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Kapitel 2
ОглавлениеBraungelbe Herbstblätter wurden vom Wind aufgewirbelt und flogen Werner Meurers entgegen. Eben erst hatte er das Laub zu einem riesigen Haufen zusammengerecht und jetzt war es schon wieder überall verteilt. Sein Ärger über dieses kleine Missgeschick verflog jedoch schnell. Er nahm den Rechen und begann erneut damit, dem bunten Sammelsurium zu Leibe zu rücken.
Er war Rentner, wohnhaft im südlichsten Stadtteil von Mönchengladbach, in Wanlo. Hier hatte er sein ganzes Leben verbracht, ein Haus gebaut und zwei Kinder alleine groß gezogen, nachdem seine Frau im Alter von 41 Jahren an Krebs gestorben war.
Er hielt inne und umklammerte den Stiel des Rechens. Gedankenverloren ließ er die viel zu kurzen Jahre mit seiner Frau Revue passieren. Ihre gemeinsame Zeit: Eine Geschichte über die nie etwas geschrieben werden würde. Eine Liebe, die mit einem Schwur begonnen und selbst den Tod überdauert hatte.
Ja, er war Anna treu geblieben. Und er hatte kämpfen müssen. Werner hatte gelernt, die Einsamkeit zu ertragen, gelernt, wie man Kinder groß zieht, nebenbei arbeiten geht und sich um den Haushalt kümmert.
Das Geld war immer knapp gewesen und nun, da er Rentner war, wurde es noch schwieriger, mit dem wenigen Geld auszukommen, auch wenn seine Kinder schon seit einigen Jahren ausgezogen waren.
Beherzt begann er wieder, den Rechen zu schwingen und das Laub zu kehren.
»So, da bin ich wieder.«
Ein junger Mann von etwa dreißig Jahren kam auf den Rentner zu und stellte sich vor ihn.
»Herr Meurers, ich muss schon sagen, Sie sind ein fleißiger Mann, so wie Sie die Dinge hier in Schuss halten. Hut ab, Hut ab, mein Freund.«
Anerkennend klopfte er dem mindestens einen Kopf kleineren Meurers auf die Schulter und grinste.
Werner betrachte den Mann. Dessen langen Bart, der wie angeklebt aussah, der muffige alte lange Mantel und die enorme Größe ließen ihn bedrohlich wirken, was allerdings im kompletten Gegensatz zu seinem Verhalten stand.
Dieser Typ war freundlich ohne Wenn und Aber.
»Ich danke Ihnen«, sagte der Rentner.
»Fünfhundert Euro für die Laube und das für nur eine Woche«, fuhr er fort. »Das ist für mich jede Menge Geld, auch wenn ich nicht sicher bin, ob das rechtens ist, was Sie hier vorhaben. Ein wenig Angst habe ich schon, dass ich Ärger bekomme.«
»Wie ich schon sagte, Herr Meurers, ich habe nur nach einem Platz gesucht, an dem ich meine Pflanzen für die Dauer meiner Abwesenheit sozusagen parken kann und wo sich jemand Zuverlässiges darum kümmert. Hier sind die Bedingungen in jeder Hinsicht ideal.«
Gestern hatte sich eben dieser Mann auf ein Inserat gemeldet, das Werner kürzlich in die Zeitung gesetzt hatte: Laube (auch als Gewächshaus verwendbar) mit ausgebautem Dachboden günstig zu vermieten.
Ein kurzer Moment in der Laube und ein Blick auf den Dachboden hatten ihm ausgereicht und er hatte Werner fünfhundert Euro in die Hand gedrückt. Fünfhundert Euro für eine Woche! Werner argwöhnte zwar, dass es sich dabei womöglich um verbotene Produkte handelte, aber das verdammte Geld trieb ihn dazu zuzusagen. Da der Mann absolute Diskretion forderte, ließ Meurers ihn gewähren und händigte ihm einen Zweitschlüssel aus. Stunden später kam der Kerl mit einer ganzen Wagenladung exotischer Pflanzen zurück.
