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Wie du stocksteif auf der Rückbank hocktest, in diesem Käfer, der, je mehr die Zeit sich auseinanderdehnte, immer enger wurde. Klein und kleiner. Wie die Wände irgendwie auf dich zukamen; wie du das Gefühl nicht loswurdest, sie müssten jeden Augenblick deine Wangen berühren, dein Gesicht in den Schraubstock legen. Wie du’s nicht gewagt hast, den Kopf auch nur um einen Millimeter zu bewegen, um die Wände nicht zu provozieren.

Der Motor tat keinen Mucks mehr. Aber auch draußen die Eulen schwiegen und die Unken, oder was für Nachtgetier auch immer dich Winzling da in deinem Blechkokon belauern mochte.

Und wie irgendwann dann – dein Hals tat übel weh, weil er die ganze Zeit diese Starre durchhalten musste – wie die bleierne Stille da draußen allmählich zerzwitschert wurde. Wie der Wald langsam, unendlich langsam wach wurde, ein matter Lichthauch durch die Äste fiel. Wie die Vögel, offenbar bester Laune, sich auch vom prasselnden Regen nicht davon abbringen ließen, die Schnäbel zu spreizen und ihre Mailieder in den knisternden Morgen zu entlassen. Wie aber dieses glockenhelle Jubilate zerschmiert wurde durch die bescheuerten Scheibenwischer, die immer langsamer jaulten, trotzdem aber unfassbar lange brauchten, um endgültig den Geist aufzugeben. Dafür, dass dein Vater immer so fluchte über die schlappe Batterie im Käfer, hielt sie doch erschreckend lange. Und als endlich das Scheibenwischergejaule verstummte, war auch der Morgenchoral der Singvögel dem üblichen Tagsüber-hin-und-wieder-Zwitschern gewichen. Und wie du irgendwann mittendrin dann, als du begriffen hattest, dass auch die Morgendämmerung an deiner entsetzlichen Lage nichts änderte, wie du dann dein eigenes Jammern wieder hörtest. Leise, aber lauter als all die Regentrommeln auf dem Käferdach. Ein trockenes Jammern, weil deine Tränen natürlich längst versiegt waren. Und wie sich in dieses Jammern allmählich, ganz allmählich ein neuer Unterton schlich. Ein heller, auf- und abwallender Ton. Fast eine Melodie. Ein – wie hieß das: ein Dreiklang? Und, leicht versetzt, noch eine zweite, gleichlautende Melodie, eine dritte noch. Wie diese Melodien sich immer lauter in deinen Kopf bohrten und ein paar Minuten später dein Schluchzen völlig übertönten. Aber da wusstest du bereits: Martinshörner! Polizei, Krankenwagen, irgendwas, jedenfalls Rettung.

Irgendwo hinter dir, oben auf der Straße hörtest du Bremsen kreischen. Hörtest, wie Autotüren aufgerissen und zugeschlagen wurden, wie ungezählte Stiefelschritte hektisch durchs Unterholz den Hang hinabstampften, immer näher kamen. Immer näher.

Jetzt musste jeden Augenblick ... und wurde auch: die Tür, die verkeilte Fahrertür, irgendwer hebelte sie mit einer ächzenden Brechstange auf. Da konntest du nicht mehr anders, ließest los, irgendwoher bekamst du wieder ein paar Tränen zusammen, schwollen an zu Sturzbächen, schossen dein Gesicht runter und durchnässten dein Hemd, dein letztes trockenes Kleidungsstück.

Aus deinem kläglichen Jammern war ein lautstarkes Heulen geworden, und zwischendurch, ob du wolltest oder nicht, zwischendurch löste sich immer wieder ein Kreischen aus deiner Kehle. Ein total fremdes Kreischen, wie das einer entstellten Waldhexe.

Und dann endlich, endlich erkanntest du deinen Vater, wie er sich zu dir in den Käfer beugte, wie sein Gesicht ganz nah, ganz nah kam.

»Na, Tom, großer Mann, bist ja ordentlich tapfer«, sagte er, und du merktest, wie er krampfhaft versuchte, seine Stimme nicht beben zu lassen. »Hat doch bisschen länger gedauert, als ich gedacht hab. Bis ich hier in dieser gottverlassnen Gegend ein Telefon aufgetrieben hatte, um Hilfe zu rufen, da musste ich die halbe Nacht für rumrennen. Aber ich wusste ja, dass man sich auf dich verlassen kann.«

Du warst noch lange nicht fertig mit Weinen, Kreischen, Schluchzen, aber du bekamst tatsächlich ein paar Worte raus: »Die Mama ist immer noch nicht wach. Ich, ich wollte sie wecken, aber ...«

»Aber da kannst du doch nichts für«, ging dein Vater dazwischen, »lass sie schlafen.«

»Bloß einmal war sie mal kurz wach. Und hat ganz schrecklich gestöhnt«, stammeltest du, »aber die Augen hat sie nicht aufgemacht. Und dann ist sie still geworden. Ganz still. So schrecklich still, die ganze Zeit. Und die Hand, ihre Hand ist total kalt. Aber hier ist es doch ganz heiß drin, hier im Auto, ganz heiß. Papa, warum ist Mamas Hand so kalt?«

»Tom, du bist schon ein richtig starker Mann.« Obwohl er sich alle Mühe gab, war es doch unüberhörbar, dass deinem Vater die Tränen in die Stimme krochen.

Und auch dein Schluchzen wurde wieder lauter, als du den Fehler machtest, an dir hinabzusehn. »Meine Hose ist nass. Ganz nass. Das brennt so auf der Haut, an den Beinen.«

»Na ja, pieseln muss jeder. Und das brennt jetzt bloß da, wo’s so geblutet hat. Nicht schlimm. Dafür hab ich ja den Onkel Doktor hier mitgebracht.«

Aber du wolltest und wolltest keine Ruhe geben: »Papa, ich glaub, ich find, die Mama sieht so aus, als wenn ... guck mal, die will überhaupt nicht mehr aufwachen.«

»Mach dir man keine Sorgen, kleiner Mann. Wir holen dich jetzt erst mal da raus.«

»Ist das der Tod, Papa, wo die Mama jetzt ist?«

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