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16: Die Wiege des Heavy Metal

Zu den Auftritten in Henry’s Blues House kamen oft Talentscouts der Musikindustrie. Wir traten auch in London auf, weil sich Leute von Chrysalis zu einem Gig angekündigt hatten, zu dem leider kaum Besucher erschienen. Außerdem lief es musikalisch an dem Abend verdammt schlecht. Sie lehnten uns ab, was aber kein Weltuntergang für uns war. Man muss an seine Ideale glauben, weitermachen und bloß nichts ändern, nur um den anderen zu gefallen. Nur so kann ein neuer Stil entstehen. Musik zu kopieren ist der schnellste Weg raus aus dem Musikgeschäft. Man muss sein eigenes Ding finden und es unerbittlich durchziehen.

Tony Hall besuchte uns in Henry’s Blues House, mochte die Musik und wollte uns unter Vertrag nehmen. Er war ein bekannter DJ gewesen und führte nun Tony Hall Enterprises. Wir schlossen einen Deal mit der Firma, die daraufhin für uns einen Vertrag mit dem Fontana-Label unter Dach und Fach brachte. Ich bin mir sicher, dass sie sehr viel Geld mit dem Vertrag verdient haben. Hall ließ sich nur noch einmal blicken, und zwar bei einer Aufzeichnung von Top of the Pops. Seitdem bin ich ihm nie wieder begegnet.

David Platz ist ein weiterer Protagonist aus der Steinzeit von Black Sabbath. Er vermittelte uns zu Essex Music. Es war ein absoluter Scheißvertrag, doch waren solche Verträge damals die Regel. Ich bin mir sicher, dass auch er genügend Kohle damit gemacht hat. Wir besuchten ihn selten. Mich verwunderte allerdings dieser Schalter auf dem Tisch. Bei leichtem Druck öffnete sich eine Geheimtür hinter dem Schreibtisch. Platz zählt zu den Leuten, die lange im Business überlebt haben. Vermutlich hat ihn die Tür gerettet.

Mit einer anständigen Plattenfirma im Rücken war endlich die Zeit gekommen, ein Album aufzunehmen. Jeder Musiker erhielt 100 Pfund, für damalige Verhältnisse viel Geld, aber wir hätten es sogar umsonst gemacht, so sehr brannten wir darauf, unsere Musik auf einem Tonträger zu hören. Mit einer Platte konnte man viele Menschen erreichen. Im Herbst 1969 nahmen Black Sabbath einige Demos auf, darunter „The Rebel“ und „Song For Jim“. Norman Haines von Jims Band hatte „The Rebel“ geschrieben, und Jim wollte unbedingt, dass wir ihn aufnahmen. An „Song For Jim“ kann ich mich nicht mehr erinnern, jedenfalls war der Titel als Witz gemeint. Geplant war ein Treffen mit Gus Dudgeon in den Londoner Trident Studios, der sich damals schon seine Lorbeeren als Produzent verdient hatte. Wir begegneten ihm aber nicht persönlich. Auf jeden Fall lehnte er uns wegen des Demos ab.

Einige Tage später traten wir in Workington auf. Dort gab Ozzy dem britischen Publikum unseren neuen Namen bekannt – keine große Sache. Wir feierten nicht, sondern hießen ab dem Zeitpunkt einfach Black Sabbath. Die Band gab es schon seit 1968, der erste Gig unter diesem Namen fand jedoch am 30. August 1969 statt.

Bei dem Gig spielten wir „The Wizard“, „Black Sabbath“, „N.I.B.“ und „Warning“, also praktisch die Songs, die auf der ersten Scheibe landeten. Wir wollten keine fremden Stücke mehr in unserem Programm haben. Ein zwölftaktiger Blues inmitten von Eigenkompositionen klang merkwürdig und war nicht mehr zeitgemäß, weil sich unsere Musik viel zu krass davon unterschied. Allerdings nahmen wir bei einer Demo-Session „Evil Woman“ auf, eine Cover-Version des amerikanischen Hits von Crow, einer Band aus Minnesota. Jim Simpson brachte uns darauf, weil er der Meinung war, etwas Kommerzielles und Griffiges wäre wichtig für die Plattenbosse.