Früher hatte Werner diese Laube selber als Gewächshaus genutzt. Unten war das Häuschen komplett verglast. Das Giebeldach war mit Reed gedeckt, so dass es den Anschein hatte, als wäre die Laube ein kleines Haus an der Küste. Oben auf dem Giebeldreieck thronte ein Wetterhahn. Innen war das Dach mit einer wasserabweisenden Schutzfolie, mit Glaswolle und dicken Rigipsplatten ausgestattet. Ein großes doppelt verglastes Dachfenster sorgte für ausreichendes Licht
In der Mitte des Dachbodens befand sich eine mit einem Griff versehene Klappe, an der ein Zugseil befestigt war. Durch das Ziehen des Seiles entriegelte sich der Griff, die Klappe öffnete sich und eine Leiter wurde nach unten gelassen. Neben dem Griff gab es ein etwa fünf Zentimeter großes Loch, welches dem Dachboden wenigstens ein geringes Maß an Luftzufuhr gewährleistete.
Nun standen im gesamten unteren Bereich Pflanzen und Werner erhielt den Auftrag sie täglich zu gießen. Der Lange hatte scheinbar einen Hang zu sehr ausgefallenen Pflanzen und Behältnissen. Nichts davon kam Werner bekannt vor.
Doch vor allem eine Konstruktion machte den Rentner stutzig. In der Mitte des Raumes stand ein kleiner Motor auf dessen Vorderseite eine Schale mit einem Schlauch befestigt war. Goss man Wasser in die Schale pumpte der Motor das Wasser durch den Schlauch auf den Dachboden. Das Loch in der Klapptür war zugeklebt, so dass man nur noch sehen konnte wie der Schlauch in der Decke verschwand. Den Griff für die Leiter hatte der Mann mit einem Schloss versehen. »Dort oben verwahre ich das seltenste Exemplar meiner Sammlung«, erklärte der junge Mann auf Meurers fragenden Blick hin. »Es ist eine Pflanze, die äußerst empfindlich auf Zugluft reagiert. Deshalb habe ich dafür gesorgt, dass Sie sie von hier aus tränken können ohne sie zu gefährden. Noch einmal, Herr Meurers, fast alle meine exotischen Pflanzen sind äußerst selten und wertvoll. Hier sind, wie schon gesagt, die Bedingungen ideal, deswegen kann ich Ihnen auch verhältnismäßig viel Geld anbieten Bitte achten sie jedoch darauf, dass Sie die Pflanze auf dem Dachboden immer besonders behandeln und zweimal am Tag gießen. Und versuchen Sie nie, die Klappe zu öffnen, das würde alles kaputt machen. Entschuldigen Sie das Schloss, aber ich hielt es für sicherer, da ich nicht weiß, ob hier vielleicht Fremde ihr Unwesen treiben.«
»Nein, hier ist noch nie eingebrochen worden. Seit ich hier lebe ist so etwas noch nie vorgekommen.« Werner kramte einen Zettel aus seiner Hosentasche, hielt ihn vor seine Nase und begann, einen Namen zu stottern: »Herr Esgemdan.«
Der junge Mann nickte freundlich.
»Ich vertraue Ihnen voll und ganz. Bei Ihnen sind meine Pflanzen bestimmt gut aufgehoben. Den Plan, wann Sie welche Pflanze gießen müssen, haben Sie ja bekommen. Wenn Sie sich genau an meine Anweisungen halten, kann eigentlich gar nichts schiefgehen.« Der Lange streckte Werner Meurers die Hand hin und der Rentner schüttelte sie kräftig.
»Ich bin für fünf Tage auf Geschäftsreise, danach hole ich die Pflanzen wieder ab, vielen Dank noch mal für Ihre Hilfe.«
»Ich habe zu danken«, strahlte Werner den Bartträger an und sah zu wie er durch das Gartentor verschwand.
Wieder kramte er in seiner Hosentasche und holte einen gelben Zettel hervor.
