Читать книгу Christus - der Weg, die Wahrheit und das Leben - Till Arend Mohr - Страница 12

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Die fundamentale Bedeutung der himmlischen Boten Gottes für das Ergehen des Wortes Gottes an die Propheten oder Gottesmänner und damit für den Offenbarungsempfang erhellt schon daraus, wie häufig im Alten Testament in diesem Zusammenhang von einem Geist (Gottes) die Rede ist.[1] Hinzu kommen die vielen Stellen in der Bibel, wo Geister Gottes mit dem speziellen Auftrag, als Boten (Engel) dem Menschen eine Botschaft zu überbringen, erwähnt werden.[2]

Da die Engel geistige, himmlische Wesen im Dienste Gottes, das heißt also Geister Gottes sind, darum eben kann die Bibel sowohl von einem Geiste Gottes als auch von einem Engel Gottes sprechen. Der Ausdruck ‚Geist‘ bezeichnet stärker das Wesen, der Ausdruck ‚Engel‘ stärker die spezielle Aufgabe eines solchen Geistes.[3] So kann zum Beispiel Lukas in Apg 10,3.7.22 von einem Engel sprechen, während er in V. 19 den Ausdruck ‚Geist‘ für ebendiesen Gottesboten verwendet. In Apostelgeschichte 23,9 gebraucht er beide Bezeichnungen, ‚Geist‘ und ‚Engel‘, in einem Satz. Die Menschen in der Bibel, von denen berichtet wird, dass Engel Gottes mit ihnen verkehrten, pflegten also die Verbindung mit Geistern!

Allerdings ist es nötig, dass wir den Begriff ‚Geist‘, der bei uns häufig einen so negativen Beigeschmack hat, weil es eben auch niedere Geister der Lüge, Geister der Finsternis, Totengeister gibt, von diesem üblen Beigeschmack befreien und ihm im Blick auf die Engel Gottes wieder die hohe, reine, heilige Würde zurückgeben, die diesen strahlenden Lichtwesen im Reiche Gottes zukommt. Sind sie es doch, die uns – unter anderen Segensgaben – Gottes Wort überbringen, die die entscheidenden Mittler der Offenbarung sind, die uns die erlösende, befreiende, froh machende Wahrheit verkünden! „Sind sie nicht alle dienstbare Geister, zum Dienst ausgesandt um derer willen, die das Heil ererben sollen?“ (Heb. 1,14)

Die Bibel beschreibt nicht nur höchst eindrücklich die Wirkung einer solchen Begegnung mit den Gottesboten auf den Offenbarungsempfänger[4], sie beschreibt auch ihr Aussehen[5], ja sie lässt uns sogar – wie wir sahen – in der visionären Schau der Propheten einen Blick in jene höheren Welten des Reiches Gottes werfen, aus denen heraus die Gottesboten sich zu uns Menschen auf den (geistigen) Weg machen, um uns Gottes Wort zu bringen. Wen wundert es, dass sich die Urgemeinde – zunächst und unter Anleitung der noch lebenden Apostel – mit Eifer um die Verbindung mit der heiligen Geisterwelt Gottes bemühte? (1 Kor 14,12)

Johannes beschreibt am Anfang seiner Offenbarung den Weg des göttlichen Wortes mit klassischer Einfachheit: „Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in Bälde geschehen soll. Und er hat es durch Sendung seines Engels seinem Knecht Johannes kundgetan …“ (Offb 1,1)[6] Gott ist der letzte Ursprung aller Offenbarung. Von ihm geht der Weg über Christus, das Wort Gottes in Person (Offb 19,13).Und Christus als Herr der Heerscharen des Himmels sendet seine Engel, um uns Menschen Gottes Wort zu überbringen, wie Meister Eckart aus eigener Erfahrung wusste und bezeugte: „Wenn Gott seinen Engel zur Seele sendet, so wird sie wahrhaft erkennend.“ Das muss für die wahre Kirche Christi, die es aufzubauen gilt, selbstverständlich werden! Denn – wie Karl Barth sagt: „... eine engellose Frömmigkeit und Theologie wird sich im Grunde immer als eine gottlose Theologie erweisen.“[7] Und – fragt uns Jakob Böhme: „Meint Ihr, dass der Heilige Geist an Eure Schulen gebunden sei? Sprach doch Christus unser Geliebter: mein Vater will den Heiligen Geist geben allen, die ihn darum bitten …“[8] Und – wie der große Straßburger Prediger und Mystiker Johann Tauler auf seinem Weg der Reinigung, Erleuchtung und Einung mit Gott[9] bekundet – „so der heilige Geist kommt, der wird euch dann in Wahrheit alle Dinge lehren, und auch zukünftige Dinge … alle Dinge …, die uns zu einem vollkommenen Leben nothdürftig sind, und zu einer Erkenntnis der verborgenen Wahrheit Gottes, und Schalkheit [Knechtschaft] der Natur, der Untreue der Welt und die Listigkeit der bösen Geister.“[10]

