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Religion – was ist das?

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Viele Definitionen von Religion, die aus früherer Zeit im Gedächtnis geblieben und jetzt auch im Internet auch zu lesen sind, versuchen, das Phänomen der Religion zu beschreiben. So findet man dort unter dem lateinischen Stichwort ‚religio’ folgende Beschreibung: Das lateinische Wort religio enthält negative Aspekte wie Zweifel, Skrupel, Aberglaube sowie positive Geisteshaltungen wie Gottesfurcht und Frömmigkeit. Eine Beschreibung des Phänomens ist aber keine echte Definition. Diese sollte eher das Wesen eines Wortes wiedergeben. Dazu könnte etwa die etymologische Ableitung des zu definierenden Wortes dienen. Aber auch hier sind die Versuche, die Religion zu definieren, sehr ungenau und zaghaft, und man hat den Eindruck, man will unbedingt nur Gutes über die Religion schreiben. So leitet man ‚religio’ vom lateinischen Wort ‚relegere’, was ‚wieder lesen’ oder ‚überdenken’ bedeutet. Wie soll man, von dieser Etymologie ausgehend, den Sinn von ‚Religion’, so wie wir sie erleben und kennen, herausfiltern?

Der bessere etymologische Bezug von ‚religio’ ist eher das lateinische Wort ‚religare’, was ‚binden, anbinden, sich binden’ bedeutet. Diese Definition enthält sowohl die positive Seite einer Bindung, solange diese Beziehung die Menschen glücklich macht, als auch das negative Empfinden der Bindung, wenn eine Beziehung nicht (mehr) als glückbringend angesehen wird und eher das Gefühl vermittelt, angebunden, angekettet zu sein.

Im Kleinen Prinzen schreibt Antoine de Saint-Exupéry, wenn zwei Wesen sich nahe kommen, entstehen Bindungen (liens). Solche Bindungen sind typisch bei Liebenden. Ähnliches mag auch in der Religion geschehen. Und dieses Gefühl der Geborgenheit, der Nähe, des Verbundenseins (religiöse Menschen fühlen sich Gott nahe), macht religiöse Menschen glücklich, und sie können selten verstehen, warum andere auf dieses Glücksgefühl verzichten und die Religion kritisieren.

Eine Reihe von Übersetzungen des lateinischen Wortes ‚religare’ bringen aber auch dessen negative Seite zum Ausdruck: festbinden, festhalten, verknoten. Das Wort ‚angebunden, angekettet’ sein ist vielleicht die beste Wiedergabe der negativen Seite einer Bindung, die angefangen hat, eine Last zu werden. ‚Angekettet, angebunden sein’ beschreibt den Zustand des Gefangenseins und das Gefühl der Unfreiheit. Losbindung bedeutet dann die Befreiung von den Ketten, auch von den Ketten der Religion.

Kann Religion dem Menschen auch das Gefühl vermitteln, dass er unfrei ist, von Stricken gefangen gehalten wird? Mit Sicherheit. Das erscheint zunächst paradox, weil man Religion zunächst mit Glück, Freude und Ekstase, mit Liebe, Gebet und Gottbezogenheit verbindet. Auf der anderen Seite war jede Religion darauf bedacht, den Menschen Gebote und Verbote aufzuerlegen, die sie als Wort und Willen Gottes bezeichnete, so dass die Menschen nicht selten in Unfreiheit und Zwang aufwachsen und leben.

Beispiele gibt es zuhauf. Sogar Jesus, als er noch nicht neben dem Vater und dem Heiligen Geist saß, noch kein gleichberechtigter Gott der Dreifaltigkeit war und nicht daran dachte, selbst eine Religion zu gründen, wenn er je daran gedacht hat, warf den damaligen Priestern und Schriftgelehrten vor, sie würden den Menschen Lasten aufbürden, die sie selbst nicht tragen könnten. Das hatten aber nicht erst die Priester und Schriftgelehrten getan, bereits Mose hatte es im Namen Jahwes getan. Später wiederholte es die christliche Kirche im Namen Jesu und der heiligen Dreifaltigkeit, und noch später tat es Mohammed im Koran im Namen Allahs.

Auch die von den sogenannten Heiden, von den vorchristlichen Religionen übernommenen und christlich getauften magischen Kulte gehören zum Sammelbecken der Religion. Die falschen Überzeugungen, die als Wille Gottes gedeutet wurden und zu Hexenverbrennungen und Tötung von Andersdenkenden führten, sind bekannte religiöse Phänomene. Und nicht zuletzt die Rückführung von Krankheiten auf die Wirkung von Dämonen, von psychischen Erkrankungen auf die Wirkung des Teufels, der durch teilweise grausame Exorzismen aus dem kranken Menschen getrieben werden soll: Das alles und noch viel mehr gehört zur Religion.

Sogar die sogenannte positive Seite der Religion - das Gebet, der Gottesdienst, die Freude über die Liebe Gottes, die ekstatischen Momente - haben eine negative Seite und eine negative Auswirkung. Der Mensch macht sich gegenüber Gott klein, und dieser Zustand versetzt ihn in eine Art mystische Benebelung, die ihn letztlich unfrei macht. Es ist eine raffinierte, nicht leicht zu durchschauende Art, den Menschen festzubinden und ihn abhängig zu machen: nicht direkt von Gott, sondern von Ritualen, Mythen und magischen Kräften und von Glück versprechenden Gurus, die der kultischen Handlung vorstehen. Der Gläubige fühlt sich gut aufgehoben und glücklich, und dabei merkt er nicht, dass diese Art von Bildung ihn zum einem unsichtbaren und vielleicht sogar nicht existierenden Gott versklavt und unnötigerweise klein macht.

Beim Kult spielen die Priester, welcher Glaubensrichtung auch immer, eine wesentliche Rolle. Sie stehen in der Mitte des kultischen Geschehens und vermitteln den Eindruck, sie seien eine Brücke zwischen dem leidenden oder jauchzenden Volk und dem lieben Gott.

Nietzsche schreibt dazu: Die Brahmanen waren überzeugt, dass die Priester mächtiger waren als ihre Götter. Ihre Größe fußte auf der Macht des Brauchtums (das sind die Gebete, die Riten, das Opfer, die Lieder). Sie schafften die Götter beiseite, dann waren die Priester weg, weil sie als Vermittler nicht mehr nötig waren. Anschießend kam der Lehrer der Religion der Selbsterlösung, Buddha, um den Menschen zu sagen, dass sie keine Götter haben und keine brauchen. Europa, meinte Nietzsche, sei weit weg von dieser ‚Stufe der Kultur’ (sinngemäß aus: Die Morgenröthe, 96).

Der heutige Versuch seitens der christlichen Kirchen und der meisten Muslime, nur die positive, menschenfreundliche Seite der Religion als die echte Religion zu stilisieren, schlägt fehl, denn zu jeder Zeit haben sich Menschen, die anderen Menschen Böses antun, auf Gott berufen. Sie glauben dabei vielleicht, Gottes Willen zu befolgen und deshalb Gutes zu bewirken: Ihr Gott sei zwar ein guter und ein lieber, aber besonders ein gerechter und strenger Gott.

Der liebe Gott Allahu akbar

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