Zögerlich stimmten wir zu, da sich das Blatt sowieso zu unseren Gunsten wendete, als man uns bei den Aufnahmen die Gelegenheit gab, „The Wizard“ mitzuschneiden. Simpson versuchte mit dem Demo auch das Interesse des angesagten Disc-Jockeys John Peel zu wecken. Im November spielten Black Sabbath in seiner Show Top Gear die Stücke „Black Sabbath“, „N.I.B.“, „Behind The Wall Of Sleep“ und „Sleeping Village“. Endlich konnten uns die Leute überregional im Radio empfangen. Ganz langsam begann unsere Karriere anzurollen.

Black Sabbath entschieden sich nicht für Rodger Bain als Produzenten, er wurde für uns ausgesucht. Wir trafen ihn kurz vor den Aufnahmen. Er schien ein netter Kerl zu sein, und wir mochten ihn. Rodger war noch genau so grün hinter den Ohren wie die Band und arbeitete noch nicht so lange. Er muss in seinen frühen Zwanzigern gewesen sein und war wohl ein paar Jahre älter als wir. Als Produzent trug er die gesamte Verantwortung für die Aufnahmen. Er vermittelte uns ein beruhigendes Gefühl, gab aber keine großartigen Ratschläge. Bain schlug nur einige kleine Änderungen vor, da die Songs schon gut strukturiert und in sich stimmig waren.

Unser Roadie Luke karrte das Equipment am 16. Oktober 1969 in die Regent Studios, abseits der Tottenham Court Road, und stellte die Verstärker auf. Das Studio war nicht viel größer als ein kleines Wohnzimmer, und wir mussten auf engem Raum spielen. Trennwände schirmten uns von Bills Schlagzeug ab. Ozzy sang seine Parts in einer kleinen Kabine zeitgleich mit dem Rest der Band. Wir simulierten also quasi eine Live-Situation. Diese Erfahrung stellte den Höhepunkt unser bisherigen Karriere dar, und so agierten alle hoch konzentriert.

Ich hatte zuvor noch nie ein Studio von innen gesehen und wusste nichts über die Aufnahmetechnik. Keine Ahnung, wo man die Mikros am besten platziert! Wahrscheinlich hatten Rodger Bain und der Tontechniker Tom Allom mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, da sie mit einer unbekannten Band arbeiteten. Die beiden waren noch nie mit uns auf Tour gewesen und wussten nichts über die einzelnen Persönlichkeiten und den Sound. Plötzlich standen sie da und sollten einen vernünftigen Beitrag leisten. Das größte Problem bestand für uns immer darin, dem Studiopersonal zu verklickern, wie unser Sound aufgebaut war. Meine Gitarre und Geezers Bass mussten exakt übereinstimmen, um eine „Wall Of Sound“ zu mauern. Die meisten Techniker nehmen den Bass eher isoliert wahr und versuchen ihn klar und harmlos aufzunehmen. Doch Geezers Sound war verzerrt und rau. Er hielt die Noten länger und zog manchmal die Saite an, um eine Parallele zu meiner Klampfe zu gestalten. Die Techniker versuchten dann immer ihr Möglichstes, um die Verzerrung zu eliminieren, was überhaupt nicht zum Klangbild von Black Sabbath passte. Wir mussten uns immer dagegen wehren.

„Lass es doch verdammt noch mal. Das ist unser Sound.“

Man muss eine Menge Überzeugungsarbeit leisten, bis die Leute es endlich kapieren – oder sich geschlagen geben. Techniker versuchen die einzelnen Klangquellen zu separieren. Wenn ich früher beim Soundcheck meine Gitarrenriffs spielte, klagten sie: „Oh nein, das ist so unglaublich verzerrt.“

„Ich weiß! Das soll so sein! Lasst uns doch als Band spielen und hört euch den Gesamtsound an.“