2.8 Die Bibel

Auf die Frage, ob Christus zu uns heute nur noch durch die Bibel spricht, muss also eine klare Antwort gegeben werden. Wir erhalten sie, wenn wir z. B. das Verhältnis Christi zu seiner Gemeinde betrachten, welches im Neuen Testament wiederholt mit dem Bild vom Bräutigam und seiner Braut verglichen wird.[11] Was wäre das aber für eine Ehe, wenn der Bräutigam zu seiner Braut am Hochzeitstag sagte: „So, jetzt habe ich dir alles gesagt, was du wissen musst über mich und unser Verhältnis. Das langt für alle Zukunft. Schreib dir alles schön auf und lies es immer wieder gut durch; aber reden werden wir nicht mehr miteinander! Ich ziehe mich jetzt zurück. Mach’s gut! Was auch immer für Fragen oder Probleme kommen sollten – du hast ja das Buch!“ Wird eine solche Ehe wohl gut gehen? Christus will mit uns sprechen! Liebende haben einander doch so viel und Wunderbares zu sagen! Sie sprechen nicht erst miteinander, wenn es harte Probleme gibt. Daher ist es schlimm für sie, nicht miteinander reden zu können.[12] Um sich wieder zu sehen und einander alles sagen zu können, bringen sie die größten Opfer! Christus will uns in großer Liebe all die herrlichen Schätze der Wahrheit auftun. Denn so wahr er lebt, sollen auch wir wahrhaft leben und reiche Fülle haben! Wir dürfen nicht nur, wir sollen Christi Wort vernehmen, das er heute zu uns zu sagen hat durch den Geist der Wahrheit! Denn darauf weist ja auch in aller Deutlichkeit die Bibel selbst hin.[13] Wie sagte doch Luther? „Es kann niemand Gott oder Gottes Wort recht verstehen, er habe es denn unmittelbar von dem Heiligen Geist; niemand kann’s aber von dem Heiligen Geist haben, wenn er es nicht erfährt, versucht und empfindet. In dieser Erfahrung lehrt der Heilige Geist als in seiner eigenen Schule; außerhalb dieser wird nichts gelehrt als nur auf Schein bedachtes Wort und Geschwätz.“[14]

Es ist längstens an der Zeit zu erkennen, dass die Beschränkung auf die Bibel allein eine einseitige Verengung und Verarmung des Christentums darstellt. Christen glauben nicht an ein Buch – und sei es die Bibel –, sondern an eine Person, den lebendigen Gott! Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig (2 Kor 3,6). So wie wir es an den Schriftgelehrten sehen, die sich auf den Buchstaben der heiligen Schriften beriefen, den sie wie die heutigen Fundamentalisten auslegten, wie es ihnen passte, und das lebendige Wort Gottes in Person, Jesus Christus, verwarfen, ja, kreuzigen und töten ließen! Die Jünger hingegen, die kaum lesen und schreiben konnten, sie glaubten an Jesus als den Messias. Sie waren für sein lebendiges, durch den Geist der Wahrheit offenbartes Wort offen. Und die einfachen Hirten in Bethlehem? Sie konnten nicht schreiben. Aber sie hörten auf die Worte des Engels! Sie fanden den Messias! Denn – um es mit Hölderlin auszudrücken: „Was ist die Weisheit eines Buches gegen die Weisheit eines Engels?“

Die Bibel bezeugt diesen lebendigen Gott, seine heiligen Boten, die Geister der Wahrheit, ihr machtvolles Wirken und Heilshandeln durch die Erzväter und Propheten an Israel und der ganzen Welt. Ohne ihr Wirken gäbe es das Gottesvolk gar nicht! Denn wenn Israel und Juda nicht auf Gottes Propheten hörten, gingen sie unter wie Israel 722 v. Chr. für immer und Juda, als es nicht auf Jeremia hörte und 587 v. Chr. in die babylonische Gefangenschaft geriet. So kann man wohl verstehen, weshalb sich Moses im Gespräch mit Josua nach dem Zeugnis der Bibel wünschte: „Bestünde doch das ganze Volk Jahwes aus Propheten, dass der Herr seinen Geist auf sie legte.“ (Nu 11,29) An Pfingsten wurde dafür der Grundstein gelegt. Die Bibel ist die Urkunde von Gottes lebendigem Wort und heilvollem Wirken.

