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»Tu es Petrus« – berufen in der Nachfolge des Fischers

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Das Römische Reich bot für die Ausbreitung des Christentums die denkbar günstigsten Voraussetzungen. Es verfügte über ein für die Antike einmaliges Straßen- und Verkehrsnetz, kannte keinerlei Pass- und Devisenbeschränkungen, außerdem existierte eine überall verbreitete gemeinsame Sprache. Rom, die Hauptstadt des Imperiums, sah sich als caput mundi, ›Haupt der Welt‹. Hier residierten die Caesaren und tagte der Senat; von hier aus wurde das gewaltige Imperium Romanum regiert.

Petrus und Paulus waren sich bewusst, dass dieser Ort eine ganz besondere Rolle im Leben der Kirche spielen musste. In Rom war ihre Anwesenheit gefordert. Und so machten sich beide zum caput mundi auf. Hier wirkten und starben sie. Die Präsenz und das Martyrium der beiden Apostel gaben der Ewigen Stadt einen hohen Rang bei den übrigen christlichen Gemeinden. Mit den Worten »Tu es Petrus … Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen. Ich werde Dir die Schlüssel des Himmelreiches geben« (Mt 16,18–19) hatte Jesus – so jedenfalls wurde es gedeutet – dem Fischer vom See Genezareth ein herausragendes Mandat erteilt. Die besondere Rolle des Petrus innerhalb des Apostelkollegiums sollte auf seine Nachfolger in der Hauptstadt des Römischen Reiches übertragen werden. Der Primat des Simon Petrus wurde zu einem Primat der Kirche von Rom. Er stellte sich als eine Vorrangstellung dar, die aber noch nicht allgemein als Ausübung einer speziellen Amtsvollmacht verstanden wurde.

So nennt Ignatius von Antiochien (35–108) die römische Gemeinde die »Vorsitzende im Liebesbunde«. Irenäus von Lyon (140–190) wird schon konkreter, er spricht von der »größten, ältesten und allbekannten Kirche, die von den beiden ruhmreichen Aposteln Petrus und Paulus zu Rom gegründet und errichtet ist«. Für ihn steht fest: »Mit der römischen Kirche muss wegen ihres besonderen Vorranges jede Kirche übereinstimmen.« Wenn auch bedeutende und angesehene Männer der frühen Kirche, wie Cyprian von Karthago (um 200–258) und Tertullian (160–220), den Primat der römischen Kirche vehement bestritten, so war und wurde ihre Position doch mehr und mehr die einer Minderheit.

Die Behauptung des römischen Primats formuliert sich im Lauf der Zeit deutlicher und schärfer. Bonifaz I. (418–422) – er nennt sich bereits »Papst«, vom altgriechischen παππα, der kindlichen Anrede »Papa« – sieht in seiner Gemeinde das Haupt aller Glieder Christi: »Wenn sich jemand von ihr trennt, dann steht er außerhalb des Raumes der christlichen Religion, da er kein Glied ihres Gefüges geworden ist.« Ein Edikt Kaiser Valentinians III. aus dem Jahr 445 bestätigt den Vorrang des Bischofs von Rom auch von weltlicher Seite und warnt: »Niemand versuche mit frevelhafter Anmaßung das Ansehen dieses apostolischen Stuhles anzutasten; denn dann erst wird überall in den Gemeinden der Friede gesichert sein, wenn die Gesamtheit [der Gemeinden] diesen apostolischen Stuhl als ihren Herrn anerkennt.«

Ihren Anspruch auf die Leitung der Kirche trugen die Päpste durch die Jahrhunderte – allen Anfechtungen, Schismen, Abspaltungen und kämpferischen Reformatoren zum Trotz. Die Übertragung des Primats auf Petrus und seine Nachfolger wird durch Synoden und Konzilien bekräftigt, auf dem I. Vatikanischen Konzil (1869–1870) im Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes zementiert und vom II. Vatikanischen Konzil (1962–1965) erneut in Erinnerung gerufen. Die Kirchenversammlung des 20. Jahrhunderts verkündet, dass der Papst »kraft seines Amtes als Stellvertreter Christi und Hirte der ganzen Kirche volle, höchste und universale Gewalt über die Kirche hat und sie immer frei ausüben kann«.

Die »Unfehlbarkeit« des Papstes

Dass der Papst »unfehlbar« sein soll, erzeugt nicht selten kritisches Stirnrunzeln. Tatsächlich bezog sich dieses Attribut von jeher jedoch keinesfalls auf die Person selbst, sondern allein auf Aussagen, die der Pontefex Maximus kraft seiner Amtsgewalt ex cathedra in Glaubensangelegenheiten trifft: »Wenn der Römische Papst in höchster Lehrgewalt (ex cathedra) spricht, das heißt, wenn er seines Amtes als Hirte und Lehrer aller Christen waltend in höchster apostolischer Amtsgewalt endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen ist, jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren ausgerüstet haben wollte. Diese endgültigen Entscheidungen des Römischen Papstes sind daher aus sich und nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich.«

I. Vatikanisches Konzil, 1870

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