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Die Augustinusregel
ОглавлениеDie Widersprüche zwischen den Bestimmungen der Aachener Regel und den ihr vorgeschalteten Sermones Augustinus’ waren offensichtlich. Sie störten die an der Lebensweise der Urgemeinde von Jerusalem nach dem Idealbild von Apg 4,32–35 orientierten Reformer. Als Alternative bot sich die sog. Augustinusregel an, die mit der gemeinsamen Lebensweise der Kleriker am Bischofshaus von Hippo in Einklang zu bringen war. Doch diese Regel war ursprünglich für Mönche geschrieben und lag in zwei Fassungen vor, die zwar nach heutiger Erkenntnis9 beide in Augustinus’ Umfeld gehören, aber unterschiedliche Adressaten haben. Der kürzere Ordo monasterii regelt ein Mönchskloster mit Handarbeit, Stillschweigen und einem vom römischen und gallischen ordo stark abweichenden Chorgebet. Er geht möglicherweise auf Alypius zurück. Das längere Praeceptum bietet kaum Regelungen für den Alltag, sondern stellt die geistlichen Grundlagen des gemeinsamen Lebens einer Mönchsgemeinschaft heraus, an erster Stelle die vita communis im gemeinsamen Haus in vollkommener Gütergemeinschaft, dann Gebetszeiten, Sorge für die Kranken und Schwachen, Ausgang und brüderliche Zurechtweisung und das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft in der spätantiken Gesellschaft mit je verschiedenen Ansprüchen. Werden beide Regeltexte zusammen überliefert, spricht man vom Praeceptum longius.
In einer wohl aus Reims stammenden Handschrift des 9. Jahrhunderts wird erstmals das Praeceptum allein (unter Elimination des Ordo monasterii) mit den genannten Sermones Augustinus’ über die Lebensweise der Kleriker in Verbindung gebracht. Es wurde deshalb seitdem nicht mehr als Mönchs-, sondern als Kanonikerregel betrachtet, galt als Lebensnorm des Bischofshauses von Hippo und konnte so eine strengere Alternative für Dom- und Chorherrenstifte zur Aachener Regel bilden. Wegen der inhaltlichen Unbestimmtheit ihrer Regelungen für den Alltag wurde die Regula Augustini jedoch von manchen lokalen Kommunitäten (z. B. Mortara, Lombardei) durch weitere Regeln ergänzt.10