Darum ist sie uns das kostbarste Buch, das leider oft genug mit Füßen getreten worden ist – nicht zuletzt von der modernen, dem Materialismus huldigenden Theologie, welche taub für Gottes Wort und blind für die gewaltigen Machttaten Gottes ist, welche als Legenden betrachtet nur allzu schnell unter den Teppich gewischt werden. Die Bibel weist von sich weg und bezeugt Christus, wie er selbst zu den Schriftgelehrten sagte: „Ihr erforscht die Schriften, weil ihr meint, in ihnen ewiges Leben zu haben; doch jene sind es, die von mir zeugen.“ (Joh 5,39)

Die Bibel bezeugt den Samen des Reiches Gottes, den Gott mit Christus in diese Erde gelegt hat. Christus ist auferstanden. Der Same ist aufgegangen. Nun will und wird er zu einem großen Baum werden. Die Bibel bezeugt das Feuer, das Christus auf Erden entzündete. Jetzt soll es brennen! Sie bezeugt den Geist, den Christus den Jüngern sandte. Fortan soll er nicht nur in den Aposteln, sondern in uns allen als in einem heiligen Tempel lebendig sein! Ja, er soll einmal alle Menschen erfassen, wie es Joel (2,28–30) prophezeit, dass Gottes Geist über alles Fleisch ausgegossen werde! Die Ausgießung des Heiligen Geistes an Pfingsten über die Jünger war also nur der Anfang der Erfüllung dieser Weissagung (Apg 2,17)! Denn Christus will, dass alle Völker in seine Jüngerschaft treten. So will er bei uns sein alle Tage, bis zur Vollendung dieser Welt, durch ebendiesen Geist der Wahrheit. So geht auch nach Friedrich Christoph Oetinger die Offenbarung nach Abschluss der Kanonbildung des Neuen Testamentes weiter.[15]

Wer aber den Geist der Wahrheit nicht zu sich sprechen lassen will, der schneidet Christus das Wort ab; der will von Gottes lebendigem Wort nichts wissen; der meidet die Wahrheit, auch wenn er noch so stark auf die Bibel pocht. Ihm ist es im Grunde viel lieber, wenn Menschen reden, auch wenn sie die Bibel noch so willkürlich auslegen. Wo aber die Menschen das Sagen haben, da hat sehr bald der Geist dieser Welt das Sagen. Da werden Gottes Gebote missachtet und dem Zeitgeist kniefällig gehuldigt.

Davon aber hängt das Leben der Kirchen ab, ob sie weiterhin die giftigen Abgase des Geistes dieser Welt einatmen oder ob sie die frische, reine Luft des Geistes Gottes in sich aufnehmen werden. Insbesondere darf die Christenheit nicht im Materialismus und Atheismus östlicher oder westlicher Prägung versinken; denn „der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt.“ (Mt 4,4) Darum betont Paulus: „Den Geist löscht nicht aus, Reden aus Eingebung verachtet nicht!“ (1 Thess 5,19 f.) So sagte Karl I. von England, nachdem er eine Schrift des großen Mystikers Jakob Böhme (1575–1624) gelesen hatte: „Gott sei gelobt, dass es noch Menschen gibt, die von Gott und seinem Worte ein lebendiges Zeugnis aus der Erfahrung zu geben wissen.“[16]

[1] Dies erkennt man gewöhnlich gar nicht, weil die entsprechenden Stellen notorisch falsch übersetzt werden, indem man von „dem Geist (Gottes)“ spricht, wo doch nur von einem Geist (Gottes) die Rede ist. Der bestimmte Artikel fehlt in einer Vielzahl von Fällen, wo das hebräische Wort ‚ruach‘ mit ‚Geist‘ übersetzt werden muss; so in 1 Mose 41,38; 2 Mose 31,3; 35,31; 4 Mose 24,2, 27,18; 5 Mose 34,9; Richt 3,10; 6,34; 11,29; 13,25; 14,6; 1 Sam 10,6.10; 16,13; 19,20; 2 Sam 23,2; 1 Kön 18,12; 2 Kön 2,16; 19,7; 1 Chr 12,18 (hebr. Bibel: V. 19); 2 Chr 15,1; 24,20; Jes 11,2; 29,10; 61,1; Ez 11,5; Dan 4,5 f.15; 5,11–14; Mi 3,8; usw. Auch wenn „Geist“ als Geist Gottes oder ähnlich näher bestimmt wird, erlaubt dieser Umstand doch nicht, ‚ruach‘ ohne Artikel im kirchlich-dogmatischen Sinn der 3. Person des Trinitätsdogmas mit „der Geist (Gottes)“ zu übersetzen. Hier tritt man mit einem Vorurteil an den Text heran, das der prophetischen Erfahrung und Vorstellung nicht gerecht wird, wie das Beispiel des Ezechiel lehrt, der bei ‚ruach‘ an ein einziges, geistiges Wesen denkt, an einen Engel Gottes! Daher ist bei ‚ruach‘ ohne Artikel – wenn sich dieser Geist einem einzelnen Menschen zuwendet – in aller Regel mit „ein Geist“ zu übersetzen, wenn nicht andere, zwingende Gründe vorliegen. Denn im Hebräischen gibt es keinen unbestimmten Artikel. Entsprechendes gilt auch für die Übersetzung des griechischen Wortes ‚pneuma‘, wo es im Neuen Testament mit „Geist“ übersetzt werden muss. Es ist dann, wenn der bestimmte Artikel fehlt und von „pneuma“ in dem Sinne die Rede ist, dass es sich einem einzelnen Menschen zuwendet, der zum Beispiel von diesem „Geist“ erfüllt wird, in der Regel von einem Geist die Rede, nicht von dem heiligen Geist im kirchlich-dogmatischen Sinn. Letzteres Verständnis ist der Bibel noch fremd.