Sie verstanden damals nicht, dass eine Gruppe zusammen gut klingen kann, auch wenn die einzelnen Instrumentalspuren nicht das angebliche Optimum bringen. Rodger Bain konnte sich darauf einlassen, und deshalb haben die ersten Alben einen direkten und unverfälschten Klang. Er ließ sich von unseren Vorstellungen leiten: Wir kamen ins Studio, stöpselten die Instrumente in die Verstärker, spielten und dann – besten Dank, bis morgen! Da wurde kein großes Spektakel veranstaltet. Es gab nicht dieses Rumgedrehe an den Reglern des Mischpults, nicht dieses Geschiebe mit den Fadern. Bei den Drums lief das ähnlich ab. Wir positionierten die Mikros und spielten los. Es war ein ehrlicher und realistischer Klang. Und genau dieser Sound sollte sich schon bald durchsetzen.

Die Aufnahmen waren schnell beendet. Wir hatten einen ganzen Tag Zeit, um die Tracks aufzunehmen, und fanden das unglaublich – einfach großartig. Später hörte ich, dass Led Zeppelin ihr Debütalbum in einer Woche eingespielt hatten. Sie verfügten über mehr Erfahrung und wussten, dass man eigentlich mindestens diese Zeit benötigt. Jimmy Page hatte in den Jahren zuvor schon mit den Yardbirds und Gott weiß wem im Studio gestanden und konnte die ganze Prozedur besser einschätzen.

Der Track „Warning“ beinhaltet ein langes Gitarrensolo, für das ich aus Zeitmangel eigentlich nur einen Take hatte. Nach dem ersten Durchgang bat ich Rodger um einen Overdub, doch der sagte: „Okay, das haben wir.“

„Hey, ich wollte noch was anderes ausprobieren.“

„Nein, das ist es jetzt!“

„Darf ich nicht noch eins versuchen? Ich kann es sicherlich besser.“

Schließlich gab er nach: „Okay, wir nehmen einen neuen Take auf.“

Und das war’s – nimm das Solo oder lass es weg!

Das komplette Album wurde genau so produziert. Ein Versuch – keine zehn Anläufe. In der Originalfassung dauerte „Warning“ ungefähr 15 Minuten. Rodger und der Tontechniker schnitten einen großen Teil raus und zusätzlich kleinere Schnipsel, die sie an anderen Stellen einfügten. Ich hatte mir das anders vorgestellt und ärgerte mich zunächst, weil nach meinem Geschmack der natürliche Fluss fehlte. Schließlich sah ich ein, dass für ein Vinyl-Album zeitliche Beschränkungen bestehen und eine 15-Minuten-Nummer einfach zu lang war.

Nach dem Schnitt des Songs spielten wir die neue Version live, was ich im Nachhinein witzig finde. Er wurde vom Publikum begeistert angenommen. Nach 40 Jahren simulierten wir also eine musikalisch-technische Entscheidung, die an exakt jenem Tag gefällt worden war. Mit „Electric Funeral“ verhält es sich ähnlich. Bill spielte die Nummer immer unterschiedlich, da er seine Einsätze nie mitzählte. An bestimmten Stellen wartete er nur drei statt vier Beats ab. Wir einigten uns auf drei. Diese Version zählt seitdem zu unserem Repertoire.

Viele Leute, besonders religiös angehauchte Amerikaner, glauben, dass „N.I.B.“ die Abkürzung von „Nativity In Black“ ist. Sie interpretieren etwas in den Titel hinein, was nicht vorhanden ist: „Oh, oh, oh, das ist eine satanische Aussage.“ [„Nativity In Black“ wird oft als „Geburt Christi in der Finsternis“ ausgelegt oder auch „Wiedergeburt Christi in der Finsternis“. Einige glauben auch, dass es ein Kürzel für „Name In Blood“ ist, was mit unglaublich viel Phantasie „Der Name des Herren, in Blut geschrieben“ bedeuten soll.]

Bill wurde oft Stinky und manchmal Nib genannt, weil sein Gesicht mit dem wuseligen Bart einer ausgefransten Schreibfeder ähnelte. Für uns klang das lustig. Als wir uns Gedanken über den Titel des Stücks machten, lag die Entscheidung nahe.

„Wie sollen wir die Nummer nennen?“

„Hm … Nib?“

Es war nur ein Witz.

