Читать книгу Gaias Garten - Toby Hemenway - Страница 21
Ein reifer Garten
ОглавлениеWeil Landschaften eine unwiderstehliche Tendenz zum Reifen haben, warum springen wir dann nicht auf den Sukzessionszug auf und ziehen Nutzen aus dem Schwung der Natur? Die Bullock-Brüder taten dies und wir können es auch. Mit einem Stups hier und einer kleinen Korrektur dort können wir die Sukzession tatsächlich beschleunigen, indem wir die Natur dazu nutzen, einen Garten viel schneller reifen zu lassen, als es sonst der Fall wäre. Im ökologischen Garten schaffen wir sehr schnell gut entwickelte, produktive und üppige Landschaften, indem wir die bereits von der Natur angelegten Pfade beschreiten.
Tabelle 2-1 führt die Unterschiede zwischen unreifen und reifen Landschaften auf. Wir können dieses Verständnis nutzen, um reife Ökosysteme in unseren Gärten zu erschaffen. Reif bedeutet in diesem Fall keinen düsteren alten Wald mit geschlossenem Baumkronendach und wenigen Pflanzen darunter – Sie sollen ja nicht ein Jahrhundert oder länger warten –, sondern eine Landschaft, die das Pionier- und Jungbuschstadium hinter sich hat und ein junges bis mittelaltes Gehölz ist. Denken Sie an ein Waldgebiet mit sonnigen Lichtungen anstatt an einen dichten Wald. Diese reife Landschaft ist eine Mischung aus Bäumen, Büschen und kleineren Pflanzen, im Kontrast zu den unreifen Gruppierungen von Gräsern, einjährigen Gewächsen und vereinzelten Sträuchern, die typisch für die meisten Gärten sind.
Tabelle 2-1 zeigt einige wichtige Trends. Wenn eine Landschaft reift, sammelt sich organisches Material in Form von Pflanzen, Tieren und nährstoffreichem Boden an. Das zieht Kohlendioxid aus der Atmosphäre und vermindert potenziell den Treibhauseffekt. Weniger Nährstoffimporte von außen sind notwendig oder gehen verloren und die Kreisläufe und Muster werden komplexer. Um sich diese Entwicklung vorzustellen, vergleichen wir ein junges Ökosystem – einen typischen einjährigen Gemüse- oder Blumengarten, der alljährlich mit der Saat beginnt – mit einem ausgereiften Waldland.
Im Einjährigen-Garten liegt die Erde viele Monate im Jahr offen da. Das Klima ist rau und variiert deutlich, während die Sonne den Boden im Sommer backt und Frost-Tau-Zyklen die exponierte Erde im Winter anheben. Da die kurzen Pflanzen wenig Schutz bieten, fegt der Wind über die Erde und der Regen trommelt auf den Boden und wäscht die Nährstoffe aus. Noch mehr Fruchtbarkeit geht jedes Jahr durch das Gemüse verloren: es wird geerntet und die nackten Stängel werden im Herbst herausgerissen. Somit sind die Nährstoffkreisläufe offen, in geraden Linien – in den Garten hinein und wieder heraus – statt in geschlossenen Kreisläufen mit viel Recycling. Das bedeutet, dass die Fruchtbarkeit importiert werden muss, um all das zu ersetzen, was durch Auslaugung, Erosion und die fast vollständige Entfernung der Pflanzen verloren geht. Und wenn der Gärtner nicht eifrig kompostiert und mulcht, kann nur wenig Bodenleben die rauen, wechselhaften Bedingungen und das geringe Maß an organischem Material überleben.
Hier ist die Pflanzenvielfalt streng kontrolliert. Tatsächlich ist echte Vielfalt unerwünscht, denn sie wird als Unkräuter, Ungeziefer und raubende Vögel oder Nager definiert. In dieser Umgebung bedeutet das Geschick der Natur für Spontaneität oft Ärger statt Genuss und Verbesserung.
Dieser Garten ist ein einfacher Ort. Die Pflanzen treten in nur einer Schicht auf, etwa 30 cm bis einen Meter hoch. Die Flora ist in ordentlichen Reihen oder Gruppen angelegt, in sehr grundlegenden Mustern. Die Nahrungskette? Nur zwei Glieder: Pflanzen zu Menschen oder enttäuschenderweise Pflanzen zu Insekten oder Vögeln. Es gibt keine symbiotischen Beziehungen oder Partnerschaften, es sei denn, der Gärtner ist klug genug, sie durch Begleitpflanzungen oder mit insektenanlockenden Blumen zu bilden. Ein einjähriger Garten, in dem die Pflanzen jeden Herbst ausgerissen werden, ist aufgrund geringer Vielfalt und hoher Anfälligkeit für Unkräuter, Schädlinge und Krankheit instabil und schnell geschädigt.