- Dass an den oben genannten alttestamentlichen Stellen, wo ‚ruach‘ ohne Artikel begegnet, tatsächlich jeweils ein einzelner Geist (Gottes) gemeint ist, erhellt auch aus dem Vergleich mit den Stellen, wo von einem bösen Geist, einem Geist der Lüge, der Eifersucht, der Unzucht usw. gesprochen wird (vgl. 4 Mose 5,30; Richt 9,23; 1 Sam 16,14.16; 18,10; 19,9; 1 Kön 22,23; Jes 19,14; Hos 4,12; 5,4); denn an diesen Stellen übersetzt man ‚ruach‘ ohne Artikel selbstverständlich mit „ein Geist …“ Was uns hier recht ist, muss uns dort billig sein.

[2] Vgl. 1 Mose 16,7 ff.; 18,1 ff.; 21,17; 22,11 ff.; 28,12; 31,11; 2 Mose 3,2 ff.; Richt 2,1–5; 6,11 ff.; 13,3 ff.; 1 Kön 13,18; 19,5; 2 Kön 1,3.15; Ps 103,20; Dan 8,13; Sach 1,9 ff.; Tob 5,5 ff.; Mt 1,20; 2,13; 28,2 ff.; Lk 1,11 ff. und 26 ff.; 2,9 ff.; 22,43; Joh 1,51; 20,12 f.; Apg 5,19.f.; 8,26; 10,3 ff.; 12,7f.; 23,9; 27,23f.; Hebr 2,2; Offb 5,2 usw.

[3] Die Bezeichnung ‚Engel‘ stammt vom griechischen ‚angelos‘ (über lateinisch ‚angelus‘), was ‚Bote‘ bedeutet.

[4] Vgl. z. B. Jer 15,16; Hiob 4,12–16; Dan 8,15–18; 10,4–11; Apg 9,3–9; Offb 1,10–17.

[5]Vgl. z. B. Jes 6,2; Ez 8,2; Dan 10,5 f.; Sach 1,8; Mt 28,3; Lk 24,4; Offb 10,1; 19,14.

[6] Ähnlich heißt es am Ende des Buches: „… und der Herr, der Gott der Geister der Propheten, hat seinen Engel gesandt, seinen Knechten zu zeigen, was in Bälde geschehen soll.“ (Offb 22,6)

[7] Karl Barth, Kirchliche Dogmatik, Bd. III/3, S. 558.

[8] Jakob Böhme, Ausgewählte Schriften, S. 72.

[9] Michael Plattig: Kanon der spirituellen Literatur, S. 144.

[10] Johannes Taulers Predigten, S. 74.

[11] Vgl. Mt 9,15f.; 25,1.5f.10; Joh 3,29; Off 18,23.

[12] So klagt der Psalmist in Ps 77,8 f. wörtlich: „Wird der Herr auf ewig verstoßen und nie mehr gnädig sein? Hat seine Güte für immer ein Ende? Ist sein Wort verstummt für alle Zeit [wörtlich: „für Generation und Generation“]?“ Antwort: Das wäre eine Katastrophe! –

[13] Joh 14,16–18.26; 15,26; 16,7.13; 1 Kor 12,31; 14,12.26–31; Gal 1,11 f.; Eph 1,17; 6,17; 2 Tim 2,9; usw.

[14] Martin Luther, Das Magnifikat, S. 33.

[15] W. Nigg, Heimliche Weisheit, S. 384.

[16] Walter Nigg, Heimliche Weisheit. Mystisches Leben in der evangelischen Christenheit (Artemis-Vlg. Zürich und Stuttgart, 1959), S. 149.

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