«
Sarah nippte beschämt an ihrem Kaffee.
»Wenn ich dich mit den Leuten vom Beerdigungsinstitut alleine lassen kann, dann würde ich gerne da fortfahren, wo ich gestern aufgehört habe«, sagte er kurz angebunden.
Sie nickte nur. »Ich krieg das hin.« Erneut traten Tränen in ihre Augen und er ärgerte sich über seinen Ausbruch.
»Sorry«, murmelte er. »Ich wollte dich nicht anfahren.«
»Geschenkt. Wir sind wohl beide etwas mit den Nerven runter.«
Er stürzte den letzten Kaffee runter, stellte die Tasse auf den Tisch und erhob sich.
»Kann ich den Wagen noch einmal haben?«
»Behalte ihn, solange du willst.« Sie stand auf und stellte sich ihm in den Weg. »Und komm bitte heute Abend wieder. Ich möchte immer noch nicht alleine sein.«
Er nickte. »Okay«, flüsterte er. Dann verließ er das Heim seines Bruders und begann seine Suche.
In seiner Wohnung, die ihm nach dem Luxus in der Behausung seines Bruders noch herunter gekommener und schäbiger vorkam als sonst, duschte und rasierte er sich, zog sich um und machte sich auf den Weg nach Wanlo. Zum Tatort des zweiten Verbrechens.
Er wusste von Gotthard, dass Dagmar Keller heute weitere Teammitglieder aus Düsseldorf erwartete und dass die Nachbarn bestimmt schon von der Polizei verhört worden waren. Trotzdem wollte er sich selbst ein Bild machen. Vielleicht sah oder hörte er etwas, das anderen nicht aufgefallen war.
Er parkte den Porsche und näherte sich dem Grundstück. Natürlich war es abgesperrt und natürlich stand auch ein Polizeiwagen davor, dessen Insassen Reporter und Schaulustige vom Betreten abhalten würden.
Er schlenderte am Zaun entlang, versuchte einen Blick auf das Haus und besonders auf die Gartenlaube zu erhaschen. Doch da er den eigentlichen Tatort nicht in Augenschein nehmen konnte, wandte er sich dem gegenüberliegenden Haus zu. Mick Peters wollte die Nachbarin sprechen, die den Mörder gesehen hatte.
Er schellte an der Tür und eine ältere Dame öffnete langsam.
»Polizei oder Reporter?«, fragte sie misstrauisch, ohne auch nur einen guten Morgen gewünscht zu haben. »Weder noch«, antwortete Peters und versuchte sein gewinnendstes Lächeln.
»Wenn Se wat verkaufen wollen, dann sind Se hier auch falsch.«
»Nein. Auch das will ich nicht. Ich bin auch kein Staubsaugervertreter und kein Zeuge Jehovas«, griff er der Frau vor. Die runzelte leicht verwirrt die Stirn.
»Wat kann ich dann für Sie tun?«, fragte sie in bemühtem Hochdeutsch.
»Ich möchte nur mit Ihnen reden.«
»Über was denn?«
»Über die Geschehnisse auf diesem Grundstück.« Er deutete mit dem Kopf nach hinten.
»Also doch einer von der Zeitung.«
»Nein.« Mick schüttelte den Kopf. »Es ist etwas komplizierter.« Er hatte aus den Augenwinkeln bemerkt, dass die beiden Polizisten im Streifenwagen auf ihn aufmerksam wurden. Aber sie würden ihn hier nicht einfach vertreiben können.
»Es ist noch ein Mord passiert«, sagte er vorsichtig. »Und es sieht so aus, als wäre es der gleiche Täter gewesen.« Die Frau wirkte jetzt wirklich interessiert. »Davon hat aber nix in der Zeitung jestanden.«
»Das darf es auch nicht und ich möchte Sie bitten, darüber Stillschweigen zu bewahren.« Mick Peters hätte es auch ans schwarze Brett im Einkaufszentrum hängen können, das war ihm klar und doch wusste er, dass er die Aufmerksamkeit der Frau nur über ihre Neugierde bekam.
