Читать книгу Abwehr und Widerstand - Timo Storck - Страница 10
2.2 Abwehr in Freuds Modellen der Seele
ОглавлениеDer Gedanke einer psychischen Abwehr beschäftigt Freud über die Dauer seines gesamten Werks hinweg. In ersten psychoanalytischen Arbeiten taucht sie in Termini wie »Abwehrneuropsychosen« oder »Abwehrhysterie« auf. Sie spielt als eine Art psychisches Prinzip in seinem neuropsychologischen Modell der Assoziativität bzw. der »Bahnungen« im 1895 entstandenen Entwurf einer Psychologie eine Rolle: Darin nimmt Freud an, dass ein sog. initiales Befriedigungserlebnis neuropsychologisch betrachtet Bahnungen schafft, gleichsam Verbindungen zwischen psychischen Elementen, die in einer lustvollen, befriedigenden Erfahrung gegeben gewesen sind. Diese Bahnungen sind nun die Grundlage für das Streben nach Wiederholung dieser lustvollen Erfahrung und nach dem Wiederherstellen der Bedingungen dafür. Neue Wahrnehmungen erfahren, sofern sie genügend ähnlich sind, eine »Wunschanziehung« und geraten sozusagen auf die Bahn vorangegangener lustvoller Erlebnisse. Ein »Schmerzerlebnis« (verbunden mit Unlust), das auf einer solchen Bahnung liegt (auch hier taucht der Gedanke auf, dass lustvolle Strebungen zugleich Unlustvolles mit sich bringen können), führt zur Hemmung beziehungsweise zu »Seitenbesetzungen«: Eine neuropsychologische Bahnung wird gleichsam zur Seite abgelenkt, weil sie nicht nur mit Lust, sondern auch mit Unlust verbunden ist. Freud beschreibt hier neuropsychologisch den Gedanken einer Kompromissbildung: Abläufe werden gehemmt und umgelenkt, so dass sie weniger Unlust, aber noch genügend Lust mit sich bringen. Hier ist nicht nur das Konzept der Abwehr angelegt, sondern auch eine frühe Form des Ichs als hemmender psychischer Instanz beschrieben.
In der Folge, im sog. Affekt-Trauma-Modell bis etwa 1897 (vgl. Sandler et al., 1997) taucht die Abwehr vor allem als Trennung zwischen Vorstellung und Affekt auf, also als eine Art von Spaltung, mit dem impliziten Ziel, den einer Vorstellung zugehörigen Affekt nicht dort (sondern anderswo) zu erleben bzw. die Vorstellung nicht »erinnern« zu können. In der weiteren Entwicklung des Freud‘schen Werkes lassen sich zwei Phasen bzw. Einbettungen des Abwehrkonzepts in zwei Modellen des Psychischen unterscheiden (vgl. zur genaueren Differenzierung Ehlers, 2014, S. 15 ff.): das topische Modell (etwa 1897 bis 1923) und das strukturelle oder Instanzen-Modell (ab 1923).