Читать книгу Der liebe Gott Allahu akbar - Tullio Aurelio - Страница 8
Heute früh bin ich aufgewacht...
Оглавление„Stellen wir uns doch mal eine Welt vor, in der es keine Religion gibt“, schreibt Richard Dawkins im Vorwort zum seinem Buch ‚Der Gotteswahn’. Dawkins selbst stellt sich unter anderem vor, es gäbe dann im Namen Gottes keine Selbstmordattentäter, keinen Krieg zwischen Israelis und Palästinensern, keine Kreuzzüge, keine Hexenverfolgung, keine Verfolgung von Juden als ‚Christusmörder’, keine ‚Ehrenmorde’, keine Zerstörung antiker Statuen durch die Taliban, keine öffentlichen Enthauptungen von Ketzern, keine Prügel für das Verbrechen, zwei Zentimeter nackte Haut zu zeigen, und vieles andere mehr.
Vielleicht hat es – long, long time ago - zu einer Zeit, an die wir uns alle nicht mehr, nicht einmal in unserem kollektiven Bewusstsein, erinnern, eine Welt ohne Religion gegeben. Ob die Wunschvorstellung Dawkins unsere die heutige Welt betreffenden Überlegungen weiterbringt?
Selbst hätte ich nichts dagegen, wenn es in der Welt keine Religionen gäbe. In dem Fall gäbe es mit Sicherheit keine Zerstörungen antiker Statuen, keine Attentate, keine Kreuzzüge, keine Glaubenskriege, keine Morde in Namen irgendeines Gottes. - Gäbe es dann überhaupt kein Blutbad mehr zwischen den Völkern, keine harten Strafen für Untreue, keine Verfolgung, keine Misshandlung, keine Tötung von Andersdenkenden?
Der Meinung bin ich nicht. Ich bin davon überzeugt, dass der Mensch dazu keine Religion und keine Götter nötig hat. Er braucht sie eher als Alibi, damit er sich selbst nicht als die Ursache seiner Missetaten sehen muss und die Schuld auf ein Alter Ego, das er Gott nennt, schieben kann.
Papst Franziskus, der heute eine Religion vertritt, die früher den eigenen Glauben im Namen ihres Gottes gegen Andersgläubige oder gegen Ungläubige, wie man sie damals bezeichnete, mit Waffengewalt und Marterwerkzeugen verteidigte oder anderen Menschen aufzwang, sagt heute, Menschenmisshandlungen im Namen Gottes seien ein Frevel, sie seien ein Werk des Teufels. Ich bin der Meinung, dass der Mensch weder den früheren christlichen Gott noch den Teufel dazu braucht.
Gott und Teufel könnten moderne Überbleibsel einer mythischen Welt sein, in der Götter und Dämonen stets mitmischten. Und wenn sie existieren sollten, für das Gute und das Böse in der Welt ist ihre Rolle völlig irrelevant. Es bedarf keines Gottes, damit auf unserer Erde Gutes entsteht. Wir stellen auch heute ganz nüchtern fest, dass viele Menschen, die Gutes tun, an keinen Gott glauben. In den früheren Jahrhunderten war es nicht anders.
Der Mensch kann Gutes und Böses tun, den Mitmenschen erfreuen oder ihn zur Verzweiflung bringen. Er kann einen neuen Eden und eine irdische Hölle schaffen. Dazu braucht er keine Götter und keine Teufel.
Ich vermute, viele Menschen sind gar nicht meiner Meinung. Wenn es in der Welt keine Religion gäbe, würden sie den Gottesdienst vermissen, in den sie gerne hingehen und sich dort in irgendeinem Gott aufgehoben fühlen. Auch wenn sie nicht sicher sind, dass es einen Gott gibt, würden sie es vermissen, wenn sie keine Gelegenheit hätten, sich in einem Kultraum zu versammeln, mit anderen zu singen und zu beten – zu wem auch immer -, mit einem unsichtbaren Gegenüber zu reden, auf ihn einzuflüstern. Eine ursprüngliche Sehnsucht nach Gott entwickelt im Laufe der Zeit eine gewisse Sucht nach dem Kult, und der religiös süchtige Mensch würde unter einem gewaltigen Entzug leiden, wenn keine Religion ihm diese Möglichkeit anböte. Auch die Menschen, die meinen, ohne Gott und Religion sei die Moral gar nicht begründbar, können meine süffisante Gleichgültigkeit gegenüber jeglicher Religion nicht ohne Widerspruch hinnehmen.
Ich bleibe aber dabei. Auch die Religion ist ein Werk des Menschen. Menschen haben die Religion gestiftet und dafür einen Gott gebraucht.
Die Religionen unterscheiden sich untereinander, nicht weil Gott, den sie anbeten, jeweils anders ist, soweit es überhaupt einen gibt, sondern weil die Menschen nicht nur die Religionen, sondern auch die dazu nötigen Götter nach ihrem eigenen Bild erfunden haben. Die Religion ist zum Leben nicht nötig, die von ihr erfundenen Götter noch weniger.