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2.3.1 Widerstand als die Äußerung von Abwehrmechanismen in Behandlungen

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Auch das Konzept des Widerstands entwickelt Freud angesichts der Auseinandersetzung mit Phänomenen in klinischen Behandlungen: »[Der] Widerstand ist etwas völlig Neues, ein Phänomen, welches wir auf Grund unserer Voraussetzungen gefunden haben, ohne daß es in diesen enthalten gewesen wäre. Wir sind von diesem neuen Faktor in unserer Rechnung nicht gerade angenehm überrascht.« (Freud, 1916/17, S. 114) Das Auftreten von Widerstandphänomenen erschwert die Arbeit, es ist nicht damit getan, Analysandinnen eine Einsicht vor Augen zu führen, die dann umstandslos bloß intellektuell angenommen werden müsste. Man kann Analysandinnen nicht einfach sagen, was ihnen unbewusst ist, und dann wird es integriert und Veränderung wird möglich. Das Symptom hat eine angstreduzierende Funktion und die Funktionalität des Symptoms weist also auch darauf hin, dass man es nicht einfach »entfernen« kann. Jedes psychopathologische Symptom ist in gewisser Hinsicht gegenüber etwas anderem das »kleinere Übel«. Es ist zwar in der Regel mit Leidensdruck oder Einschränkungen verbunden, aber es ist zugleich immer die Vermeidung eines vermeintlich schlimmeren Zustands oder Gefühls.

Freud beschreibt die »Beobachtung«, dass beim Kranken »seine Assoziationen versagen, wenn sie sich dem Verdrängten annähern sollen. Wir sagen ihm dann, er stehe unter der Herrschaft eines Widerstandes, aber er weiß nichts davon und selbst, wenn er aus seinen Unlustgefühlen erraten sollte, daß jetzt ein Widerstand in ihm wirkt, so weiß er ihn nicht zu benennen und anzugeben.« (Freud, 1923b, S. 243 f.) Freud äußert sich auch in durchaus amüsanter Weise dazu, wie ein solches Konzept auf Außenstehende wirken könnte, nämlich als eine Art Alibi für lange Behandlungen oder schwer erreichbare Fortschritte: »Den Angehörigen des Kranken sagen wir am besten nichts davon [von der Annahme, dass ein Widerstand wirkt; TS], denn diese meinen nie etwas anderes, als es sei eine Ausrede von uns, um die lange Dauer oder den Mißerfolg unserer Behandlung zu entschuldigen.« (1916/17, S. 296) Und gleichzeitig ist damit auf eine Gefahr hingewiesen: Selbstverständlich dürfen stagnierende Behandlungen nicht ausschließlich auf einen Widerstand der Analysandin zurückgeführt werden, mit der Konsequenz, beharrlich so weiterzumachen wie bisher und darauf zu setzen, dass fortgesetzte Deutungen ihn irgendwann lockern werden. Vielmehr ist zu prüfen, mit welchen Bedingungen der Behandlung ein schwer oder gar nicht zu erreichender Fortschritt stattdessen zu tun haben könnte.

Freud kennzeichnet auch die Wurzeln der Entwicklung des Widerstandskonzeption aus der Untersuchung eigener Vorgänge, wenn er im Zusammenhang einer Diskussion des Verhältnisses zwischen Vbw und Ubw im systematischen Sinn und der Frage danach, was bewusst gemacht werden kann, formuliert: »Wenn wir es an uns selbst versuchen, erhalten wir das deutliche Gefühl einer Abwehr, die bewältigt werden muß, und wenn wir es bei einem Patienten hervorrufen, so erhalten wir die unzweideutigsten Anzeichen von dem, was wir Widerstand dagegen nennen.« (Freud, 1912g, S. 435 f.)