Dieses eher trostlose Porträt eines Ortes zu malen, an dem Gärtner so viel Freude haben, hat mich deprimiert. Bevor ich mich mit der Untersuchung eines reifen Waldes aufmuntere, möchte ich erwähnen, dass der Grund dafür, dass diese Gärten überhaupt funktionieren und so viel Freude bereiten, die Arbeit ist, die Menschen in sie investieren. Einjährige Gärten brauchen unsere Bemühungen, weil wir all die fehlenden Kreisläufe und den Einsatz ersetzen und neu verbinden müssen, die von der Natur gewöhnlich von selbst zur Verfügung gestellt wird. Und häufig genießen wir die kreative Anstrengung und die therapeutische Arbeit, die in unseren Gärten geleistet wird. Aber wenn wir die Arbeit mit der Natur teilen und die in drei Milliarden Jahren Evolution gewonnene Weisheit in unsere Gärten einbringen, können wir all das haben, was der jährliche Garten bietet, und noch viel mehr.
Sehen Sie sich einen gut entwickelten Wald an und sehen Sie, welche Lektionen wir daraus für unsere eigenen Gärten ableiten können. Zunächst einmal ist die Erde mit einer Schicht Waldboden bedeckt und von vielen Schichten Pflanzen beschattet, die das ganze Jahr bleiben. Die Vegetation mildert die Stärke von Regen, Sonne und Wind ab und kreiert milde Mikroklimate, in denen Samen rasch aufgehen und das Leben sich behaglich einkuschelt. Die permanente Anwesenheit von Wurzeln und ein ständig entstehender Teppich aus Laubstreu bieten ein perfektes Zuhause für Würmer und andere Bodenlebewesen. Das üppige Bodenleben gewinnt Nährstoffe und führt sie erneut den Pflanzen zu, ehe sie weggewaschen werden können. Diese Nährstoffe werden kurz- und langfristig, in stets präsenten Baumstämmen, Kräutern, Flechten, Pilzen, Mulch, Humus und Bodenorganismen gespeichert. Der Wald bildet eine enorme Reserve organischer Substanz und Mineralien. Diese gesamte Biomasse agiert wie ein Sparkonto, wo die Werte des Waldes als Versicherung gegen Dürre, Schädlingsbefall oder andere stresserfüllte Zeiten aufbewahrt und wiederverwertet werden.
Ein Großteil des Waldes überdauert Jahreszeiten und Jahrzehnte. Jedes Jahr wird nur ein kleiner Teil der Biomasse ersetzt, d. h. nur ein paar Pflanzen und Tiere sterben. Stellen Sie sich vor, wie der größte Teil eines massiven Baumes von Jahr zu Jahr überlebt, während nur seine Blätter und einige wenige Wurzeln absterben. Kontinuität ist die Regel, anders als beim einjährigen Garten. Der größte Teil der Natur bleibt über die wechselnden Jahre hinweg erhalten.
Was jedes Jahr stirbt, wird innerhalb des Ökosystems mit geringem Verlust recycelt. Fast alle Produkte des Lebens, von den Baumstämmen und Rehknochen bis hinunter zu den Insektenflügeln und Bakterienzellen, können wiederverwendet werden. Die Natur baut auf und ab, löst auf und erneuert mit demselben Material immer und immer wieder, und hinterlässt keine Müll- und Giftdeponien. In der Natur gibt es nicht so etwas wie Abfall. Alles ist Nahrung für etwas anderes, in Leben und Tod mit vielen anderen Arten verbunden.
Der Wald enthält Hunderte von Pflanzenarten und Tausende Tier- und Mikrobenarten. Biologische Vielfalt ist im Waldland immens, weshalb sich ungezählte Beziehungen bilden können. In ineinandergreifenden Netzen verwoben, nutzen diese Kreaturen fast die gesamte verfügbare Nahrung sowie den gesamten Lebensraum im Wald und lassen nur wenige Nischen, falls überhaupt, für Eindringlinge offen. Diese hypereffiziente Nutzung von Ressourcen bedeutet auch, dass wohl keine einzige Art aus dem Gleichgewicht geraten kann. Was könnte ein neuer Schädling fressen, das nicht bereits von einer besser etablierten Kreatur gefressen wird? Und da sich diese Waldarten gemeinsam entwickelt haben, verfügt jede von ihnen über Abwehrmechanismen – zähe Wachsbeschichtungen, schlecht schmeckende Chemikalien –, um ihre Feinde abzuwehren. Eindringlinge können nur neue Öffnungen ausnutzen, beispielsweise wenn ein Baum umfällt und sich frische nackte Erde öffnet. Doch der Wald schließt sich dann rasch wieder und wird den Eindringling ersticken, es sei denn, die neue Art findet eine ungenutzte, enge Nische und damit ihren Frieden im Netz des Lebens.
