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Die Theodizee. Eine theologische Entschuldigung Gottes
ОглавлениеDieser Meinung konnten sich die christlichen Theologen natürlich nicht anschließen. Sie wussten durchaus zwischen Leid und Tod als Strafe für den mythischen Ungehorsam des Menschen und der Gegenwart von Gut und Böse als innewohnende Konnotationen der Welt zu unterscheiden. Ist jede Krankheit des Menschen als Folge der ‚Ursünde’ zu verstehen? Ist vielleicht selbst ein Erdbeben oder die Überschwemmung einer Region, die willkürliche Zerstörung des Lebens durch die Kräfte der Natur eine Folge dieser Ursünde zu verstehen?
Natur ist Natur, sagen die Theologen. Naturkatastrophen sind keine Folge der Ursünde der Menschen. (Gläubige meinen da und dort doch wohl, dass Gott durch die Naturkatastrophen die Sünden der Menschen bestraft, sie beten Gott, dass er Regen sendet, und bringen ihm Opfer dar, wenn er den Ackerboden aus Strafe hart werden lässt. Aber die Theologen gehen nicht immer so weit und teilen nicht immer diesen ‚naiven’ Glauben.) Aber wie kann Gott Naturkatastrophen zulassen und dabei zusehen, wie alles zugrunde geht? Wie kann man sie erklären, wenn man im selben Atemzug davon ausgeht, dass Gott allmächtig und allwissend ist und die Menschen über alles liebt?
Oder warum werden die Menschen von Krankheiten geplagt? Sind auch Krankheiten eine Strafe für die Ursünde? Denn immer wieder werden Menschen schwer krank, die sich eigentlich keine großen moralischen Verfehlungen haben zuschulden kommen lassen. Warum gerade ich, fragen Menschen oft, die von Krankheit und Leid verfolgt werden und sich keiner Schuld bewusst sind.
Gott ‚erlaubt’ das, um die Menschen auf die Probe zu stellen, sagen die Theologen.
Aber warum hat Gott das überhaupt nötig, er, der sowieso bereits vor der Prüfung weiß, wie der Mensch geartet ist und handelt?
‚Die Absichten Gottes sind undurchschaubar.’ Das ist die letzte Weisheit der Theologie bei der Rechtfertigung und Entschuldigung Gottes beim Thema des Bösen in der Welt. Theologisch heißt diese folgenlose Theorie Theodizee.
Wozu braucht man diese Theorie? Eigentlich braucht man sie nicht. Die Allgegenwart und die immerwährende Möglichkeit des Bösen in der Welt ist nur dann mit einem Gott zu vereinbaren, wenn Gott auch für das Ungute in der Welt verantwortlich ist und nicht nur für das Gute.
Die Welt wird von bösen Kräften beherrscht, lässt Umberto Eco den Anarchisten Gragnola behaupten, und zwar vom Bösen höchstpersönlich, von dem Bösen, der unsere Lungen und unser Herz erkranken lässt, so dass uns bewusst wird, dass wir bald sterben werden. Auch unsere Sonnengalaxie, sogar das ganze Universum ist dem Tod geweiht, im Gegensatz zu uns Menschen aber kennt das Universum sein Schicksal nicht. Was für eine Welt soll diese sein, wenn ihr das Böse innewohnt? Wäre eine Welt ohne das Böse nicht besser gewesen? Und wie soll Gott gut sein, wenn er eine solche Welt erschaffen hat? Die Welt wurde nicht von Gott erschaffen. Oder vielleicht ist Gott selbst das Böse? (sinngemäß aus: La misteriosa fiamma della Regina Loana, S. 345).
Wenn es einen Gott gibt. Wenn nicht, dann eben nicht. Und wenn es Gott gibt und sich in der Welt nichts ändert, dann können wir schlussfolgern, dass er und die Welt entweder sich nicht unterscheiden oder dass Gott in der Welt nicht tätig ist und auf die Welt keinen Einfluss hat.
Jedenfalls scheint seine Rolle in der Welt nicht entscheidend zu sein. Sind sich Gott und die Welt eins, dann ist Gott nicht von der Welt zu unterscheiden. In diesem Fall muss man sich um Gott nicht den Kopf zerbrechen. Ist er in einem fernen Jenseits gegenwärtig, hat er aber keinen Einfluss auf unsere Welt, oder vielleicht will er auf diese Welt keinen Einfluss nehmen – auch diese Möglichkeit muss man wohl erwähnen -, dann kann man ihn als Erklärung der Geschehnisse auf der Erde und vielleicht sogar im ganzen Universum ausklammern, weil er nicht mehr als die Ursache für Entstehung und Werden der Welt angesehen wird.