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»Ego sum Caesar, ego sum Imperator!«

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Konstantin der Große hatte als Erster unter den Caesaren erkannt, dass der alte heidnische Götterglaube nicht mehr fähig war, das Römische Reich zusammenzuhalten. Die Einheit des Staates konnte für ihn nur eine neue, frische Religion garantieren: das Christentum.

313 erließ Konstantin gemeinsam mit seinem Mitherrscher im Osten des Reiches das Toleranzedikt von Mailand: »Wir erteilen allen und auch den Christen die Erlaubnis, derjenigen Religion zu folgen, die sie wollen.« Verbindlich wurde der Glaube an den Nazaräer und seine Botschaft damit noch nicht. Aber die Bevorzugung, die der Kaiser den Christen gewährte, war kaum zu übersehen. Auf seine Anordnung hin wurden ihnen alle beschlagnahmten Gebäude und Grundstücke zurückerstattet, ihnen die uneingeschränkte Zulassung zu öffentlichen Ämtern ermöglicht und die Feier des Sonntags gefördert.

Die benevolentia, die Gunst des Kaisers, ging jedoch noch weiter: Die Bischöfe der christlichen Gemeinden erhielten einen Status, der denen der kaiserlichen Würdenträger in nichts nachstand. Titel, Kleidung und Insignien des Herrschers und seiner Beamtenschaft wurden – Stück für Stück – übernommen und in die hierarchische Struktur der Kirche eingebunden. Sogar das höfische Zeremoniell fand seinen Einzug in Leben und Liturgie der Kirche und sollte bis in die heutige Zeit Spuren hinterlassen. Da die Privathäuser der Christen für Gemeindefeiern zu klein geworden waren, schuf man neue Versammlungsorte. Sie entstanden nach dem Vorbild der kaiserlichen Palastbauten mit ihren imposanten und gewaltigen Thronsälen. Aus diesen Königshallen, den Basiliken, wurden christliche Gotteshäuser. Das Asylrecht, einst den heidnischen Tempeln zugestanden, wurde auf die Kirchen übertragen.

»Damit die päpstliche Krone keine Einbuße an Ehre erleidet, übergeben Wir sowohl Unseren Palast als auch die Stadt Rom und alle Provinzen, Orte und Städte Italiens und des Abendlandes dem hochseligen Papste, Unserem Vater Silvester und seinen Nachfolgern im Papsttum«, verkündet eine Urkunde, mit der Konstantin der Große den Bischof der Ewigen Stadt zum Landesherrn gemacht haben soll. Das Dokument, die »Konstantinische Schenkung«, ist jedoch eine Fälschung, die um das Jahr 760 entstanden ist. Diesen – zumindest, was die Legitimation des Kirchenstaates betraf – völlig unnötigen Betrug entlarvten zu Beginn des 15. Jahrhunderts nicht etwa Gegner des Papsttums, sondern getreue Söhne der Kirche.

Seitdem das Römische Reich den christlichen Glauben angenommen hatte, besaß die Kirche ausgedehnte Ländereien, die ihr kaum jemand streitig machte. Bereits für das frühe 8. Jahrhundert sind Urkunden bezeugt, die dem Papst eine gewisse politische Unabhängigkeit und Herrschaft garantieren. 728 hatte der langobardische König Liutprand Papst Gregor II. (715–731) die Rechte über die Stadt Sutri und weitere Orte Latiums übertragen; in der »Pippinischen Schenkung« von 754 sprach der König der Franken dem Oberhaupt der katholischen Kirche das Dukat Rom, das Exarchat Ravenna, Teile des nördlichen Italiens und die Herzogtümer von Spoleto und Benevent zu.

Leo IX. (1049–1054) wird in einem Schreiben an den oströmischen Imperator die Auffassung vertreten, dass die beiden Kaiser die Arme des Papstes seien, die Vollstrecker seines Willens. So ist nach Gregor VII. (1073–1085) die Kirche das universale regimen, das Universalreich, in das die Staaten hineingestellt sind, dessen gebietendes Haupt der Papst und dessen dienender Arm der Kaiser und König wird: »Der Papst allein darf sich der kaiserlichen Insignien bedienen. Des Papstes Füße allein haben alle Fürsten zu küssen. Ihm ist es erlaubt, Kaiser abzusetzen.« Am Päpstlichen Hof vertrat man die Auffassung, dass das Kaisertum beim Tod des Imperators an den Papst zurückfalle.

Bezeichnend hierfür ist eine historische Szene, die aus dem Pontifikat Bonifaz’ VIII. (1294–1303) überliefert ist. Demnach gab der Papst auf die Frage nach seiner Autorität, »sitzend auf dem päpstlichen Thron, mit dem Schwert umgürtet und das Diadem Konstantins auf dem Haupte, die Antwort, indem er mit der Rechten den Griff fassend das Schwert zückte: ›Bin ich nicht der oberste Pontifex? Ist hier nicht der Stuhl des Petrus? Vermag ich nicht die Rechte des Imperiums zu wahren? Ich bin Caesar. Ich bin Imperator – Ego sum Caesar, ego sum Imperator!‹«

Die Faszination, die vom absoluten weltlichen Anspruch des Petrusamtes ausging, und der Widerwille gegen die Stellung des Papstes als (übergeordneter) Souverän ziehen sich durch die Geschichte und bestimmen sie prägend mit. Exemplarisch zeigte sich die Auseinandersetzung dieser kirchlich-weltlichen Aufregung bei Napoleon Bonaparte. Als dessen Kaiserkrönung anstand, hatte der Korse zunächst den Papst als denjenigen nach Paris geladen, der ihm die imperiale Insignie aufs Haupt setzen sollte, sich dann aber entschieden, den Akt durch die eigene Hand zu vollziehen.

Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein, das letzte Mal im Jahr 1963, wurden die Päpste nach ihrer Wahl in einem feierlichen Ritus mit der Tiara gekrönt. Die Krönungsworte sprachen für sich selbst: »Accipe tiaram tribus coronis ornatam … Empfange die mit drei Kronen geschmückte Tiara und wisse, dass Du der Vater der Fürsten und Könige bist, der Lenker der Welt, der Statthalter unseres Heilands Jesus Christus auf Erden, dem Ruhm und Ehre sei in Ewigkeit. Amen.«

Päpste. 100 Seiten

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