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Rätsel und Bekenntnisse
ОглавлениеAuch ein weiteres Rätsel, das Historiker und Archäologen lange Zeit beschäftigt hat, kann in der Folge gelöst werden. In den Sebastianikatakomben an der Via Appia existieren antike Graffiti, die über die dortige Anwesenheit der sterblichen Überreste des Heiligen Petrus und Paulus Auskunft zu geben scheinen. So besagt eine Inschrift, dass hier das refrigerium (eine Mahlfeier zu Ehren von Verstorbenen) für die beiden Apostel gehalten worden sei. Der Grund für diese Zeugnisse liegt vermutlich in einem Ereignis des Jahres 258. Damals war unter den Christenverfolgungen des Kaisers Valerianus die Beschlagnahme der Friedhöfe angeordnet worden. Mitglieder der christlichen Gemeinde hatten wohl die Reliquien vom Vatikan und der Via Ostia in die Katakomben an der Via Appia überführt und sie später wieder an ihre angestammten Plätze zurückgebracht, als Gallienus, der Sohn und Mitregent des Valerianus, die Gräberfelder wieder freigab.
Paul VI. jedenfalls ordnet an, die von Margherita Guarducci wiedergefundenen Reliquien des Ersten der Apostel aus den Räumlichkeiten der Dombauhütte nach St. Peter zu übertragen. Sie werden wieder in der Nische der Stützmauer des Tropaion beigesetzt, wo sie fast 1700 Jahre ruhten. Neun Knochenfragmente behält der Papst für sich. Sie finden Platz in einem Reliquiar, das in der Privatkapelle der Päpste aufbewahrt wird. Eine Inschrift des Behältnisses besagt: Ex ossibus quae in Arcibasilicae Vaticanae hypogeo inventa Beati Petri Apostoli esse putantur. – ›Genommen aus den Knochen, die aus dem Boden unter der Vatikanbasilika stammen und die dem seligen Apostel Petrus zugeschrieben werden.‹
Am 9. November 2013, dem Christkönigsfest, lässt der amtierende Papst Franziskus diese Petrusreliquien zum feierlichen Abschluss des noch von Benedikt XVI. ausgerufenen Jahrs des Glaubens aus der Kapelle des Apostolischen Palastes zur öffentlichen Verehrung auf dem Petersplatz ausstellen. Er tut dies gegen alle Bedenken und zur allgemeinen Überraschung.
Weltlicher Ausdruck himmlischer Macht. Der Apostolische Palast vom Petersplatz aus gesehen
In einer Zeit des wissenschaftlichen Skeptizismus, einer kritischen Exegese und der unterschiedlichsten historischen Theorien zu den Anfängen des Christentums sind die Zweifel bezüglich eines Aufenthalts des Petrus in Rom, seines Grabs und seiner Reliquien jedoch nicht verstummt. Als die Tageszeitung Die Welt im Jahr 2010 mit dem emeritierten Theologie-Professor Ernst Dassmann sprach und ihm schließlich die Frage stellte, was denn in seinen Augen das stärkste Argument dafür sei, dass sich das Grab Petri tatsächlich unter dem Petersdom befinde, gab er zur Antwort: »Die Kultkontinuität. Meine Güte, wir wissen den Platz, wo die römische Gemeinde seit 160 gemeint hat, Petrus verehren zu müssen. Haben Sie etwas Ähnliches von irgendeinem anderen Menschen aus der Antike?! Das ist doch fantastisch.«