Meine Fender Stratocaster lag mir sehr am Herzen, da ich schon so viel an hier herumgebastelt hatte. Ich hatte das Instrument in seine Einzelteile zerlegt und sie später wieder zusammengebaut, die Tonabnehmer versiegelt, die Bundstäbchen runtergefeilt und alles nur Erdenkliche versucht, um es meinen Bedürfnissen anzupassen. An einem schicksalsträchtigen Tag legte ich mir eine Gibson SG als Ersatz zu. Nun besaß ich zwei Gitarren – ganz schön luxuriös! Nachdem wir im Studio den ersten Track „Wicked World“ aufgenommen hatten, gab der Fender-Tonabnehmer den Geist auf. Ich dachte nur: Oh Gott, jetzt muss ich mit der SG spielen, die für mich ungewohnt ist. Ich nahm das Album mit dieser Gitarre auf und habe mich seitdem nicht mehr von dieser Marke getrennt. Später habe ich die Strat gegen ein Saxophon getauscht, was ich mir aus heutiger Sicht gar nicht mehr vorstellen kann. Sie war ein Klassiker und unterschied sich wegen der vielen Modifikationen von den Standard-Modellen. Jahre später entdeckte Geezer sie im Fenster eines Second-Hand-Ladens, doch nachdem er Geld geholt hatte, war bereits wieder verkauft worden. Ich sah sie nie wieder.

Meine Gibson war eine für Rechtshänder, die ich „verkehrt“ herum spielte. Dann begegnete ich einem Typen, der mir erzählte, dass er einen Freund habe, der Rechtshänder sei und eine Linkshänder spiele.

„Das ist doch wohl ein Scherz.“

Ich traf ihn dann, wir tauschten die Gitarren und waren beide glücklich. In der Gibson SG steckten noch Single-Coil-Tonabnehmer, die wegen meines Treble Boosters, der Schaltung zum Anheben der Höhen, eine ständige Rückkopplung verursachten. Das blies einem wirklich die Ohren durch.

Ich baute die Tonabnehmer aus und versiegelte sie. Später tauschte ich sie gegen andere Tonabnehmer aus. Schon wieder wurde ich zum Bastler, genau wie damals bei der Strat. Die SG bedeutet mir viel, doch ich habe sie als ständiges Ausstellungsobjekt verliehen. Sie wird aktuell in einem Hard Rock Café ausgestellt, ich habe aber mit den Besitzern vereinbart, dass ich sie mir jederzeit wieder abholen kann.

Als die Endabmischung des Albums anstand, konnten wir nicht hinter den Reglern sitzen, weil wir auf Europa-Tournee waren. Und eigentlich gab es da nicht viel zu mischen, denn die Platte wurde nur auf vier Spuren eingespielt, im Gegensatz zu modernen Produktionen mit Hunderten von Schlagzeugspuren und Overdubs. Rodger Bain und Tom Allom fügten die Glocke und die Gewittergeräusche am Anfang von „Black Sabbath“ hinzu. Sie besaßen ein Band mit Sound-Effekten und fragten uns: „Was haltet ihr davon? Sollen wir es dazumischen?“

Wir waren Feuer und Flamme: „Oh ja, das klingt großartig.“

Die Geräusche bereiten den Hörer optimal auf die Stimmung des Tracks vor.

Zum Cover-Design wollte niemand unsere Meinung wissen. Das Foto wurde bei der Mapledurham Watermill geschossen. Wir waren bei den Aufnahmen nicht dabei, trafen aber später das Mädchen, das auf dem Cover zu sehen ist. Sie kam zu einem Gig und stellte sich uns vor. Mir gefiel das farblich bearbeitete Bild außerordentlich gut, da es sich von den herkömmlichen Plattenhüllen unterschied. Doch auf den Innenseiten des Klappcovers ist das umgedrehte Kreuz zu sehen, das uns in der Zukunft noch einige Menge Unannehmlichkeiten bescheren sollte. Plötzlich hielten uns die Leute für Satanisten.

Unser Leben hatte sich radikal verändert. Wir waren unglaublich glücklich darüber, endlich eine eigene Platte zu haben.

Iron Man

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