Читать книгу Der Letzte macht das Licht aus - Ulrich Land - Страница 8
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ОглавлениеFinn nestelte nervös am Funkgerät. Aber es war nichts rauszuholen außer diesem undurchdringbaren Rauschen und Knistern. Brik stand in gebührendem Abstand, warf ihr langes flachsgelbes Haar zurück und murmelte irgendwas von wegen neuer Computertechnik, die könne ihm doch verdammt gute Dienste leisten hier auf seinem Leuchtturm. Wenn er bloß nicht so eselsstur wär. Eine Handbewegung Finns brachte sie zum Schweigen.
»Also was ist jetzt, ist er drumrum gekommen?«, knurrte die Alte am andern Ende des Dienstraums über ihren Pfeifenkopf hinweg.
»Wer?«, gab Finn nicht weniger knurrig zurück.
»Der Trawler, wo die Rede von war. Ist er nun auf deine Klippen gekracht oder nicht?«
»Wieso?«, fragte Finn scheinheilig und antwortete: »Natürlich nicht. Kein bisschen.«
»Ein Elend! Wieso ist uns der denn durch die Lappen gegangen? Waren doch beste Bedingungen: ausgewachsenes Sauwetter, 'ne Nacht so schwarz wie die Seele des Satans und das Leuchtfeuer von deiner Boje da draußen wie zufällig ausgefallen, so was von zufällig so was von ausgefallen. Und diese ollen Torfdeppen, die schippern trotzdem drumrum um all unsre kleinfeinen Felsbrocken!«
Finn öffnete bedächtig die schwere Tür zur Galerie, die auf gleicher Höhe wie das Dienstraumdeck außen um den Leuchtturm herumführte. Nicht sonderlich hoch, bloß eine Hand voll Meter, aber auf den Felsen von Stjernholman ragte der Leuchtturm trotzdem allemal fünfzig Meter über den Nordatlantik. Finn trat nach draußen. Schwere gelbgraue Wellen jagten sich gegenseitig, versuchten das winzige Eiland wund zu schlagen und zankten sich mit dem verschüchterten Morgen. Ganz allmählich gewann das milchige Licht die Lufthoheit und ließ am Horizont immer mehr Schären auftauchen, die sich tiefgrau gegen den Himmel absetzten. Finn musste grinsen, stellte sich auf den eiskalten, gischtgeladenen Brechern, die da unten am Ufer die Granitbuckel verprügelten, diese neumodischen Wellenreiter vor, die er gestern Abend in einer Fernsehreportage aus Miami hatte bewundern dürfen, wahnwitzige Wasserläufer, komplett von Sinnen, als wollten sie auf Jesus' Wasserspuren wandeln. Übten sich auf ihren rundgeraspelten Brettern in aufrechter Gangart, knapp unter den überschlagenden Wogen, die ihnen, wie's aussah, gar nicht grimmig genug schnauben konnten. Brik hatte den Mund vor lauter Staunen nicht mehr zubekommen.
»Hier oben, auf 68½° Nord«, murmelte er laut vor sich hin, »die möcht ich sehn, diese Lackaffen, was die für 'ne jämmerliche Figur hier oben vor der Küste der alten Dame Norwegen machen würden, satte 250 km überm Polarkreis!«
In diesem Moment hörte er von drinnen das schrille Geräusch, auf das er schon die ganze Zeit gewartet hatte. Und im gleichen Atemzug krähte auch schon Marit: »Finn, rühr dich! Telefon!«
Als wisse er nicht, was dieses nadelspitze Klingeln zu bedeuten hatte! Marit drückte ihm den Hörer in die Hand, worauf Finn sie eines energischen Seitwärtsnickens bedachte. Zutiefst beleidigt schluffte sie die Treppe runter, brummte: »der hat Geheimnisse vor mir, 'n faules Ei, der Kerl, 'n ziemlich faules«, und warf, unten angekommen, die Tür des Leuchtturms krachend ins Schloss.
Erst jetzt nahm Finn die Hand von der Sprechmuschel und raunzte ein »Ja, Werenskiold« in den Hörer.
• »SOS? Krähenkacke. Nein, ist hier nicht durchgekommen. Mein Gott, wenn ich das hier in der Funkkiste gehabt hätte! Aber kann man sich bei euch ja den Mund fusselig quasseln, wenn man 'n modernes Funkgerät braucht.«
• »Ja ja, die Leier kenn ich, von wegen würde sich nicht mehr lohnen, sowieso nur noch 'ne Frage der Zeit, bis ihr hier bei mir den Laden dicht macht. Ich weiß. Aber ich sag euch, 'n vernünftiges Funkgerät und dann wär ich sofort, wär ich im Handumdrehn da draußen an Ort und Stelle. Bis ihr bei so was draußen seid, da kommt jede Hilfe zu spät. Ist ja auch klar, das dauert eben, bis ihr eure Leute aus den Betten getrommelt habt. Also, könnt ihr euch jedenfalls schon mal 'n Schlachtplan ausdenken, wie ihr das geregelt bekommen wollt, wenn hier statt mir bloß noch 'n Rechner hockt.«
• »Wieso? Doch. Wie viel waren's denn?«
• »Ouh, das ist übel. Also jedenfalls fahr ich sofort raus, mal sehn, wen ich da noch rausgeangelt kriege.«
• »Na ja, wieso denn, ich bin doch immer sofort zur Stelle, wenn's 'ne Havarie gibt? Bin ja nun nicht von der lahmen Truppe. Alles, was recht ist. Sitze schon im Boot, kaum dass ich Wind davon krieg über meine vorsintflutliche Krächzkiste hier – um das noch mal gesagt zu haben.«
• »Fischtrawler aus Stavanger? Kacke.«
• »Sicher, als Allererstes heut Morgen. Das da 'ne Laterne durchgebrannt war oder was, das konnte ich doch an den Kontrollleuchten hier sehn.«
• »Nein, besten Dank. Ist ja nicht die erste Boje, die mir diese Chaoten demolieren, und nicht die erste, die ich repariert hab. Also das krieg ich schon selbst hin. Da geh ich jedenfalls von aus; und wenn's nicht nur an der Leuchte liegt, dann ruf ich noch mal an, dass ihr 'n Techniker rüberschickt. Aber glaub ich nicht, dass das nötig sein wird.«
• »Na ja, was heißt: ›dass ich mir da so sicher bin‹? Also die Devise, nach der ich hier arbeite, ist einfach: erst mal vom kleinsten Übel ausgehn und dann weitersehn. Das dicke Ende kommt sowieso.«
• »Mein Gott, sollte 'n Scherz sein.«
• »Ja sicher, danke. Und nichts für ungut.«
• »Bis die Tage denn.«
Er wartete das Klacken der Hörergabel am andern Ende der Leitung ab, sagte: »Krähenkacke, hätte verdammt nicht gedacht, dass die so auf der Hut sind«, und legte ebenfalls auf.
»Was, wa-was wollen die«, stotterte Brik, der das kalkweiße Gesicht ihres Mannes alles andre als geheuer war, »Marit hat recht, du spielst 'n unsaubres Spielchen, heh, hast mir doch selber noch mitten in der Nacht in den Ohren gelegen von wegen diesem Notruf, der nicht still werden wollte.«