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Die Obstblüte im Alten Land bestaunen

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... und dann vielleicht auch noch mal bei der Ernte dabei gewesen sein.

Es ist Ende April, vielleicht auch Anfang Mai – jene Zeit also, in der im Norden fast immer Kaiserwetter herrscht. Die Tage sind sonnig und warm, der Himmel strahlend blau, das junge Grün der Felder und Wälder leuchtet fast wie von selbst. Die Natur hat die graue Starre des Winters abgeschüttelt und scheint nun eine Art Jubellied auf das Leben zu singen.

Kommt man allerdings ins Alte Land, eine Region südwestlich von Hamburg, auf der anderen Seite der Elbe, dann scheint es einem, als sei man urplötzlich wieder in den Winter zurückversetzt – in einen traumhaften freilich: Boden und Bäume liegen, so weit das Auge reicht, über und über mit einem rosig strahlenden Schnee bedeckt, in der Luft wirbeln und tanzen seine Flocken im hellen Frühsommerlicht! Fast blendet einen diese Pracht – und so erkennt man, nachdem man sich verwundert die Augen gerieben hat, erst auf den zweiten Blick, dass es sich in Wahrheit nicht um einen geheimnisvollen Winterzauber, sondern um Blütenschnee handelt. Das Alte Land ist nämlich das Reich der Obstbäume – und die stehen in dieser Zeit halt gerade in voller Blüte. Ein fantastischer Anblick, den jeder Norddeutsche einmal genossen haben muss! Mit einer gewissen Ehrfurcht am besten – denn wahrscheinlich haben die meisten Äpfel, die er im Laufe des Jahres verzehrt, hier ihren Ursprung. Mit seinen gut 14.000 Hektar Anbaufläche gilt dieses Gebiet zwischen Jork und Francop nämlich als das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet Mitteleuropas: Die Wetterbedingungen – mildes, feuchtes Seeklima – sind hier sehr günstig, der Marschboden unglaublich fruchtbar – perfekt für die Aufzucht von Äpfeln, Birnen und ein paar Kirschen! Bereits im 17. Jahrhundert wurde in dieser Gegend nachweislich Obst in großem Stil angebaut, zum ganz großen Boom kam es allerdings erst im 19. Jahrhundert, als die Früchte mithilfe moderner Transportmittel und -wege auch zu weit entfernten Abnehmern transportiert werden konnten.

Die leckeren Vitaminspender haben die Bewohner des Alten Landes sehr wohlhabend gemacht – man sieht es an den prächtigen Bauernhäusern und Kirchen in diesem Landstrich. Die Vorfahren der meisten dieser Obstbauern sind irgendwann im Mittelalter aus Holland hierher eingewandert – als Aufbauhelfer Nord, sozusagen. Damals lag nämlich das fruchtbare Marschland noch brach, weil die Elbe es regelmäßig überflutete. Die Holländer brachten ihr fortschrittliches Know-how in Sachen Landgewinnung und Deichbau ein – und machten die Gegend urbar. Aus dieser Zeit stammt übrigens auch der merkwürdige Name Altes Land: Als solches bezeichneten die Landgewinner damals nämlich jene Gebiete, die durch Deiche und Gräben für die Agrarwirtschaft bereits nutzbar gemacht worden waren. Das Gegenteil war das Neu Land, also die ungesicherten Marschwiesen. Irgendwann war die gesamte Elbaue kultiviert, bis direkt an das Flussufer heran gab es also nur noch Altes Land – und der einstmals rein technische Begriff blieb als Ortsbezeichnung einfach bestehen.

Die Blütenpracht des Frühjahrs ist natürlich unübertrefflich – aber einen besonderen Reiz hat auch die Erntezeit im goldenen Oktober, wenn überall an den schier endlosen Obstbaumreihen die köstlichen Früchte hängen. Sich unbemerkt ein paar davon zu pflücken und in die Tasche zu stecken, ist allerdings fast unmöglich, denn in den Plantagen herrscht emsiges Treiben: Weil das Obst punktgenau vom Baum muss, sind Tausende von Saisonarbeitern für einige Wochen fast rund um die Uhr mit dem Pflücken beschäftigt. Die guten Früchte werden entweder sofort an den Markt ausgeliefert oder aber in Kühlhallen in Stickstoffat mosphäre auf Abruf gelagert. Aus dem weniger guten Obst werden Säfte gefertigt – für die das Alte Land gleichfalls berühmt ist. Die sollte übrigens auch jeder Norddeutsche mal getrunken haben!

50 Dinge, die ein Norddeutscher getan haben muss

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