Читать книгу In der Fremde glauben - Torsten W. Müller - Страница 15
2.1 Thüringen als Aufnahmegebiet von Evakuierten11 Saarländer
ОглавлениеBereits seit Kriegsbeginn „1939/40 wurde Thüringen aufgrund seiner geografischen Lage zum Evakuierungsgau für die Saarbevölkerung erklärt, da die NS-Führung dort den Einmarsch französischer Truppen infolge des Beistandspaktes mit Polen erwartete.“12 Bis 1941 wurden etwa 85.900 Saarländer in Thüringen untergebracht und auf Stadt- und Landkreise in diesem Gau verteilt. Aufgrund der kriegsbedingten Lage rechnete man im Gau Thüringen mit insgesamt 157.000 Saarländern und 57.000 Hamburgern.13
Der größte Teil dieser Evakuierten war katholisch und bedurfte der seelsorglichen Betreuung. In den meisten Fällen kamen saarländische Priester mit ihren Gemeinden im Aufnahmegebiet an. In Erfurt richteten Dompropst Dr. Joseph Freusberg und ein Geistlicher aus dem Saargebiet eine „Suchhilfe für Grenzabwanderer“ ein, die über Zugezogene und deren Heimatgemeinden informierte.14 Caritative Hilfsmaßnahmen und die Koordinierung von Geistlichen lagen ebenfalls in den Händen Freusbergs.15
Thüringen war damals in vier kirchliche Verwaltungsgebiete unterteilt: das Dekanat Weimar, das Geistliche Gericht Erfurt, das Bischöfliche Kommissariat Heiligenstadt und das Dekanat Geisa.16 Die meisten Katholiken lebten im Eichsfeld, dem Bereich des Kommissariates Heiligenstadt unter dem amtierenden Kommissarius Adolf Bolte17. Die Landeshauptstadt war damals noch Weimar, in der Dechant Wilhelm Breitung18 lebte und wirkte und als einer der herausragenden Geistlichen im Ostteil des Bistums galt. Dennoch scheint es, als habe sich der Fuldaer Bischof Johann Baptist Dietz19 1939 bewusst dafür entschieden, Erfurt sowie den Erfurter Propst und Direktor des Geistlichen Gerichts, Joseph Freusberg, in das Zentrum der Seelsorge an evakuierten Katholiken zu stellen. Die zentrale topografische Lage Erfurts sowie die zahlreichen kirchlichen Gebäude und geistlichen Einrichtungen dürften dieser Entscheidung zu Grunde gelegen haben. Ein weiteres Motiv könnte eine Rolle gespielt haben: Freusberg war durch sein Kirchenrechtsstudium in Rom sowie als Kaplan am Priesterkolleg S. Maria dell’Anima in ein bistumsübergreifendes Beziehungs-Netzwerk eingebunden, das angesichts der komplizierten Situation weitreichende Kontakte ermöglichte.20
Die evakuierten Saarländer kehrten ab Sommer 1941 in ihre Heimat zurück. Die mit ihnen verbundenen pastoralen Maßnahmen und strukturell-institutionellen Gegebenheiten in Thüringen sollten bei den kirchlichen Entscheidungsträgern als Grundlage für die ab 1943 beginnenden Evakuierungen der Bevölkerung des Rheinlandes dienen.21 Vorher waren aber „volksdeutsche“ Katholiken zu betreuen.