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IV

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Rieder stapfte um das Boot herum. Die Schleifspuren am Kiel zeigten, dass es mit einiger Geschwindigkeit auf die Steine gefahren sein musste. Er klopfte an die Schiffswand. Es klang nicht wie Holz.

„Harzgetränkte Glasfaser“, meinte Thomas Förster vom Nationalpark. „Hoffentlich ist der Schiffsboden durch die Steine nicht aufgerissen worden. Dann säuft uns der Kahn ab, sobald wir ihn irgendwie auf See bekommen, und der ganze Diesel und noch mehr Öl plempern ins Wasser und versauen den Strand.“

Etwas abseits stand Dr. Preil mit einigen anderen frühen Strandgängern und stieß heftige Tiraden gegen die Bootsbesitzer aus. Dafür erntete er zustimmendes Nicken von den zumeist älteren Zuhörern. Früher sei doch alles viel besser und ruhiger gewesen. Da hätte auch die Polizei dafür gesorgt, dass hier keiner einfach am Strand anlege.

„Der nervt“, knurrte Rieder. Er hatte seine Hosen hochgekrempelt und wanderte im flachen Wasser um das gestrandete Schiff herum. „Ganz schön großes Schiff für einen Pfarrer“, bemerkte er.

Förster zuckte mit den Schultern. „Vielleicht hat er mit seinen Zeitungsartikeln nicht schlecht verdient. Warum soll er sich davon nicht ein Schiff kaufen. Der Kahn ist auch nicht mehr ganz taufrisch. Schätze frühe Sechzigerjahre.“

Rieder hörte nicht so richtig zu. Etwas an der Schiffswand auf der Steuerbordseite funkelte im Widerschein der Sonne und Wellen. Der Polizist trat näher heran. Es sah aus wie ein Metallplättchen. Aber Rieder kannte aus seiner Berliner Polizeivergangenheit diese Dinge ziemlich genau. Es war ein Projektil, das dort in der Schiffswand steckte. Vielleicht einen halben Meter daneben entdeckte er ein zweites. Sie mussten aus einiger Entfernung abgefeuert worden sein, wenn sie diese Kunststoffwände nicht durchschlagen hatten.

„Was ist?“, fragte Förster, der Rieder beobachtet hatte.

„Zwei Einschüsse.“

Rieder war noch einmal auf das Boot geklettert. Er durchstöberte die Kabine, die Kombüse, das Bad. Er schreckte zusammen, als erneut das nostalgische Telefonklingeln zu hören war. Unter einem Buch auf dem Tisch sah er das Leuchten des Displays. Zweiundzwanzig Anrufe. Der letzte war von Damp. Das sah er an der Nummer. Einer war von ihm selbst. Sechzehn Mal hatte sich die Mailbox gemeldet und vier Mal eine gewisse Birgit. Er wählte die Mailbox an. Nur eine Nachricht befand sich darauf. „Hier Birgit. Bist du schon losgegangen? Melde dich mal. Bis später.“

Die Stimme kannte Rieder von den Vorbereitungen der Preisverleihung. Sie gehörte Birgit Thurow, der Küsterin. Wahrscheinlich hatte Schneider das Fest verlassen, ohne sich von ihr zu verabschieden. Der Anruf führte also auch nicht wirklich weiter. Allerdings vermerkte er für sich die Zeit des Anrufs. Sonntag, 19.23 Uhr. Rieder stieg ins Führerhaus. Erst jetzt fiel ihm auf, dass neben dem Steuerrad der Zündschlüssel steckte. Er drehte den Schlüssel. Der Motor jaulte, aber sprang nicht an. Er schob die Tür auf und trat auf das Schiffsdeck. Sein Blick fiel auf einen feuchten roten Fleck auf den lackierten Planken. Er hockte sich hin. Rieder war sich sicher: Das war Blut. Da entdeckte er auch auf dem Rahmen des Fensters im Kabinendach dunkelrote Flecken. War auf Schneider geschossen worden und er verletzt oder vielleicht sogar tot ins Meer gestürzt? Wenn ja, wo war er oder vielmehr sein Leichnam abgeblieben?

Als er sich aufrichtete, sah er Damp den Strand entlangkommen. Rieder kletterte vom Boot.

„Also in der Kirche und im Pfarrhaus ist er auch nicht“, brachte Damp kurzatmig heraus, als er bei Rieder und Förster ankam. „Das habe ich schon überprüft. Mensch, ist das heiß.“

Rieder berichtete leise von den Einschüssen und den Blutspuren, damit die umstehenden Schaulustigen davon nichts mitbekamen. Förster und Damp rissen vor Schreck den Mund auf. Rieder versuchte, sie und sich selbst zu beruhigen. „Man muss nicht gleich das Schlimmste annehmen. Vielleicht ist er nur verletzt und hat bei jemandem auf der Insel Hilfe bekommen.“

Doch damit konnte er Förster und Damp offenbar nicht recht überzeugen.

„Er muss doch hier auf der Insel Bekannte oder Freunde haben. Wie lange ist er schon hier? Über zwanzig Jahre.“

Da schüttelte der Mann vom Nationalpark den Kopf. „Also ich bin auch schon eine ganze Weile hier. Aber der Schneider ist nicht so wohl gelitten.“

„Vielleicht ist er schon weiter draußen auf der Ostsee über Bord gegangen?“, warf Damp ein. Das könne man nicht von der Hand weisen, stimmte Rieder ihm zu.

„Dann kann es dauern, bis er wieder auftaucht“, bemerkte der Nationalparkmann trocken. „Bei dem ablandigen Wind landet er irgendwann in Dänemark.“

„Man könnte ein Suchflugzeug mit Wärmebildkamera einsetzen …“, schlug Rieder vor.

„Und wie lange soll das kreisen?“, meinte Damp skeptisch. „Die Ostsee ist doch nicht der Müggelsee.“

Rieder überhörte den kleinen Seitenhieb seines Kollegen. „Aber wir sollten Bökemüller anrufen.“ Der Stralsunder Polizeichef war auch extra zur Preisverleihung an Schneider nach Hiddensee gekommen. „Allerdings kann das Stress geben. Gestern wurde Schneider mit Tamtam ausgezeichnet, heute ist er verschwunden …“

„Da wird unser Chef nicht begeistert sein“, ergänzte Damp die Gedanken seines Kollegen. „Hoffentlich bleibt nicht was an uns hängen.“

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