Читать книгу 50 Dinge, die ein Norddeutscher getan haben muss - Ulfert Becker - Страница 12
Auf einem Leuchtturm heiraten
ОглавлениеHeiraten auf dem Standesamt gerät zunehmend aus der Mode – wie auch die Eheschließung an sich. Wenn überhaupt, dann gibt man sich das Ja-Wort heutzutage am liebsten an ungewöhnlichen Orten: in Heißluftballons, unter Wasser, beim Fallschirmsprung ... oder gleich in Las Vegas.
Die Standesbeamten Norddeutschlands sind daher zu vielem bereit, um wenigsten noch ein paar Bürger ordnungsgemäß unter die Haube zu bekommen. Die meisten besonderen Orte für Trauzeremonien werden im Norden allerdings mit Bedacht gewählt: schön, originell und stilvoll müssen sie sein.
Äußerst beliebt sind derzeit beispielsweise Leuchttürme – allein schon von ihrer Symbolik her. Ein Leuchtturm steht bei Wind und Wetter fest und unerschütterlich da; verlässlich strahlt sein Licht auch in der tiefsten Finsternis und weist den Verirrten den Weg in den sicheren Hafen. Sollte das nicht auch eine gute Ehe auszeichnen?
Also: Wenn schon heiraten, warum dann nicht auf einem Leuchtturm?! Gleich zwölf stehen im Norden bereit, in denen der Bund fürs Leben geschlossen werden kann. Einer davon ist jener von Pilsum an der ostfriesischen Küste. Mit seinen elf Metern Höhe ist er nicht gerade ein Titan unter seinesgleichen, aber er steht mitten im platten Land direkt auf dem Deich ..., was ihn wesentlich größer erscheinen lässt. Zudem zeichnet sich der 1891 errichtete Leuchtturm durch Merkmale aus, die ihn ziemlich einzigartig – ja, gar zum Wahrzeichen für die ganze Region! – machen: Statt der klassischen Leuchtturmfarben Rot und Weiß trägt er ein gelb-rot geringeltes Kleid. Ähnlich wie der Turm von Pisa, hat auch der Turm von Pilsum eine leichte Schräglage. Und dann war da ja auch noch Otto ...
Otto Waalkes, der friesische Komiker, drehte hier 1989 seinen Film Otto, der Außerfriesische. Darin spielt er einen tapferen Leuchtturmbewohner in Pilsum, dessen Heim ein zwielichtiger Multimilliarden-Konzern namens High Speed Unlimited unbedingt aufkaufen und abreißen möchte, um Platz für eine Schnellbahnstrecke zu machen ...
Fans dieses Kult-Films pilgern noch heute an den Hauptdrehort, obwohl schon längst alle Relikte der Filmarbeiten verschwunden sind. Aber auch für Touristen ohne cineastischen Hintergrund ist der Turm ein Anziehungspunkt: Sie benutzen ihn als Landmarke, als einen Ort im platten Nirgendwo, den man einfach mal beim Gang entlang der Küste ansteuern kann.
Und dann gibt es da eben noch die Brautleute: In dem kleinen Oberstübchen, in dem noch die alte Lampe steht, die bis 1915 auf das Meer hinausstrahlte (danach änderte sich das Fahrwasser und der Leuchtturm in seiner eigentlichen Funktion wurde überflüssig), kann man sich im engsten Kreise – mit maximal 15 Personen, denn mehr gehen hier nicht rein – trauen lassen. An klaren Tagen hat der Standesbeamte dabei einen wunderbaren Blick auf das Wattenmeer und die vorgelagerten Inseln. An grauen kann er immerhin noch ahnen, wo das grüne Gras ins Meer übergeht. Wohlgemerkt: Allein der Standesbeamte hat diesen Blick, denn alle anderen Anwesenden schauen während der Zeremonie auf die fensterlose Landseite des Turms. Erst nach dem offiziellen Akt können sie den Blick in die Ferne durch die Bullaugen genießen. Dann aber – und vielleicht auch noch während des anschließenden Sektempfangs vor dem Turm – bekommt man eine Ahnung davon, warum man gerade hier heiraten sollte: Mehr Norddeutschland für’s Auge geht nicht! Meer, Weite, Watt auf der einen, endlose grüne Wiesen auf der anderen Seite! Und dazu noch ein Gebäude, das in seiner Symbolik für die Ehe passender nicht sein könnte – in Pilsum zu heiraten, ist ein Leuchtturmprojekt in jedem Sinne des Wortes!