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2.2 Psychoanalyse als Theorie psychischer Konflikte

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Die psychoanalytische Theorie des Psychischen gründet auf dem (unbewussten) Konflikt, es geht um die Konzeption eines innerpsychischen Kräftespiels aus Drängendem und Verdrängendem. Wir haben bereits angedeutet, dass sich dafür argumentieren lässt, dass im Triebkonzept der Psychoanalyse eine Theorie der allgemeinen Motivation beschrieben ist, es zeigt sich darin, wie sich physiologienahe Erregung in psychisches Erleben umsetzt (Storck, 2018a). Der Trieb steht am Anfang des Psychischen, liegt allem zugrunde, womit nun allerdings gerade nicht gemeint ist, dass jedes einzelne psychische Motiv triebhaft (sexuell, aggressiv) wäre, sondern vielmehr, dass unsere Leiblichkeit (in Interaktion mit anderen) es uns auferlegt, uns darauf psychisch einen Reim zu machen, also Repräsentanzen zu bilden. Für eine Theorie der speziellen Motivation muss hingegen auf den Konfliktbegriff zurückgegriffen werden.

Es lassen sich verschiedene Linien unterscheiden, mittels derer psychoanalytisch begründet werden kann, weshalb die menschliche Psyche grundlegend auf dem Konflikt aufbaut (Storck, 2018b). Eine erste dieser Linien hat damit zu tun, dass sich frühe Interaktionsprozesse zwischen Säugling/Kleinstkind und Erwachsenem auch derart vollziehen, dass es ein und dieselbe Interaktion sein kann, die beruhigend ist und zugleich stimulierend. Es zeigt sich potenziell Gegenläufiges, gerade in der Freud‘schen Terminologie, die zwischen Lust/Befriedigung (Absinken einer Reizintensität) und als unlustvoll erlebter Erregung (Steigerung der Reizintensität) unterscheidet und beide zu Gegenspielern macht. Hierauf gründet sich das Lustprinzip, das vollständig eigentlich Luststreben-Unlustvermeiden-Prinzip heißen müsste – was deutlich macht, dass beide Motive der Möglichkeit nach Gegenteiliges vorgeben können. Eine zweite Linie der Begründung allgemeiner menschlicher Konflikthaftigkeit liegt im Erfordernis verbindende und trennende Aspekte in Beziehungen in der Balance halten bzw. eine Ambivalenz aus »positiven« und »negativen« Affekten, Wünschen nach Nähe und solchen nach Abgrenzung psychisch tolerieren zu können. Die dritte Linie menschlicher Konflikthaftigkeit aus psychoanalytischer Perspektive, die damit in Verbindung steht, ist in der Theorie ödipaler Konflikte zu sehen. Kurz gesagt geht es darin bei Freud (z. B. 1916/17, S. 344 f.) darum, dass ein Kind sich (zärtliche) exklusive Nähe zu einem Elternteil wünscht und dabei darauf stößt, dass der Platz dort schon vom anderen Elternteil besetzt ist (bereits Freud beschreibt vier Varianten von Junge und Mädchen zu Vater und Mutter). Das mobilisiert Rivalitäts- und »Beseitigungs-«Wünsche. Konflikthaft ist dies nicht bloß deshalb, weil man hier »den Kürzeren« ziehen könnte, sondern schlicht deshalb, weil der »störende« Elternteil als Dritter nicht bloß aus dem Weg soll, sondern ebenso geliebt und als Figur in einem Geflecht von Beziehungen gebraucht wird, die Nähe und Abstand in Zweierbeziehungen zu moderieren hilft (vgl. a. Green, 2004; Barratt, 2019).

Seit Melanie Kleins Konzeption (z. B. Klein, 1928) kann gesagt werden, dass sich diese Entwicklungsaufgaben von Beginn des Lebens an stellen, bereits dort geht es um die Erfahrung, dass es in der Welt mehr als nur eine Beziehung gibt und sukzessive auch die Erfahrung, dass es passagere und relative Ausgeschlossenheit aus Beziehungen geben kann, der wir ausgesetzt sind. Anders ausgedrückt: Wir finden in der Welt auch andere Beziehungen als nur die, die andere zu uns haben, wir »merken«, dass diejenigen Personen, zu denen wir in Beziehung stehen, manchmal auch zueinander in Beziehung stehen. In seiner Grundstruktur bleibt der Ödipuskonflikt dann in zeitgenössischer Perspektive nicht begrenzt auf klassische Konzeptionen von Familie oder Geschlecht, sondern lässt sich auch auf die Elternschaft gleichgeschlechtlicher Partner oder alleinerziehende Elternteile beziehen. Zusammengefasst kann man sagen, dass sich ödipale Konflikte um Generationen- und Geschlechterunterschiede drehen und um die Auseinandersetzung damit, dass es Beziehungen zwischen mehr als zweien (bzw. andere als die zu einem selbst) gibt (Storck, 2018b).

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