Trotzdem blieb ein Rest Misstrauen. »Wer sind Sie denn nu?« fragte sie.
»Der erste Tote war mein Bruder«, ließ Mick die Bombe platzen und die ältere Dame zuckte ein wenig zusammen.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Mein Beileid.«
»Danke.« Er bemerkte, dass er immer noch nicht weiter kam. »Ich war früher selbst bei der Polizei«, erklärte er weiter. »Und nun bin ich so eine Art Privatdetektiv. Und ich will den Mörder meines Bruders dingfest machen. Auch damit Leute wie Sie wieder ruhig schlafen können.«
»Und Sie meinen, die Polizei schafft das nicht?«
»Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Vielleicht haben sie zu viel zu tun? Vielleicht interessiert es sie auch einfach nicht so brennend wie mich.«
Mit diesen Worten schien er bei der Dame offene Türen einzulaufen. Sie ging noch ein bisschen näher auf Mick zu und begann zu flüstern. »Da war so `ne Kommissarin bei mir, son junges Ding, die kam mir janz schön hochnäsich vor.« Die Aufregung ließ die alte Dame wieder in ihren Dialekt verfallen. »Als wüsste se alles und ich könnte ihr jar nix Neues erzählen.« Mick musste innerlich grinsen. Diesen Eindruck hinterließ Dagmar Keller bei vielen. Das war ihm bei ihren gemeinsamen Ermittlungen oft aufgefallen.
»Und was haben Sie der Polizei alles erzählt?«
Die Alte kam noch etwas näher heran. »Na ja, ehrlich jesacht war et nicht viel«, meinte sie beinahe entschuldigend. »Nur dat der Kääl riesich war, und nen langen Mantel anhatte und nen zottelijen Vollbart, wie son Weihnachtsmann, bloß dat dem seiner schwarz war.«
»Und der Bart war echt?«
Sie zuckte die Schultern. »Dat hat die Polizei auch jefracht, aber dat hab ich nit jesehen, ich war doch viel zu weit wech.« Sie deutete zu dem Polizeiwagen. »Der Wagen, wo der Mann die janzen Blumen ausjeladen hat, der hat jenau da jestanden. Ich war hier. Da kann man doch nicht sehen, ob so ein Bart nur anjeklebt war.«
Mick wurde unruhig. Den Bart hatte er schon abgehakt, was ihn jetzt interessierte war der Wagen.
»Was war das für ein Auto?«
»Einer von so ner Leihfirma. Asus oder so. Mit `nem Hänger dran, wo die Blumen drauf waren. Da waren ja riesije Kübel drin, die der Typ, jroß wie er war, nur mit einer Sackkarre fahren konnte. Der alte Meurers hat ihm da auch nicht helfen können. So kräftig war der ja nicht mehr.«
»Das Modell des Autos wissen Sie nicht mehr?«
Sie zuckte die dürren Schultern. »Für Autos hab ich mich nie interessiert. Da hätte ihnen mein Herbert helfen können, aber der ist leider schon seit zwei Jahren unter der Erde.«
Ein Wagen von einer Leihfirma. Nicht viel, aber ein Anfang.
»Ich danke Ihnen«, sagte er und wollte sich schon umdrehen, als die Alte ihn noch einmal zurückrief. »Dat Jrünzeuch waren übrijens von Lenders«, sagte sie. »Falls Ihnen dat weiterhilft. Sie wissen schon, dieser Jartenbaumarkt in Jiesenkirchen. Mit Autos kenne ich mich nicht aus, aber die Bändchens an den Blumenpötten, die hab ich erkannt.«
»Und das haben Sie der Polizei auch gesagt?«
»Ne, dat is mir jrad erst wieder einjefallen. Jlauben Sie, datt dat wichtich is?«
Mick Peters hörte ihr schon gar nicht mehr zu. Er bedankte sich hastig, hetzte über die Straße und sprang in den Porsche. Mit quietschenden Reifen fuhr er los, der Polizei einen Schritt voraus.
