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Das Eis auf Island – du hast wahrhaftig schon schöneres Eis gesehn. Hier ist das immer irgendwie dreckig. Graugrieselige Flecken, Streifen, ausufernde Anthrazitflächen immer wieder zwischen dem glasigen Weiß. Oder wenn du bei einer Spalte, einer Abrisskante tief hineinsiehst in die Eisabgründe: Das sonst so fantastische Eistürkis ist kein Türkis. Auf Island nicht. Das Eis kann sich, wie der Himmel hier, nicht festlegen auf eine Farbe, auf eine dezidierte, auf ein klares Weiß, glitzerndes Silber, tiefes Blaugrün. Ständig ist grad irgendwo ein Vulkan ausgebrochen, schickt seine Aschewolken auf die Reise, lässt den Schnee schwarz werden und das Eis altersgrau. Dabei musst du den Blick gar nicht in die Ferne schweifen lassen, der Hvannadalshnúkur selbst ist schließlich auch nicht von schlechten Eltern. Bewacht hier oben die 5 km breite Caldera, diesen riesigen Vulkankessel, der bis zum Kragen angefüllt ist mit einem uralten Gletscher. Und darüber eben diese sieben Zähne, wovon der Hvannadalshnúkur der höchste ist. Haben die armen Isländer schon reichlich in Angst und Schrecken versetzt, die Vulkane des Öræfajökullmassivs. 14. Jahrhundert oder wann, da hat ein Ausbruch die blühende Landschaft da unten von jetzt auf gleich wegradiert. Kubikkilometerweise Asche runtergeschmissen, so dass die Höfe und Dörfer zu Füßen des Öræfajökulls einen halben Meter hoch im schwarzen Modder standen. Und dann kam das Wasser! Die wahnsinnigen Schmelzwässer, die die heiße Lava aus dem Eis gekocht hatte, Sturzbäche, Fluten, die auf breiter Front vorgerückt sind und plattwalzten, was ihnen vor den Bug kam – alles komplett überschwemmt, weggeschwemmt. Und 400 Jahre später noch mal das gleiche Spiel. Daher ja auch der Name: »Einödsgletscher«. Und irgendwo da mittendrin im Vatnajökull, keine 50, 60 Kilometer von hier, genau Nord-Ost: der Grimsvötn. Heute noch aktiv. Da kann’s jederzeit hoch hergehn. Da drüben, da hinten.

Wegen all des Vulkandrecks im Eis hier gehen die Nunatakkr oft fast unter, stechen nicht wie anderswo felsschwarz aus dem Schneeschneeweißeis. Auf Island sind die vermeintlichen Felszacken im Eis oft genug unwillkommener Anlass für einen fatalen Irrtum. Da oben, wenn du den Fels da oben erreichst, dann ... und wenn du endlich da bist, geklettert bist wie ’n Berserker, dann erweist sich die Chose als alles, bloß nicht als rettendes Festland. Bloß eine Aschenkappe, die in einen vorwitzigen Eishöcker eingeschmolzen ist. Nicht im Entferntesten fester Boden untern Füßen.

Und selbst wenn der nächste Schnee weiß sein sollte, wenn weit und breit grad kein Vulkan in Aktion tritt, selbst wenn’s also schneit, wie sich’s gehört, stößt der Anthrazitzahn paar Minuten später wieder durch. Weil der Wind nicht Ruhe halten kann, keine Sekunde schweigt auf Island und im Handumdrehn den schwarzen Brackmann wieder freigelegt hat, bloß um den nächsten Eisläufer an der kalten Nase rumzuführen.

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