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Der janusköpfige Gott Der liebe Gott, Allahu akbar, Gott mit uns

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Der charismatische Pastor war es gewohnt, dass die Menschen gerne zu seinen Gottesdiensten kamen, und er genoss deren Anwesenheit in der gleichwohl selten überfüllten Kirche. Die Gläubigen waren von seinen Predigten begeistert, nicht weil er besonders tiefe theologische Interpretationen der biblischen Texte geben würde, sondern weil er stets vom lieben Gott sprach und dabei seine Zuhörer anlächelte und aufmunterte: Der liebe Gott mag uns, er hat uns gern, er lässt uns nicht allein, wiederholte er in seinen Ansprachen überzeugt und überzeugend.

Er selbst war von diesen Aussagen nicht nur überzeugt, er wurde davon getragen: Er setzte in seiner Stadt viele Initiativen in Bewegung, um im Namen des lieben Gottes, sozusagen als dessen sichtbare rechte Hand, Benachteiligten zu helfen.

Er war das spirituelle und soziale Herz seiner Stadt, und die begeisterte Zuneigung machte mit der Zeit viele Menschen zu richtigen Fans von ihm. Nach seiner Pensionierung, um die Bedürfnisse seiner Anhängerschaft, aber auch seine persönlichen, zu befriedigen, zog er sich nicht ganz zurück, sondern richtete sich in einer Nebenkapelle in der gleichen Pfarrei ein und feierte dort für seine eigene Gemeinde, inbrünstig und menschennah wie immer, den Gottesdienst, obwohl in der Zwischenzeit in der Pfarrkirche ein Nachfolger tüchtig das Weihrauchfass schwenkte: Die große Pfarrkirche ohne ihn schien für seine Fans nicht mehr attraktiv und sie wanderten lieber zur Nebenkapelle. Er wurde lange noch nach seiner Pensionierung gebeten, Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen zu übernehmen. Übernahm er sie, was oft und gern auch geschah, waren die Menschen, sehr mit ihm, mit sich selbst und dem lieben Gott zufrieden. Gegenüber seinen Nachfolgern wollte sich keine richtige Begeisterung einstellen, und man dachte nostalgisch an die früheren Zeiten zurück.

Bei dieser Schilderung kommen verschiedene Aspekte zur Sprache, die für das religiöse Phänomen typisch sind: die wohltuende Überzeugung, dass Gott die an ihn glauben, liebt und zu ihnen steht, die charismatische Anziehungskraft eines Kultvorstehers, der die zentralen Überzeugungen des Glaubens vermittelt und sie selbst persönlich so vertritt, dass er zu einer Art Guru der Gemeinde wird, und die Bildung einer Gemeinde von Anhängern, die sich, nicht selten, sich sogar zu echten Fans entwickeln.

Diese Deutung mag einseitig sein und zu kurz kommen. Der Mann, der ‚Gottesmann’, von dem hier die Rede ist, hat tatsächlich seinen Glauben mit Überzeugung gelebt, und sein soziales Werk überdauerte ihn.

Es stellt sich allerdings doch die Frage, ob die Tatsache, dass dieser Mann so gelebt hat, wie er glaubte und predigte, beweist, dass Gott wirklich lieb ist und uns gern hat. Man kann auch im eigenen Leben persönlich erfahren, dass Gott gelegentlich auf eine Art und Weise lieb ist, die dem Menschen wenigstens vordergründig gar nicht hilft. Allzu oft kann man beobachten, dass der liebe Gott mit seiner Liebe sehr wählerisch ist, dem einen Liebe schenkt, dem anderen keine. In der Welt und im Leben der Menschen ist eine andere Seite der Realität zu beobachten, die in der Liturgie nicht oft gepriesen wird. Das Leben bringt vielen Menschen oft dazu, mit dem lieben Gott zu hadern.

Allahu akbar! Keine Angst, es wird hier nicht zu einer Schlacht gerufen. Allahu Akbar ist originär auch kein Schlachtruf, möge es heute vielen so vorkommen.

„Allahu Akbar“ ist ein zentraler Begriff im Islam und wird auf verschiedene Weisen und zu verschiedenen Anlässen verwendet. Der Spruch hat eine ähnliche Bedeutung wie der deutsch-christliche Begriff vom lieben Gott: Allahu Akbar rufen die Muslime zu Beginn des Gebetes, das sie daran erinnert, dass sie in Demut leben sollen und nur die Größe Allahs anbeten dürfen. Allahu Akbar rufen gläubige Muslime, wenn bei einem Unglück oder einem Erdbeben oder einer Bombenangriff verschüttete Menschen, besonders Kinder, geborgen werden. Denn Gott erweist dabei den Menschen seine Gnade.

„Allahu Akbar“, ein zentraler spiritueller Begriff des Islams, es heißt: Gott ist groß. Auch die Christen sind davon überzeugt, dass Gott, ihr Gott, groß ist: ‚Großer Gott!’, so beten ihn die Christen an. Eigentlich bedeutet Allahu Akbar sogar: ‚Gott ist größer’, größer als alle Idole.

Das ist die eine Seite Allahs, der die an ihn glauben segnet und im Leben begleitet.