Mick war nicht wirklich ein Heimwerker und da er keinen Garten, nicht einmal einen Balkon besaß, hatte er es auch nie für nötig erachtet, sich mit Blumen zu beschäftigen. Trotzdem wusste er, wo sich dieses Gartencenter befand. Es waren riesige Hallen direkt an der Hauptstraße, die sich quer durch Giesenkirchen schlängelte. Er schaffte den Weg in Rekordzeit, stellte den Porsche auf dem gut besuchten Parkplatz ab und bahnte sich einen Weg durch den Baumarkt, vorbei an Gartenzwergen, Springbrunnen, Blumentöpfen, bis er die Hallen wieder verließ und das eingezäunte Areal hinter dem Center betrat, auf dem sich die größeren Töpfe und Pflanzen befanden. Mannshohe Palmen, Ziersträucher, Obstbäume und wuchtige Pflanzen, die er noch nie gesehen hatte, standen hier abholbereit aufgereiht. Er sah sich eine Sekunde lang um, dann bemerkte er einen Mann in einem dunkelgrünen Overall, der damit beschäftigt war, die Pflanzen zu wässern.
»Hallo«, begrüßte Mick den jungen blonden Mann. Er hatte die Ärmel des Overalls hochgerollt und ließ bunte Tätowierungen sehen. Tunnel zierten seine Ohren, groß wie Zwei-Euro-Münzen und an Augenbrauen, Lippen und Nase befand sich Metall genug für einen ganzen Besteckkasten. »Hallo!«, wiederholte Mick seine Begrüßung. »Können Sie mir vielleicht helfen?«
Der Angesprochene drehte das Wasser ab und betrachtete den Ankömmling abschätzend. »Kommt drauf an.«
»Worauf?«
»Was Sie wollen. Vielleicht kann ich helfen, vielleicht auch nicht. Kann ich doch erst beantworten, wenn ich weiß, was Sie wollen.« Er sprach langsam, sein Kaugummi rotierte. Ein Ausbund an Coolness. Ob seine Clique wusste, dass er als Gärtner arbeitete?
»Sind Sie für die Abteilung hier zuständig?«
»Ne, ich gieß die Bäumchen hier nur, weil ich Langeweile habe. Normalerweise verkaufe ich Springbrunnen.« Er grinste. Ein Typ, der seine eigenen Witze am lustigsten fand.
Mick hatte nicht übel Lust, den Vogel an die Wand zu klatschen, wusste aber auch, dass ihm dies nicht unbedingt weiterhelfen würde.
»Ich habe vor ein paar Tagen meinen Gärtner hierhergeschickt, um ein paar Palmen für meinen Wintergarten zu besorgen. Eine Lieferung hat er gebracht. Dann hab ich ihm nochmal zweitausend in die Finger gedrückt, aber er ist nie wieder bei mir aufgetaucht.« Er versuchte irgendwie, eine schlüssige Geschichte zu basteln. »Jetzt wollte ich nur wissen, ob er nochmal hier war.«
»Den Typen haben Sie als Gärtner eingestellt?«, fragte der Blonde und rollte sich beinahe ab. »Menschenkenntnis scheinen Sie keine zu haben, oder?«
Mick wurde immer aufgeregter. Er schien tatsächlich eine Spur gefunden zu haben.
»Hier war so ein Riese. Der hat Pflanzen für richtig Kohle gekauft. Hab noch geholfen, sie ihm auf den Hänger zu laden. Aber wenn sie einen Wintergarten damit bestücken wollen, dann gute Nacht. Der Vogel hatte echt null Ahnung, was zusammenpasst. Der hat einfach von jedem Ding eins mitgenommen. Hauptsache groß.«
»Und er war nur einmal hier?«
Der Tätowierte nickte. »Ist auch besser so«, meinte er dann.
