Читать книгу Hoffnung, Wunder und Liebe: 7 Arztromane - Thomas West - Страница 33
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„Guten Morgen, Herr Nideggen!“ Freundlich, wie immer begrüßte ihn seine Sekretärin.
Charmant erwiderte Stefan Nideggen ihren Gruß. Anerkennend glitt sein Blick über ihr rotes Minikleid.
„Oha, ein neues Kleid, Frau Sachs? Steht Ihnen hervorragend.“
„Danke“, zirpte sie mit einem Augenaufschlag und machte sogar die Andeutung eines Knicks. „Soll ich Kaffee kochen?“
„Ich bitte darum, Frau Sachs.“ Stefan Nideggen ging auf sein Büro zu. „Ist die Zeitung schon da?“
„Liegt bereits auf Ihrem Schreibtisch“, flötete sie aus dem Vorzimmer.
„Na, ist ja wieder ein vorzüglicher Service hier, danke!“, erwiderte er, bevor er die Tür schloss.
„Verdammt, die Frau hat ihre Reize“, murmelte er, während er den Mantel in den Schrank hängte. Aber an Edith kam sie nicht heran, auch wenn sie zehn Jahre jünger war.
Edith – sie hatte sich bis heute morgen noch nicht gemeldet. Kein Anruf, kein Telegramm, kein Fax – nichts. Er ließ sich in seinen Schreibtischsessel fallen. Seine Stimmung schwankte zwischen Ärger und wachsender Unruhe.
Warum hatte sie sich nicht gemeldet? Ob irgendetwas passiert war? Quatsch! Was sollte schon passiert sein. Ob Söhnker sie unter Druck gesetzt, vielleicht sogar ein Ultimatum gestellt hat? Nein! Das würde Edith sich nicht bieten lassen. Außerdem findet man immer einen Augenblick Zeit, um unbeobachtet telefonieren zu können.
Er, Nideggen, hatte unzählige Male versucht anzurufen. Vergeblich natürlich, also waren sie nicht nach Köln zurückgekehrt. Einmal hätte er fast im Theater angerufen. Aber dort hätte er allenfalls Söhnker erreicht, und was sollte er mit dem sprechen? Falls Edith sich nicht im Laufe des Vormittags meldete, würde er es dennoch wagen und im Mannheimer Nationaltheater anrufen. Sei’s drum!
Er griff nach der Zeitung, überflog kurz die Schlagzeilen und arbeitete sich durch die Politik rasch zum Wirtschaftsteil durch. Den las er sehr aufmerksam. Zwischendurch brachte die Sekretärin den Kaffee. Stefan Nideggen zündete sich seine Morgenzigarette an.
Sein übliches Morgenritual – Wirtschaftsteil der Tageszeitung, Kaffee und zwei Zigaretten – dauerte niemals länger als eine halbe Stunde. Bis zehn Uhr waren meistens einige Briefe zu diktieren, dann war es Zeit für die ersten Termine.
Es war nach neun Uhr, als Stefan Nideggen sich anschickte, die Zeitung zusammenzufalten. Zuvor überflog er noch die restlichen Seiten. Im Kulturteil entdeckte er dann die Nachricht, die ihn buchstäblich aus seinem Sessel riss:
Theaterregisseur Felix Söhnker bei Verkehrsunfall schwer verletzt
Atemlos las er den kleinen Artikel: Auf dem Weg zur Premiere ... Mannheimer Staatstheater ... Ensemble erschüttert ... Aquaplaning ... seine Frau, Edith Söhnker, steuerte den Wagen ... ebenfalls schwer verletzt ... außer Lebensgefahr ...
Ohne die Zeitung loszulassen, sank Nideggen zurück in den Sessel.
„Das gibt’s doch nicht“, stöhnte er. Er ließ den Kopf zurück auf die Sessellehne fallen und schloss die Augen. „Das gibt es einfach nicht!“
Wieder nahm er die Zeitung auf, wieder las er die Nachricht, wieder und wieder. Zwischendurch stand er auf, lief wie ein gehetztes Tier vom Schreibtisch zum Fenster und zurück zum Schreibtisch, um erneut nach der Zeitung zu greifen, um sich erneut die Bestätigung zu holen, dass er sich doch nicht geirrt hatte.
„Edith hat einen Unfall gehabt, einen Unfall. So ein Mist, warum muss so ein Mist passieren?“
Irgendwann ließ er sich wieder in den Sessel sinken und zündete sich eine Zigarette an.
„O.k. Nideggen, Edith hat einen Unfall gehabt. Das ist nicht schön, aber so etwas passiert.“
Er zwang sich zu einem kühlen Kopf und sah auf die Uhr. In einer halben Stunde musste er eine wichtige Verhandlung mit den Leuten aus Fernost führen. Und die musste unbedingt zu einem weiteren Abschluss führen.
„Unbedingt“, flüsterte er und stieß den Rauch aus den Lungen. „Du bleibst jetzt vollkommen cool, Nideggen“, wieder sprach er mit sich selbst, „nach der Verhandlung wirst du herausfinden, in welcher Klinik sie liegt.“
Wieder griff er zur Zeitung, um den Artikel noch einmal zu lesen. Aufmerksam betrachtete er jetzt zum ersten Mal das Bild Söhnkers. Es war ein Schwarz-Weiß-Porträt. Ein Mann mit hellen, langen Haaren und weichen Gesichtszügen lächelte ihm entgegen.
„Genau wie ich ihn mir vorgestellt habe“, murmelte Nideggen, „ein Softy, nichts für Edith.“
Er nahm den Telefonhörer. „Frau Sachs, ich habe einen Spezialauftrag für Sie.“
„Ja-a?“, hauchte sie erwartungsvoll.
„Suchen Sie mir bis zum Ende der Sitzung die Telefonnummern und Adressen sämtlicher Kliniken zwischen Bonn und Koblenz mit einer chirurgischen Abteilung heraus.“