»So, dann machen wir uns doch gleich mal an die Arbeit.«
Laube, Tag 2, Dachboden
Karsten Altgott fror. Er saß nackt auf einem Stuhl, der mit dicken Bolzen am Boden befestigt war. Stricke und Klebebänder machten ihm fast jede Bewegung unmöglich, lediglich den Kopf konnte er ein wenig zur Seite drehen. Voller Panik bemerkte er, dass sogar sein Mund zugeklebt war. Nur eine kleine Öffnung war frei geblieben. Mit der Zunge ertastete er etwas wie einen dünnen Schlauch, aus dem ihm ständig Flüssigkeit in den Mund tropfte.
Verdammt noch mal!, dachte er. Was ist passiert? Wie bin ich hierher gekommen und wo zum Teufel bin ich überhaupt? Verzweifelt versuchte er sich zu erinnern, aber alles was ihm einfiel, war, wie er nach einem stressigen Arbeitstag in sein Auto gestiegen war und sich auf eine Dusche, ein kaltes Bier und sein Sofa gefreut hatte. Danach … Filmriss!
Er hatte nicht einmal eine Ahnung, wie lange er schon hier saß. Nach den Schmerzen in seinen Muskeln und Gelenken zu schließen musste es aber schon ziemlich lange sein.
Soweit es ihm möglich war, drehte er den Kopf, um einen Blick auf seine Umgebung zu werfen. Zunächst sah er ein Dachfenster und einen, zumindest innerhalb seines Blickwinkels, leeren Raum.
Damit war die Bestandsaufnahme auch schon abgeschlossen und erst jetzt fiel ihm auf, dass sein Hintern schmerzte. Es kam ihm vor, als würde er eine Hämorrhoidenverödung beim Gastroenterologen vornehmen lassen. Eine Erfahrung, die er zu seinem Leidwesen, bereits einmal hinter sich gebracht hatte und die er keinesfalls wiederholen wollte. Da war irgendetwas in seinem After. Es drückte und pochte unaufhörlich, aber er konnte sich keine Vorstellung davon machen, was dieses Gefühl verursachte.
Laube, Tag 2, unten
Werner goss, wie es ihm der Zettel vorgab. Als Letztes schüttete er Wasser in das Schälchen und beobachtete, wie es augenblicklich auf den Dachboden gepumpt wurde. Die Pumpe surrte, bis das ganze Wasser durch den Schlauch seinen Weg nach oben gefunden hatte. Dann stellte der Motor sich von selbst ab.
Interessant, dachte Werner. Er hoffte darauf, die Pflanze auf dem Dachboden sehen zu können, wenn der junge Mann von seiner Geschäftsreise wiederkam. Zufrieden schloss er die Laube ab und ging hinüber ins Haus.
Laube, Tag 3, Dachboden
Schmerzen! Unerträgliche grelle Schmerzen! Karsten Altgott schrie. Doch seine Schreie blieben stumm. Das Klebeband über seinem Mund hinderte ihn daran, seine Qual laut herauszubrüllen. Vor einigen Stunden hatte er noch überlegt, wie er überhaupt hier her gekommen war, aber diese wahnsinnigen Schmerzen machten jeden klaren Gedanken zunichte. Etwas bahnte sich einen Weg durch seinen Darm. Tränen schossen ihm in die Augen. Verzweifelt versuchte er, wenigstens einen Teil seiner Fesseln zu lösen oder zumindest etwas zu lockern, umsonst. Wut überkam ihn. Auch der Schlauch in seinem Mund machte ihn verrückt, zumal der Nachschub an Flüssigkeit deutlich geringer geworden war. Schon jetzt spürte Karsten ein immer stärker werdendes Hunger- und Durstgefühl.
Viel kommt da auch nicht mehr, dachte er kurz. Dann kam der nächste Schmerzschub und ihm quollen beinahe die Augen aus dem Kopf. Noch wünschte er sich zwar nicht den Tod, aber zumindest eine gnädige Ohnmacht, doch beides ließ noch auf sich warten.
Werner schlief schlecht.
Auch der Morgen machte alles nicht besser. Beim Einkaufen traf er die üblichen Verdächtigen. Rentner, die dazu verdammt schienen, sich an jedem Tag ihres restlichen Lebens irgendwo zu treffen und sich gegenseitig ihr Leid zu klagen. Darüber hinaus wurde über dieses und jenen gelästert bis keiner mehr etwas zu sagen hatte und sich jeder auf den Heimweg machte.