»Was meinen Sie damit?«
»Der Typ war irgendwie gruselig. Mit seinem alten verbeulten Mantel und diesem Räuber-Hotzenplotz-Bart.«
»Wie sah er genau aus?«, fragte Mick und merkte, dass er einen Fehler begangen hatte.
»Ich dachte, das war Ihr Gärtner. Sie müssen doch besser wissen, wie er aussieht. Ich hab mich jedenfalls nicht getraut ihn näher unter die Lupe zu nehmen. Ich hatte immer das Gefühl, wenn ich ihn eine Sekunde zu lange angucke, dann schmiert er mir eine.«
»Also können Sie ihn nicht näher beschreiben?«
»Hören Sie, Meister. Was wollen Sie wirklich. Die Scheiße mit dem Gärtner und dem Wintergarten nehme ich Ihnen nicht mehr ab.«
»Der Mann steht unter dringendem Mordverdacht«, sagte Mick und wieder führte es dazu, dass er die komplette Aufmerksamkeit des Mannes hatte.
»Dann sind Sie ein Bulle?«
»Privatdetektiv. Aber rechnen Sie damit, dass die Polizei Ihnen auch noch einen Besuch abstattet.«
Das schien dem Blonden nicht zu gefallen. »Ich habe wirklich nichts gesehen«, sagte er. »Meistens hat er mir den Rücken zugedreht. Bis auf den Zauselbart und seine immense Größe ist mir nichts aufgefallen.«
»Wirklich? Überlegen Sie bitte noch einmal. Jeder Hinweis kann wichtig sein.«
Plötzlich erschien ein zweiter Mann im grünen Overall. Dicklich, mit Glatze. »Hau rein, Benno!«, schrie er von weitem. »Du wirst hier nicht fürs Quatschen bezahlt.«
»Mein Chef«, entschuldigte sich der Angekeifte. »Ich muss jetzt wirklich hier weitermachen.«
Mick hätte kotzen können. Wieder nur die Größe, der Mantel und der Bart. Der Mann blieb ein Phantom.
Er wandte sich ab, das Wasser aus dem Schlauch plätscherte wieder, wurde aber sofort wieder abgestellt.
»Warten Sie!«, rief ihm Benno nach und kam aufgeregt auf ihn zu. »Beim Einladen ist ihm ein Ärmel hochgerutscht und ich konnte sehen, dass sein ganzer linker Unterarm voller Narben war«, sagte er. »Und ein Stück vom kleinen Finger fehlte auch.«
»Narben? Können Sie die ein bisschen näher beschreiben?«
»Schnitt und Brandnarben«, kam die prompte Antwort.
Mick runzelte fragend die Stirn. »Hab mein soziales Jahr bei den Maltesern gemacht«, erklärte Benno, seinen Gesichtsausdruck richtig deutend. »Da kriegt man so einiges zu sehen.«
Peters hätte ihm um den Hals fallen können. Endlich hatte er etwas in der Hand.
»Ich danke Ihnen. Sie haben mir sehr geholfen und wie gesagt, die Polizei wird sicher auch noch hier erscheinen. Sagen Sie ihnen einfach das Gleiche.«
Er verabschiedete sich, bekam beim Rausgehen den nächsten Anschiss an Bennos Adresse noch mit und setzte sich in den Porsche. Sekunden später hatte er sein Handy am Ohr.
Gut, er war der Kripo einen Schritt voraus, doch alleine kam er hier nicht weiter. Die neuen Erkenntnisse mussten mit einer Datenbank abgeglichen werden und das überstieg bei weitem seine jetzigen Möglichkeiten.
»Gotthard?«, sagte er ins Telefon, als sich sein Gesprächspartner meldete. »Halten Sie sich fest. Ich habe Neuigkeiten.«