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Regularkanoniker

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Die vom Mönchtum ausgehende Reform des 11. Jahrhunderts mit den Zentren Cluny und Hirsau erfasste bald auch die Kanoniker, die entweder aus eigener Initiative oder auf Drängen der Bischöfe ein gemeinsames Leben mit Gütergemeinschaft, teilweise unter der Augustinusregel, annahmen und darauf Profess ablegten, sich also zu Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam verpflichteten. So ließen sich z. B. in St-Ruf bei Avignon 1039 an einer dem Domkapitel gehörenden, ruinösen Kirche vier Priester nieder, um dort religiose leben zu können.11 Andere Gründungen gingen aus eremitischen oder semieremitischen Gemeinschaften hervor, die sich zu festen Institutionen zusammenschlossen, z. B. das Reformzentrum Springiersbach. Denn mit der monastischen Reform blühte auch ein neues Eremitentum auf,12 das auch Gelehrte wie Abaelard anzog13 und sich in monastischen Mischformen wie den Kartäusern und Kamaldulensern niederschlug.

Ein Meilenstein in der Kanonikerreform war die Lateransynode 1059, die u. a.von Archidiakon Hildebrand, Kardinal Petrus Damiani (um 1006–1072) und Bischof Anselm II. von Lucca (1036–1086) durchgeführt wurde, der in seiner Diözese das Domkapitel reformierte. Auch in Rom hatte sich eine Gemeinschaft von Klerikern gebildet, die nach dem Muster der Urgemeinde von Jerusalem in völliger Gütergemeinschaft lebte und darauf Profess ablegte.14 Im vierten Kanon der Synode wurde verlangt, alle Kleriker hätten neben der Kirche, für die sie geweiht worden sind, gemeinsam zu schlafen und zu essen, weiterhin alles, was ihnen von der Kirche zukommt, gemeinsam zu besitzen und sich zu bemühen, zu einem gemeinsamen Leben nach Art der Apostel zu gelangen.15 In der Praxis wurde allerdings den Dom- und Stiftsherren weiterhin ihre Präbende zugestanden. So entwickelte sich die Unterscheidung unter den Kanonikern in die canonici saeculares, die bepfründet waren und oft ihren eigenen Haushalt hatten, und die canonici regulares, die in Gütergemeinschaft eine vita apostolica in Armut, Keuschheit und Gehorsam nach einer Regel führten.

Die Übernahme der Augustinusregel war jedoch nicht das einzige Kennzeichen der neuen Kanonikergemeinschaft. Neben ihr finden sich in den Kanonikergemeinschaften weitere normative Texte, vor allem die jeweiligen Consuetudines und Zeremonienbücher. Das frühe Reformzentrum St-Ruf bei Avignon übernahm z. B. erst um 1080 die Augustinusregel in Form des Praeceptum, aber noch verbunden mit den sog. Consensoria monachorum aus dem 7. Jahrhundert.16 Die Consuetudines wurden für die Ausbreitung der Reform von einem Zentrum aus sehr bedeutsam, auch über den engeren Verband hinaus. So finden sich die Consuetudines von St-Ruf u. a. in Passau (St. Nikola) und im schwedischen Lund.17 Die Kanonikerreform sollte eine allgemeine Klerusreform einleiten. Dem diente auch die Ausbreitung eines Verbandes in mehrere Diözesen und Kirchenprovinzen, wie es beispielhaft an dem nach cluniazensischem Modell organisierten Verband von St-Ruf (mit Abt, Großprior und zahlreichen Prioraten in Südfrankreich und Katalonien) zu sehen ist.

Ein Zentrum der Kanonikerreform anderer Art war St-Victor vor Paris.18 Im nördlichen Frankreich waren St-Martin-des Champes in Paris (1059/60) und St-Quentin in Beauvais (1067) die ersten reformierten Kanonikerstifte, letzteres geleitet vom nachmaligen Bischof Ivo von Chartres (um 1040–1115). Auch bei St-Victor handelt es sich um eine kleine Kirche vor den Mauern der Stadt, allerdings in der Nähe zum König und dem geistigen Zentrum, den Schulen von Paris. An diese Kirche zog sich wohl 1111 der Archidiakon der Kathedrale von Paris und gefeierte Magister Wilhelm von Champeaux († 1121) zurück, um dort seinen Unterricht mit einem gemeinsamen Leben mit den Scholaren zu verbinden.19 Dank großzügiger Schenkungen und der königlichen Bestätigung von 1113 entwickelte sich aus dem Kloster das Stift St-Victor, das nach 1130 zum Mittelpunkt eines Kanonikerverbandes wurde, der nach zisterziensischem Muster mit einem Generalkapitel und Tochterstiften organisiert war. Noch bedeutender aber wurde der geistige Einfluss durch die berühmte theologische Schule mit den Kanonikern Hugo, Richard, Adam und Andreas, die nicht nur die scholastische Theologie, sondern auch die Bibelwissenschaft, die Spiritualität und die Dichtung entscheidend bereicherte.20

Im südlichen Deutschland waren die Bischöfe Altmann von Passau (1065–1091), Gebhard von Salzburg (1060–1088) und dessen Nachfolger Konrad I. (1106–1141) um die Reform der Kanonikerstifte bemüht.21 Unter Bischof Altmanns Einfluss gründete Herzog Welf I. von Bayern 1073 das Stift Rottenbuch, das zu einem Zentrum der Reform wurde. Dorthin zog sich auch Manegold von Lautenbach, in Paris ausgebildet, zurück, bevor er 1094 Prior des neugegründeten Stiftes Marbach im Elsass wurde und dieses dank seiner Consuetudines wieder zum Zentrum eines Netzwerkes von Reformklöstern machte. Nach Rottenbuch floh 1120 auch der ehemalige Augsburger Domscholaster Gerhoch von Reichersberg (1092/93–1169), der dann als Propst von Reichersberg (ab 1132) für die Kanonikerreform wirkte.

Die Prämonstratenser

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