Читать книгу Einstürzende Gedankengänge - Ulrich Land - Страница 9
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Оглавление»Die Fingerabdrücke am Trinknapf des Jungen, das stimmt alles. Und die Umrisse des blauen Flecks auf seinem Rücken decken sich genau mit der Hand der Mutter.«
Deine Assistentin redet und redet. Textet sämtliche Löcher in deinem Kopf zu. Der Redeschwall genau deckungsgleich mit den Löchern in diesem Schweizer Käse, der sich Hirn nennt. Da redet eine auf dich ein, quasselt, als wenn sie’s bezahlt be... Redet, redet, und du hast alle Mühe, deinen Gedanken von grade festzuhalten. Dass der dir nicht zerfleddert, wo du dabei bist. Und je mehr du deinen Gedankenfaden festhalten willst, je dichter du dich für das Gequatsche deines Gegenübers machst, desto mehr öffnet sich deine Faust und lässt den roten Faden rauskauen. – Erst sind sie festgefroren, die Gedanken, durchstochen von glasscharfen Kristallen, kleben unter der Schädeldecke wie Eiszapfen und knirschen eiskalt. Und wenn du sie anpacken willst, zu fassen versuchst, gehen sie dir durch die Lappen, schmelzen weg, lösen sich auf, sind plötzlich Luft, heiße Luft. War da nicht was, worüber du dich tierisch aufgeregt hast? Zwei Tage her vielleicht. Irgendwas, wo dir die Mahnemann in die Parade gefahren ist, dich irgendwie vollstoff ausgebremst hat. Und dir ist, als hättest du mal wieder recht gehabt, so was von recht gehabt, aber ... aber du weißt verdammt nicht mehr, worum es ...
»In welchem Film sind Sie grade, Sheriff? Wissen Sie, wovon ich rede? Ich meine das tote Kellerkind von vorgestern. Sie hatten mir doch aufgetragen, ich soll noch mal hin zu der Mutter. Fingerabdrücke, Speichelprobe, das ganze Programm. Gesagt, getan. Und die im Labor sind jetzt durch damit. Die Indizienlage ist ziemlich eindeutig. Und die Todesurache ist jetzt auch klar: Lungenentzündung.«
»Hab ich’s doch gewusst«, antwortest du und kommst zurück ins Hier und Jetzt gestolpert, »hab ich die ganze Zeit gesagt, dass es diese so genannte Mutter war. Dass die ihr Kind auf dem Gewissen hat. Mord durch unterlassene Hilfeleistung. Aber wollten Sie ja nichts von wissen, Sie mit Ihrer braven Beamtenvorsicht.«
»Aber ...«
»Sei’s drum; Ei drüber. Also – dann müssen wir die ja jetzt bloß noch bisschen in die Enge treiben und zugucken, wie das Geständnis aus ihr raussprudelt.«
»Gehe ich verschärft von aus«, nickt Kollegin Mahnemann eifrig, offenbar froh, dass der ermittelnde Hauptkommissar Dollinger doch nicht so ganz neben der Kapp’ steht und außerdem nicht sonderlich nachtragend ist, »die endgültige Überführung dürfte für Sie bloß ’n Kinderspiel sein.«
»Was für Kinder?«
»Kinder?«
»Mir war, als hätten Sie grade was von Kindern gesagt.«
Die hat doch was von Kindern gesagt. Scheiße, dir war tatsächlich, als habe die Mahnemann grade irgendwas von Kindern erzählt.
»Sheriff, Sie kommen mir irgendwie so durch ’n Wind vor.«
Und da ist er wieder. Plötzlich ist der Gedanke wieder da und das Pack-Ende. Jetzt bloß nicht wieder aus den Fingern gleiten lassen!
»Ach, bloß Kopfschmerzen, Barbara. Rasende Kopfschmerzen, die werd ich nicht mehr los. Seit, was weiß ich, zwei vollen Tagen mindestens.«
»Seit wir an dem neuen Fall dran sind, kann das sein?«
»Kann hinkommen. Verflucht, ja, da können Sie wahrhaftig recht haben. Seit diesem jämmerlich umgekommenen Knirps. – Mahnemannsche, hab ich schon gesagt, wie wir jetzt hier weitermachen?«
»Nee.«
»Aha.«
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