Bei Freud ist die Unterscheidung nicht ganz einheitlich, wie sich beispielsweise in den Bemerkungen zeigt, die Männer, die sich vor die Tür setzen, nachdem der Störenfried hinauskompromittiert worden ist, würden sich als »Widerstand« betätigen, also zugleich in einer Abwehrfunktion (sie werfen jemanden/etwas hinaus) als auch in einer Widerstandsfunktion (sie sorgen dafür, dass er/es nicht wieder hineinkommt). Durchweg stehen Widerstand und Verdrängung in engem Zusammenhang. Der Widerstand hält die Ergebnisse der Verdrängung aufrecht: »Aus der Würdigung der Widerstandsphänomene ergab sich einer der Grundpfeiler der psychoanalytischen Neurosenlehre, die Theorie der Verdrängung« (Freud, 1924, S. 411). Für Freud (1937c, S. 84) ist es die »entscheidende Tatsache […], daß die Abwehrmechanismen gegen einstige Gefahren in der Kur als Widerstände gegen die Heilung wiederkehren.« In dieser Bedeutung hat sich ein gewisser Konsens über die Bedeutung des Widerstandskonzepts ergeben. Als terminologische Unterscheidung zwischen Abwehr und Widerstand bietet es sich an, den Bemerkungen Seiffge-Krenkes (2017, S. 16) zu folgen: »Die Abwehr umfasst Prozesse, die gegen Schmerz, Gefahr, negative Affekte schützen und die Emotionen so herunterregulieren, dass sie durch das Individuum handhabbar werden. Der Widerstand dagegen verteidigt die Neurose, das Alte, das Infantile, das Vertraute gegen Aufdeckung und Veränderung«. Entsprechend werden beispielsweise im Lehrbuch von Zepf (2006b) die Abwehrprozesse in einem gesonderten Kapitel (als theoretische Konzepte) behandelt und der Widerstand als Teil der »Grundbegriffe der analytischen Therapie«. Sandler, Dare und Holder (1973, S. 66) meinen, Widerstand sei »mehr ein technischer als ein psychologischer Begriff«.

In diesem Sinn ergeben sich behandlungstechnische Definitionen, so bei Zepf (2006b, S. 368): »Als Widerstand wird all das bezeichnet, was sich im Patienten den Beeinflussungsversuchen des Arztes, die auf das Erinnern zielen, widersetzt.«, oder bei Laplanche und Pontalis (1967, S. 622): »Im Verlaufe der psychoanalytischen Behandlung nennt man all jenes ›Widerstand‹, was in den Handlungen und Worten des Analysierten sich dem Zugang zu seinem Unbewußten entgegenstellt.« Ermann (2014, S. 1079) meint, Psychoanalyse als ein »Eingriff in die seelische Homöostase« gefährde »die bisherige Anpassung an die Aufgaben der Lebensbewältigung« bzw. die »durch die Neurose erreichte relative Stabilität und Sicherheit«, so dass verständlich wird, dass es immer auch Motive gibt, die sich der Veränderung als ein Widerstand entgegenstellen. Betrachtet man Symptome wie vorgeschlagen dahingehend als kleineres Übel, dass sie ein instabiles oder dysfunktionales, aber eben doch ein Gleichgewicht herstellen, dann bedroht der analytische Prozess dieses Gleichgewicht. Warum auch sollte jemand auf sein Symptom verzichten, wenn es eine wichtige Funktion erfüllt? Es ist also nicht verwunderlich, wenn etwas an der therapeutischen Arbeit auch zurückgewiesen werden muss bzw. sich zumindest ambivalente Gefühle gegenüber der Veränderung einstellen.

Widerstand, so daher auch Greenson (1967, S. 49), »nennen wir all jene Kräfte im Patienten, die sich den Verfahren und Prozessen der psychoanalytischen Arbeit entgegenstellen. […] Der Widerstand verteidigt den Status quo der Neurose.« Er ist »seinem Wesen nach eine Gegenkraft im Patienten, die gegen den Fortschritt der Analyse […] wirkt« (a. a. O., S. 71) und die jeweiligen Widerstände sind »Wiederholungen aller Abwehrmaßnahmen, die der Patient bisher in seinem Leben benützt hat.« (a. a. O., S. 49), womit ein wichtiger indirekter Hinweis auf den möglichen Erkenntniswert des Widerstands gegeben ist: Er zeigt, wodurch die Abwehrorganisation bedroht ist und wie sie strukturiert ist. Er ist potenzielle Erkenntnisquelle, eine Art Abwehrdiagnostik. Dabei gibt es ferner »keine Aktivität, die sich nicht zum Zweck des Widerstands mißbrauchen ließe.« (a. a. O., S. 72) Weiter unten wird sich zeigen, dass der einzelnen Verhaltensweise, Äußerung oder Haltung nicht angesehen werden kann, dass es sich dabei um einen Widerstand handelt, dieser ist eher bestimmt über die Funktion oder den Kontext und erst dann lässt sich entscheiden, ob Schweigen oder übermäßiges, ausschweifendes Reden Widerstandscharakter hat, das Verspäten zu einer Behandlungsstunde oder die übergenaue Pünktlichkeit. Jedenfalls ist die »unmittelbare Ursache eines Widerstands […] immer die Vermeidung eines schmerzlichen Affekts, von Angst, Schuldgefühl oder Scham.« (a. a. O., S. 49)

Abwehr und Widerstand

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