Leider wird Allahu Akbar besonders in den letzten Jahren als religiöse Legitimierung von Gewalttaten verwendet: Gott will, dass man die Ungläubigen tötet, und wer gegen das Töten von Ungläubigen ist, ist gegen Allah.

Im Namen Gottes wurde in der Menschheitsgeschichte oft getötet. Heute geschieht dies am häufigsten im Namen Allahs. Die meist religiös motivierten muslimischen Dschihadisten rufen ‚allahu akbar’, bevor sie Menschen erschießen oder ihnen die Kehle durchschneiden.

„Allah ist Groß“ rufen sie, und ihr Herz fühlt sich dem großen Allah sehr nah. Sie selbst sind bereit, für Allah zu sterben, seine Märtyrer zu werden. Sie sind sicher, dass nach ihrem gewaltsamen Tod im Krieg gegen die Ungläubigen das Paradies auf sie wartet.

Dass einige Muslime „Allahu Akbar“ als Schlachtruf gegen die Feinde benutzen, lässt uns, angesichts der Morde, die in diesen Zeiten im Namen Allahs geschehen, nicht unberührt. Wir wollen aber nicht nur auf die Muslime zeigen. Die Christen haben im Namen ihres Gottes selber Schlimmes angestellt.

„Gott mit uns“ ist der Ruf der martialisch überzeugten Christen, der sie etwa vor etwa tausend Jahren in die Kreuzzüge gegen, man stelle es sich vor, die Muslime, führte. ‚Deus lo vult’ (Gott will es) war der Schlachtruf des Papstes Urban II., der den ersten Kreuzzug in Gang setzte, und viele folgten ihm. Wundert es einen, wenn heutige gutgläubige oder zynische muslimische Terroristen die Christen an ihre Kreuzzüge erinnern und sie als ‚Kreuzzügler’ bezeichnen? „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ würde Jahwe dazu sagen.

Aber nicht nur das: ‚“Gott mit uns“ war der Wahlspruch des preußischen Königshauses, und bis 1945 zierte der Spruch das Portal vieler deutscher Villen, so wie der Ruf Allahu Akbar die Fahnen verschiedener muslimischer Staaten ziert.

Während des Dreißigjährigen Krieges wählte der schwedische König Gustav II. für seine Soldaten den Schlachtruf „Gott mit uns“. Der Dreißigjährige Krieg ist in der Geschichte als Religionskrieg berühmt geworden. Auch wenn das nur eine Seite der Geschichte ist – die andere ist die Durchsetzung von Machtinteressen der verschiedenen Kriegsparteien -, zeigt auch dieser Krieg, dass der Mensch in Namen Gottes die schwersten Gräueltaten rechtfertigt.

Die Wehrmachtsoldaten trugen auf ihren Gurtschnallen auch den Spruch „Gott mit uns“, und vor der Schlacht um Stalingrad während des von Hitler angezettelten zweiten Weltkriegs erinnert ein Seelsorger die deutschen Soldaten an den Spruch auf ihrer Gürtelschnalle.

Das Elend, das der ‚Gott mit uns’ bei jeder Gelegenheit hinterlassen hat, lässt sich nicht ermessen. Mann muss zugeben: Nichts Neues unter der Sonne.

Ist dieser blutige Teil der Geschichte der Christen ein Beweis, dass Gott es so gewollt hat? Natürlich nicht. Genauso wenig wie Allah die Morde, die in seinen Namen geschehen, gutheißen kann, vorausgesetzt, der christliche Gott und Allah sind in der Lage, etwas zu wissen oder zu wollen. Aber diese beiden Narrativen sowie die Preisung der Liebe Gottes für die Menschen gehören zum breiten Phänomen der Religion. Beide Seiten – und das sind längst nicht die einzigen, die man erzählen könnte – sind ein Ausdruck der Religiosität Gläubiger Menschen.

Jedenfalls zeigen diese unterschiedlichen Narrativen, dass religiöse Sprache, wenn sie von Gott redet, nicht eindimensional ist, sondern perspektivisch. Wie ein Januskopf schaut das Gottesbild wenigstens in zwei Richtungen, wenn er sich entscheiden muss, ob er den einen Menschen oder den anderen lieben, das eine oder das andere Volk auserwählen soll. Aber das Gottesgesicht ist viel wendiger als ein Januskopf, er kann sich in alle Richtungen drehen, manchmal sehr schnell.

Der Verdacht, dass nicht unbedingt Gott, sondern der Mensch die Ursache dieser Ambivalenz Gottes ist, ist berechtigt: Je nach dem, wie der Mensch geartet ist, so ändert sich Gott in seinen und in unseren Augen.

Wir reden von der religiösen Sprache, von einer Sprache, die vorgibt, über Gott einiges oder gar vieles zu wissen, über ihn reden zu können, Auskünfte über ihm geben zu können. Wenn man die Aussagen der religiösen Sprache vergleicht, stellt man fest, dass sie sehr unterschiedlich ausfallen. Die religiöse Sprache macht verschiedenartige Aussagen über Gott, weil sie die Sprache von Menschen ist, die unterschiedliche Interessen haben.

Der liebe Gott Allahu akbar

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