Diese Eintönigkeit macht mir manchmal schwer zu schaffen, dachte Werner, wohl wissend, dass heute Abend seine Tochter zu Besuch kommen würde, was auch das Einzige war, was diesen Tag noch retten konnte.
Laube, Tag 3, unten (17:00 Uhr)
»Hier ist die Sammlung. Schau mal hier, Jenny.«
Werner hatte seine achtundzwanzigjährige Tochter mit in die Laube genommen und präsentierte ihr die exotischen Pflanzen. Er goss Wasser in das Schälchen und die Pumpe begann augenblicklich ihre Arbeit.
»Was soll denn der Blödsinn?« Jenny war pragmatisch. Sie mochte keine Umwege.
»Das ist doch totaler Müll. Wieso stellt der Typ, von dem du mir erzählt hast, die Pflanze denn nicht hier unten hin?«
»Na, vielleicht braucht sie ganz spezielle Bedingungen«, antwortete Werner. »Zumindest darf sie auf keinen Fall Zugluft bekommen, wurde mir gesagt.«
»Mumpitz!« Jenny begann, an dem Schloss zu rütteln.
Laube Tag 3, Dachboden
Karsten musste kurz eingeschlafen sein oder war er doch schon ohnmächtig geworden?
Plötzlich hörte er ein Geräusch. Etwas rappelte unter ihm.
Er nahm alle Kraft, die ihm noch geblieben war, zusammen, drückte verzweifelt mit der Zunge gegen diesen widerlichen Schlauch und schaffte es tatsächlich, ihn herauszuschieben, so dass eine kleine Öffnung im Klebeband entstand. Wie wild begann er zu schreien, getrieben von Wut, Schmerz und Verzweiflung.
Laube Tag 3, unten (17:01 Uhr)
»Was soll denn das?«, fragte Jenny.
»Was meinst du?«
»Na, das Schloss da.«
Werner zuckte mit den Schultern.
»Der Mann hat gesagt, dass ich die Luke auf keinen Fall öffnen darf und ich würde das auch nie tun. Fünfhundert Euro… Wenn die Pflanze kaputt ginge, würde er das vielleicht alles wieder zurück haben wollen. Ich nehme an, er wollte nur sicher gehen.«
»Was für ein…« begann Jenny und hielt plötzlich inne.
»Komisch«, flüsterte sie, »ich hätte schwören können, da oben irgendetwas gehört zu haben.«
»Jetzt komm aber, ich will hier nicht die Nacht verbringen.«
Werner ging hinaus und mit einem auffordernden Nicken bedeutet er Jenny, es ihm gleich zu tun. Sie ging einen Schritt in Richtung ihres Vaters, dann blickte sie noch einmal zurück auf die Luke. Sie zögerte.
»Das ist irgendwie gruselig. Am besten rufst du die Polizei an.«
Werner schaute seine Tochter entgeistert an, so als hätte sie ihm erzählt, dass der Mond gerade vom Himmel gefallen wäre.
»Was soll ich denn deiner Meinung nach der Polizei sagen? Hallo, hier sind gemeine Pflanzen, die mich um den Verstand bringen? Ich wusste nicht, dass du deinen Alten unbedingt in der Psychiatrie besuchen willst.«
Jenny lachte.
»Okay, vielleicht hast du ja Recht. Aber du musst zugeben, dass das hier schon eine sehr seltsame Konstruktion ist.«
»Nun komm!« Werner ließ Jenny an sich vorbei ins Haus gehen und schloss die Laubentür, nicht ohne nachdenklich geworden zu sein.