Der Wald ist auch vielfältig an Mustern und Zyklen. Vom offenen Himmel bis zur Erde erstreckt sich die Vegetation in vielen Schichten: hohe Baumkronen, niedrige Bäume, Sträucher, hohe Kräuter, bodendeckende Rosetten und Kriechpflanzen und Ranken, die das gesamte Verbreitungsspektrum abdecken. Inmitten dieser vielgestaltigen natürlichen Umgebung gibt es Hunderte von Nischen für Insekten, Vögel und andere Kreaturen. Die Nahrungsnetze sind komplex, mit Pflanzen, Weidetieren, Raubtieren, Fleischfressern am obersten Ende der Nahrungskette und Zersetzern, die sich in einem abwechslungsreichen Tanz mit vielen Partnern befinden. Beziehungen unter den Arten sind ähnlich verwoben. Bäume unterhalten symbiotische Partnerschaften mit speziellen Pilzen und Bakterien, die Nährstoffe aus der Erde zur Wurzel befördern.
Pflanzen extrahieren Mineralien von tief in der Erde, damit andere sie nutzen können. Vögel und Säugetiere verbreiten Samen an neue Orte und verteilen unterwegs Fruchtbarkeit in Form von Dünger. Falls ein Faden dieses Netzes gekappt wird, sind Tausende anderer zur Stelle, um das Gewebe des Waldes intakt zu halten.
Ein Wald ist kein statischer, unveränderlicher Ort, sondern hat eine dynamische und widerstandsfähige Stabilität. Im Vergleich zu einem gebräuchlichen Garten gibt es wenig Platz für Ungeziefer, Krankheit, invasive Pflanzen und Aufruhr. Die Natur hat den Wald zu einem vereinten Teppich verwoben, anstatt einer Ansammlung unzusammenhängender Pflanzen und Tiere.
Wenn wir die Gegensätze zwischen dem Garten voller Einjähriger und dem reifen Wald im Kopf behalten, können wir unsere Gärten so arrangieren, dass sie lieber ausgereifte Ökosysteme nachbilden als junge. Wir brauchen auch nicht die ganze Arbeit tun. Wenn wir die Grundlagen legen, so wie in der Landschaft der Bullock-Brüder, schafft die Natur viele Verbindungen und füllt die Lücken.
Hier sind die Merkmale natürlicher Landschaften, die im ökologischen Garten am wichtigsten sind:
• Tiefe Erde, die reich an Nährstoffen und organischem Material ist
• Pflanzen, die Fruchtbarkeit tief aus der Erde, aus der Luft und aus Regenwasser holen
• Viele Vegetationsschichten, um abwechslungsreiche Nischen für andere Lebewesen zu schaffen
• Ein Schwerpunkt auf mehrjährigen Pflanzen
• Gegenseitig nützliche Beziehungen unter Pflanzen, Insekten, Vögeln, Mikroben, Säugetieren und allen anderen Bewohnern, einschließlich Menschen
• Vermehrt geschlossene Kreisläufe, d. h. mit der Zeit sollte der Garten weniger Versorgung von außen brauchen und das meiste an Dünger, Mulch, Samen, neuen Pflanzen usw. selbst produzieren. Im Garten geht außer bei der Ernte wenig durch Auswaschung und Erosion verloren – alles wird wiederverwertet.
Im Rest dieses Kapitels beschreibe ich kurz, wie man diese Einsichten aus der Ökologie im Garten anwendet. Der Rest des Buches geht dann noch stärker ins Detail.
Der Garten von Josh Robinson von Eden on Earth Landscaping in Flagstaff, Arizona. Der Garten kombiniert einjährige und mehrjährige Pflanzen und liefert mit nur einigen Stunden Arbeit im Monat eine enorme Lebensmittelernte. Er sammelt auch einen Großteil seines eigenen Wassers, wodurch die Gärtner fast gar kein städtisches Wasser brauchen. FOTO VON JOSH ROBINSON.