Laube Tag 4, Dachboden
Karsten Altgott wachte wieder auf, weil der Schmerz so unerträglich war. Dann fiel er in Ohnmacht, nur um kurze Zeit später durch die Nadelstiche in seinem Unterleib wieder wach zu werden. Dieses Prozedere wiederholte sich andauernd. Sein Mund wurde immer trockener, da der Schlauch nicht mehr da war. Plötzlich: Ein Messerstich in seinen Eingeweiden. Karsten wurde mit einem Mal übel. Er musste sich übergeben. Ein wenig von seinem Erbrochenen quoll durch das kleine Loch, das durch den abgerissenen Schlauch entstanden war. Der Rest verstopfte ihm den Mund, so dass ihm das Zeug aus der Nase trat. Er rang nach Luft, atmete jedoch nur seine eigene Kotze immer wieder ein. Sein Todeskampf dauerte nur wenige Minuten. Karsten Altgott war erstickt.
Die volle Gießkanne in der Hand betrat Werner Meurers wieder die Laube. Es war der sechste Tag, nachdem er den großen jungen Mann zum ersten Mal gesehen hatte. Die Pflanzen gediehen prächtig. Auch der Motor funktionierte weiterhin einwandfrei, doch es hatte sich ein übler Gestank in dem kleinen Haus ausgebreitet, der kaum noch zu ertragen war.
Nur noch mit Widerwillen betrat der Rentner seine zum Gewächshaus umfunktionierte Laube. Er musste an die Worte seiner Tochter denken: »Das ist gruselig.«
Der Geruch kam eindeutig vom Dachboden. Die Neugierde und das Verlangen nach einer Lösung dieses Problems ließen dem Rentner keine Ruhe.
Kurz entschlossen schnitt er das Klebeband durch, welches das Loch in der Türklappe verschloss und durch das der Wasserschlauch nach oben führte. Ein süßlich fauliger Geruch, vermischt mit etwas, das wie Erbrochenes roch, stieg Werner in die Nase. Angewidert schnappte er nach Luft.
Noch konnte er wenig erkennen, weil grelles Licht durch das Loch schien.
»Verdammt!«, schimpfte er.
Er ging zurück ins Haus und kam, bewaffnet mit einem Bolzenschneider, wieder zurück. Damit durchtrennte er das Schloss, griff in das Loch und zog die Leiter zu sich auf den Boden. Der Gestank wurde so bestialisch, dass Werner nicht einmal bis auf die erste Sprosse der Leiter kam.
Wieder ging er ins Haus und kam kurze Zeit später mit einer Wäscheklammer auf der Nase zurück.
Hoffentlich kommt jetzt keiner, dachte er.
Werner Meurers erklomm die ersten zwei Sprossen und hielt den Atem an. Er sah Füße, Beine, da saß jemand auf einem Stuhl. Unter dieser Person wuchs eine Pflanze scheinbar in das Holz des Sitzes hinein. Die Pflanze wurde durch den Schlauch, der unten am Motor befestigt war, mit Wasser versorgt.
Werner hielt den Atem an und ging noch eine Sprosse höher, bis er seinen Kopf komplett durch die Luke stecken konnte.
Sein Herz setzte aus. Er konnte unmöglich glauben, was er da sah. Zu bizarr war die Vorstellung, dass dies hier Wirklichkeit sein sollte. Ein Mann, komplett mit Stricken umwickelt und auf einem Stuhl gefesselt, schaute mit weit aufgerissenen Augen ins Nichts. Sein Blick spiegelte das ganze Entsetzen dessen wider, was er in den letzten Tagen hatte durchmachen müssen. Aus einem kleinen Loch in seinem zugeklebten Mund und aus seiner Nase quoll getrocknetes Erbrochenes.
Doch dann kam der eigentliche Wahnsinn. Durch das Klebeband um seinen Bauch stachen kleine, wie Zahnstocher aussehende, Hölzchen. Werner wurde schwindelig als er begriff, was er da sah. Die Pflanze, die er getränkt hatte, war in den Mann eingedrungen und hatte ihn von innen aufgespießt. Die Verästelungen begannen nun damit, sich ihren Weg aus dem Körper zu bahnen.
Die Luft blieb dem Rentner nun völlig weg. Er taumelte. Der Schock hatte ihm übel zugesetzt. Sein Herz begann zu flattern. Alles drehte sich und eine bedrohliche Schwärze umgab ihn, hüllte ihn ein. Er verlor den Halt und fiel die Leiter hinab.
Noch ein kurzes Zucken, dann starb er …